Was sich zunächst irgendwie niedlich anhört und an die Märchen der Gebrüder Grimm erinnert, hinter dem verbirgt sich eine gefährliche Erkrankung. Die Rede ist vom sogenannten Rapunzelsyndrom (Trichophagie), einer psychischen Erkrankung, die vor allem junge Mädchen und Frauen betrifft. Bei dieser verspeisen Betroffene zwanghaft die (eigenen) Haaren, nachdem sie sich diese beispielsweise herausgerissen haben. In 90 Prozent der Fälle erkranken Frauen unter 20 Jahren.
Wie äußert sich das Rapunzelsyndrom?
Beim Rapunzelsyndrom handelt es sich um eine Zwangsstörung, bei der Erkrankte zwanghaft über einen längeren Zeitraum das eigene Haar verschlucken oder verzehren. Dies birgt gesundheitliche Gefahren, denn die Haare können nicht verdaut werden, wodurch sie sich im Körper ansammeln und schließlich sogar verklumpen können. Zu den Symptomen, die dadurch hervorgerufen werden können, zählen:
- Bauchschmerzen
- starker Gewichtsverlust
- Übelkeit
- Erbrechen
- Druckgefühl im Bauch
- geschwollener Oberbauch
- Verstopfung
- Haarausfall
Meist treten unspezifische Beschwerden auf, die ebenso auf Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes hinweisen können. Ein übermäßiger Haarverlust gilt als typisches Anzeichen für das Rapunzelsyndrom. Die Krankheit geht mit einer Trichophagie, bei der Betroffene das eigene Haar verschlucken, einher und oft auch mit einer Trichotillomanie, bei der Betroffene sich zwanghaft die Haare ausreißen.
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Im Video: Deswegen sollte man graue Haare nicht ausreißen
Rapunzelsyndrom: Diese Ursachen gibt es
Die Ursachen für die Erkrankung sind bisher nicht ausreichend erforscht, allerdings gehen Mediziner davon aus, dass sie psychischer Natur sind. Häufig weisen Betroffene psychische Auffälligkeiten wie eine fehlende Impulskontrolle oder eine stark ausgeprägte Nervosität auf. Auch kann die Erkrankung mit anderen psychischen Krankheiten wie einer Angststörung einhergehen. Menschen mit dem Rapunzelsyndrom leiden meist unter einer starken Anspannung, die sie versuchen durch das Kauen und Herunterschlucken von Haaren zu kompensieren.
In vielen Fällen wird die psychische Erkrankung auch durch den Verlust oder die Trennung von einem geliebten Menschen hervorgerufen. Der emotionale Verlust führt dann zu dem Entstehen der Erkrankung und stellt für Betroffene ein Ventil dar.
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So gefährlich ist die Erkrankung
Als Folge der Erkrankung bildet sich ein Haarknäuel (Trichobezoar) im Magen, das sich zopfartig in den Dünndarm ausbreitet und im schlimmsten Fall sogar bis in den Dickdarm reichen kann. Das Knäuel kann leicht mit einem Tumor verwechselt werden.
Im weiteren Verlauf haben Betroffene Schwierigkeiten damit, Essen bei sich zu behalten, sodass es zu einer Gewichtsabnahme kommt, obwohl der Oberbauch geschwollen ist. Die Menge an verschluckten Haaren kann zu Veränderungen der Magenschleimhaut sowie deren Sekrete führen. Über einen längeren Zeitraum füllt das Haar den Magen aus – daraus kann ein Durchbruch der Magen- und Darmwänden resultieren, der wiederum eine Blutvergiftung oder Infektionen des Magen-Darm-Traktes zur Folge hat. Im schlimmsten Fall kommt es zu Folgen mit tödlichem Ausgang wie einem Darmverschluss, einer Magenperforation oder einer Wandnekrose des Dünndarms. Bei letzterer sterben die Zellen der Dünndarmwand ab.
So wird die Trichophagie behandelt
Da Betroffene häufig abstreiten, Haare zu essen, wird die Erkrankung nicht immer sofort erkannt und behandelt. Aufgrund der gesundheitlichen Gefahren des Rapunzelsyndroms ist eine frühzeitige Diagnose jedoch wichtig. Der behandelnde Arzt oder die behandelnde Ärztin kann mittels Ultraschall- oder Röntgenuntersuchung mögliche Haarklumpen identifizieren und zwischen diesen und einem Tumor unterscheiden.
Die Behandlung einer Trichophagie kann kompliziert sein. Zunächst ist eine operative Entfernung der Haarbüschel zwingend erforderlich. Diese kann Ärzt:innen an ihre Grenzen bringen, da die Haare sich beispielsweise um den gesamten Magen ziehen können. Daher birgt der medizinische Eingriff auch eine Reihe von Risiken, wie etwa chronische Magen-Darm-Beschwerden. Im Anschluss sollten sich Betroffene in eine psychotherapeutische Behandlung begeben, um die Ursache der psychischen Probleme zu behandeln. Unbehandelt führt die Erkrankung in der Regel zum Tod.
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