
Vor wenigen Wochen landeten gleich drei hochseriöse Studien auf meinem Schreibtisch. Erst machten sie mich sprachlos, dann brachten sie mich ordentlich in Rage. Die erste kam von der Universität Leiden. Das Studienergebnis haute mich richtig um: 82 Prozent der milliardenschweren EU-Förderungen fließen in die Produktion tierischer Lebensmittel! Nach diesem Verteilungs-Schlüssel: 38 Prozent gehen direkt in die Tierhaltung, 44 Prozent in die Futtermittelproduktion. Gerade mal 18 Prozent entfallen auf die überaus gesundheitsrelevante Getreide-, Gemüse- und Obstproduktion.
EU-Gelder fördern ungesunde Ernährung
Auch wenn die Studien-Daten etwas älter sind, hat sich an der Verteilung der Gelder nach der aktuellen Leidener Analyse seitdem so gut wie nichts geändert. So hat die EU-Kommission 2013 ca. 57 Milliarden Euro an Landwirte überwiesen. In der Förderperiode von 2023 bis 2027 sind es jährlich immer noch rund 55 Milliarden Euro. Kaum hatte ich diese Bad-News verdaut, gleich der nächste Hammer. Dieses Mal von der renommierten australischen University of Queensland: Weltweit sind die Projekte für gesunde Lebensmittel wie Obst, Gemüse, Vollkornprodukte – alles frisch und vielleicht auch noch Bio – fast doppelt so viel angestiegen wie für industrielle Massen-Food. Die dritte Studie nun, die mich auch aus der Bahn warf, war ein Wissenschafts-Bericht der LMU München: Die deutsche Ernährungspolitik und auch die Preisgestaltung von Lebensmitteln schneiden im europäischen Vergleich schlecht bis mangelhaft ab.
Es ist schon später als fünf vor zwölf
Diese Fehlsteuern auf der europäischen und bundesdeutschen Ebene sind unerträglich. Für eine längst überfällige, tiefgreifende Kurs-Korrektur ist es schon später als fünf vor zwölf. In der Europäischen Union muss konsequent darauf gedrungen werden, dass Agrar-Subventionen künftig viel stärker in den Anbau von gesunden Nahrungsmitteln fließen, die nicht so viele Treibhausgase produzieren wie die Fleisch-Industrie. Und bitteschön nicht wie jetzt zum Löwenanteil in die Fleisch-Produktion. On top muss die deutsche Regierung dringend Maßnahmen wie die Besteuerung von zuckerreichen Lebensmitteln und die steuerliche Entlastung von gesunden Essen ergreifen. Damit sich jeder von uns eine ergonomische Ernährung leisten kann.
Stimmen aus der Forschung
Drei Studien, die auch nachdenklich machen.
- Durch eine Besteuerung von zuckerreichen Getränken kaufen die Menschen deutlich gesünder ein (Vrije Universiteit Amsterdam).
- Die Produktion von tierischen Lebensmitteln ist weltweit für nahezu 60 Prozent aller Treibhausgase in der Nahrungsmittel-Industrie verantwortlich (University of Illinois).
- Kühe, Schweine, Schafe sind für 57 Prozent aller Nahrungsmittel-Emissionen zuständig. Alleine Rindfleisch trägt zu einem Viertel dazu bei („Nature Food“).
Dr. Matthias Riedl ist bekannt als Ernährungs-Doc aus dem NDR-Fernsehen. Der Facharzt für Innere Medizin und Diabetologe leitet das medicum Hamburg, Deutschlands größtes Zentrum für Ernährungsmedizin und Diabetologie (medicum-hamburg.de).