Haut im Wandel: Wie moderne Dermatologie unser größtes Organ neu versteht

Akne, Neurodermitis, Schuppenflechte: Hautkrankheiten sind allgegenwärtig und gehen weit über das Sichtbare hinaus. Im Vital Gesundheitspodcast erklärt Dr. Avend Bamarni, wie Dermatologie heute denkt, warum Immunabwehr, Lebensstil und digitale Tools zusammengehören – und wie wir selbst Einfluss nehmen können.

Eine Junge Frau, die sich im Sommer am Wasser befindet und deren Rücken mit Wasserperlen überzogen ist© ti-ja / iStock
Die Haut ist unser größtes Organ - Grund genug, ihr mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Die Haut ist Spiegelbild unserer Gesundheit – und zugleich Bühne alltäglicher Belastungen, Sorgen und Hoffnungen. Im Gespräch mit Dr. Avend Bamarni, angehender Facharzt vom Universitätsklinikum Freiburg, taucht der Vital Gesundheitspodcast tief ein in das Spannungsfeld zwischen äußeren Symptomen und inneren Prozessen. Zwischen Akne und Neurodermitis, Scham und Selbstbewusstsein, digitaler Diagnose und althergebrachter Creme entfaltet sich ein ebenso persönlicher wie wissenschaftlicher Blick auf unser größtes Organ – die Haut.

Das Wunderwerk Haut: Ein lebendiges Organ, das verbindet und schützt 

Dr. Avend Bamarni ist Jungmediziner am Uniklinikum Freiburg, auf dem besten Weg zum Dermatologen – trotzdem zählt er schon heute zu den Experten, wenn es um unser größtes Organ geht: die Haut. Und genau darin liegt für ihn die Faszination. Mit ihrem schier endlosen Oberflächenkontakt zu unserer Umwelt, mit ihren Milliarden von Immunzellen und ihrer Doppelrolle als Schutzfolie und Kommunikationsmedium bildet die Haut die Barriere und Brücke zugleich zwischen Innen und Außen. 

Schon der Einstieg ins Gespräch mit Podcast-Host Clarissa macht deutlich: Hier geht es nicht um reine Kosmetik oder die simple Frage nach der besten Creme. „Die Haut ist nicht nur für die Ästhetik da, sondern auch essentiell für unseren ganzen Körper“, erläutert Bamarni. Sie ist Teil des Immunsystems, Ort komplexer Reaktionen und oft auch erste Anzeigetafel innerer Krankheiten oder Stressfaktoren. 

„Die Haut ist nicht nur für die Ästhetik da, sondern auch essentiell für unseren ganzen Körper, beherbergt eine unfassbar große Anzahl an Immunzellen.

Was bedeutet das für den Alltag? Für Bamarni ist klar: Viele Hautkrankheiten, von der Akne bis zur Neurodermitis und Schuppenflechte, lassen sich nur dann wirklich verstehen, wenn man ihre immunologischen Triebkräfte begreift. Die Haut lebt, sie kommuniziert, sie ist Angriffspunkt und Verteidigerin zugleich. „Dermatologie ist am Ende auch Immunologie“ – ein Satz, der zum roten Faden des Gesprächs wird. 

Bamarni veranschaulicht, dass die Ursachen vieler Hautveränderungen oft tief im Inneren liegen. Nicht nur bakterielle oder virale Infektionen, sondern auch autoimmune Prozesse entscheiden darüber, ob ein Ekzem, Ausschlag oder eine chronisch-entzündliche Erkrankung auftritt. Wirkliche Prävention und Therapie der Haut fangen daher weit vor der Symptombehandlung an – sie reichen zum Lebensstil, zur Psyche, zur Ernährung.

Unser Experte: Dr. Avend Barmani
Avend Barmani
  • Studium der Humanmedizin und derzeit tätig als Dermatologie-Resident (Assistenzarzt) am Universitätsklinikum Bonn, einer renommierten Lehr- und Forschungseinrichtung 
  • Moderiert gemeinsam mit Hausarzt David Reckers den Mediziner-Podcast „Die Underdocs – Der Medizin Podcast“, in dem er u. a. über den Klinik- und Praxisalltag, aktuelle Gesundheitsthemen und Social‑Media-Einfluss spricht 

Chronisch oder akut – und warum jede Haut ihre Geschichte erzählt 

Die Welt der Hautkrankheiten ist groß – und sie lässt sich grob einteilen in akute und chronische Formen. Akute Veränderungen seien oft temporär, entstehen schnell und verschwinden meist ebenso flott: bakterielle Infekte, Gürtelrose, allergische Ausschläge beispielsweise. Hier helfen klassische Behandlungen meist rasch, manchmal heilt der Körper auch von selbst. 

Komplizierter wird es bei den Chronikern: Schuppenflechte (Psoriasis), Neurodermitis, aber auch Hautkrebs gehören dazu. Solche Leiden prägen oft viele Jahre das (meist leidvolle) Verhältnis der Betroffenen zu ihrer eigenen Haut. 

„Chronisch und langfristige Hauterkrankungen muss man sich sicherlich auch Hautkrebs...Dazu zählen durch UV-Strahlung verursachte Sonnenschäden der Haut, die dann zu Hautkrebs führen", erläutert Bamarni. 

„Neurodermitis gibt es eigentlich nicht ohne Juckreiz, kann man sich ein bisschen vielleicht merken.“

Neurodermitis und Psoriasis – häufig verwechselt, im Detail doch grundverschieden: Während bei der Neurodermitis schon Babys betroffen sein können, oft mit starkem Juckreiz an Wangen, Kopfhaut, später Ellenbeugen oder Kniekehlen, beginnt Psoriasis meist später, mit Lebens-Höhepunkten um das 20. und 40. Lebensjahr. Die Symptome? Ebenfalls Hautrötungen, Ekzeme, Schuppen – aber andere Körperstellen, anderes Krankheitsbild. Beide Erkrankungen verbindet, dass das Immunsystem „überreagiert“. Doch die Schuppenflechte betrifft häufig streckseitige Flächen wie die Außenseite von Ellbogen und Knien, während bei der Neurodermitis eher die Beugeseiten betroffen sind. 

Die genetische Veranlagung spielt bei beiden eine gewichtige Rolle, aber auch Umwelt und Lebensstil beeinflussen Verlauf und Schwere. Wer früh betroffen ist, trägt oft eine besonders ausgeprägte genetische Anlage. Bamarni weist auf einen erstaunlichen Effekt hin: Menschen mit Neurodermitis entwickeln durch die gestörte Hautbarriere besonders oft Allergien, denn Pollen und Keime haben leichteres Spiel. 

Die Behandlung: Zwischen Creme, Lebensstil und moderner Immunmedizin 

Was tun, wenn der Leidensdruck steigt? Bamarni ist überzeugt: Der Weg zur gesunden Haut führt entlang zweier Linien – äußerliche schnelle Linderung durch Cremes, Sprays oder Salben einerseits, andererseits gezielte Veränderungen im Lebensstil. „Wenn man langfristig was tun möchte, dann muss man an seinen Lebensgewohnheiten was verändern. Das geht bei der Schuppenflechte ehrlich zugegeben einfacher als bei der Neurodermitis“, erklärt er offen. 

Gerade bei Schuppenflechte können Faktoren wie Übergewicht, Fast Food, Zucker und Nikotin den Verlauf verschärfen. „Bei der Schuppenflechte ist es auch häufig, dass so alles, was wir auf den ersten Blick als ungesund wahrnehmen, auch zu vermeiden ist.“ Auch Stress, Schlafmangel und psychische Verfassung greifen direkt ins Krankheitsgeschehen ein. Wer kleine Veränderungen beim Essen wagt – etwa Brot für zwei Wochen durch gesunde Fette wie Avocado, Nüsse und Olivenöl ersetzt – kann aktiv Einfluss nehmen. Ob das anschlägt, sei individuell: 

„Es kann durchaus sein, dass man das ausprobiert und merkt, es ändert sich absolut gar nichts.“

Eine pauschale Erfolgsgarantie gibt es nicht – aber der Versuch lohnt. Neben Cremes helfen gezielte neue Therapien, zum Beispiel Biologika, die das Immunsystem an ganz bestimmten Punkten modulieren. Statt breit wirkender Cortison-Tabletten bieten innovative Spritzenbehandlungen Hilfe für viele – ohne gravierende Nebenwirkungen. „Wir haben auch Möglichkeiten mittlerweile, das Immunsystem so ein bisschen spezifisch zu modulieren, also ein bisschen zu verändern, ohne dass es zu einer starken Hemmung des Immunsystems kommt“, erklärt Bamarni. 

Gerade im Bereich der Neurodermitis helfen nicht nur Reha-Aufenthalte in pollenfreier Luft – zum Beispiel am Meer – sondern auch Stressmanagement, Meditation und konsequentes Eincremen. Die richtige Feuchtigkeitspflege ist ein Dauerbaustein: „Mit einer Feuchtigkeitscreme von außen aufgetragen, verringert die Anzahl der Schübe und auch die Stärke der Schübe“, betont Bamarni. Für viele Betroffene kommen neue Hoffnungsschimmer am Behandlungshorizont dazu, etwa gezielte Immunmodulatoren, die nur einzelne Signalwege lähmen, nicht das gesamte Abwehrsystem. 

Sichtbar, digital, psychisch: Hautkrankheiten zwischen Scham und Aufklärung 

Wer unter einer sichtbaren Hautkrankheit leidet, trägt selten nur körperliche Symptome. Die sozialen und seelischen Folgen sind oft erheblich: Scham, Isolation, Unsicherheiten. „Es gibt eigentlich keine Hauterkrankung, die nicht auch mit einer psychischen Beeinträchtigung einhergeht“, stellt Bamarni fest. Gerade Akne, aber auch chronische Entzündungen werden so zum täglichen Spießrutenlauf. 

Digitale Angebote wie Teledermatologie gewinnen deshalb an Boden: Fotos der Haut, die online an Spezialisten gehen, ersparen manchen Termin und helfen auch bei der Früherkennung. Doch Bamarni bleibt überzeugt: Wer seine eigene Haut versteht und kleine Veränderungen rechtzeitig wahrnimmt, betreibt die beste Prävention. Regelmäßige Selbstkontrolle, ausreichend Schlaf, gesunde Ernährung und psychische Entlastung sind die Grundpfeiler. Und manchmal genügt ein einfacher Alltagstipp: „Mit den Händen nicht ins Gesicht gehen“, so Bamarni, „weil unsere Hände, da sammeln wir auch die ganze Zeit Bakterien, die dann praktisch auch nicht ins Gesicht gehören.“ 

Am Ende des Gesprächs steht ein klarer Appell – Selbstaufmerksamkeit, proaktive Vorsorge und der selbstbewusste Umgang mit der eigenen Haut. Hautgesundheit ist vielschichtig, aber keineswegs ein Mysterium. Und Dr. Bamarni lässt keinen Zweifel: Vorbeugung, Akzeptanz und moderne Medizin geben Hoffnung – für jeden einzelnen von uns.