
Drehbuchschreiber lieben Charaktere mit dissozialen Persönlichkeitsstörungen. Im Fernsehen begegnen wir immer wieder Hauptcharakteren wie Sherlock Holmes, Dr. House oder Dexter Morgan, die durch antisoziales Verhalten auffallen, wenig bis gar keine Empathie verspüren oder mit ihrem messerscharfen Intellekt hochgradig manipulativ gegenüber Mitmenschen sind. Solche Persönlichkeiten werden in Film und Fernsehen immer wieder als „Soziopathen“ beschrieben. Doch was genau bedeutet das eigentlich?
Was ist Soziopathie?
Schon die Definition von Soziopathie fällt schwer. In der Vergangenheit wurden die Begriffe „Soziopathie“ und „Psychopathie“ synonym verwendet, mittlerweile versucht man mit „Soziopathie“ abweichende und gestörte Verhaltensweisen mit Bezug zu sozialen Faktoren einer Person zu beschreiben. Soziopathie meint also eine Störung des Sozialverhaltens einer Person.
Weder Soziopathie noch Psychopathie sind offizielle psychiatrische Diagnosen. Nach internationaler Klassifikation für Krankheiten fallen beide Krankheiten unter ICD-F60.2 „Dissoziale Persönlichkeitsstörungen“.
Solche dissozialen Persönlichkeitsstörungen können laut ICD unterschiedliche Facetten annehmen:
- amoralisch
- antisozial
- asozial
- psychopathisch
- soziopathisch
Mit dem Begriff „Soziopath“ werden also umgangssprachlich und laienwissenschaftlich Menschen mit einer dissozialen Persönlichkeitsstörung beschreiben. Wesentliches Merkmal einer dissozialen Persönlichkeitsstörung ist, dass Betroffene Verhaltensweisen und Charakterzüge zeigen, die stark von gesellschaftlichen Normen abweichen. Weitere Anzeichen sind:
- Missachtung sozialer Normen und Regeln
- betrügerisches, täuschendes Verhalten
- impulsive Handlungen
- niedrige Frustrationsgrenze
- unverantwortliches Handeln
- kaum Schuldbewusstsein
- niedrige Aggressionsschwelle
- Herzlosigkeit
- Gefühle der Mitmenschen haben keinen Einfluss auf eigenes Denken und Handeln
Sind Soziopathen gefährlich?
Soziopathen können gefährlich sein. Es wird davon ausgegangen, dass zwischen 1 und 4 Prozent der Bevölkerung eine dissoziale Persönlichkeitsstörung hat, was bedeutet, dass von 100 Menschen, denen Sie im Alltag begegnen – in der Bahn, im Einkaufszentrum, beim Shoppen in der Innenstadt – bis zu vier Personen als Soziopathen oder Psychopathen gelten.
Durch Manipulation, Lügen und trickreiches Verhalten ohne Rücksicht auf anderer Menschen Gefühle, können Soziopathen viel Schaden im Leben anderer anrichten. In Beziehungen mit Soziopathen können auch körperliche Gewalt, verbale Aggression und psychische Manipulation auftreten.
Gibt es spezifische Anzeichen für Soziopathie in der Kindheit?
Obwohl eine offizielle Diagnose der antisozialen Persönlichkeitsstörung erst im Erwachsenenalter gestellt wird, können sich bereits in jungen Jahren Verhaltensweisen zeigen, die auf eine mögliche Entwicklung in diese Richtung hindeuten:
- Aggressives und antisoziales Verhalten: Kinder fallen durch häufige Prügeleien und Störungen des Unterrichts auf.
- Notorisches Lügen: Betroffene Kinder lügen häufig und ohne erkennbare Reue.
- Diebstahl und Betrug: Sie neigen dazu, zu stehlen und andere zu betrügen.
- Missachtung von Regeln: Es zeigt sich eine wiederholte Missachtung von Schulregeln und sozialen Normen.
- Schwänzen: Häufiges unentschuldigtes Fernbleiben vom Unterricht ist ein Warnsignal.
- Mangel an Empathie: Betroffene Kinder zeigen wenig bis kein Mitgefühl für andere.
- Impulsivität und geringe Frustrationstoleranz: Sie haben Schwierigkeiten, ihre Impulse zu kontrollieren und reagieren schnell frustriert.
- Mutwillige Zerstörung von Eigentum: Vandalismus und absichtliche Sachbeschädigung können auftreten.
- Probleme, langfristige Beziehungen einzugehen: Auch in jungen Jahren fällt es ihnen schwer, dauerhafte Freundschaften zu schließen und zu erhalten.
- Fehlendes Schuld- und Verantwortungsbewusstsein: Sie zeigen keine Reue für ihr Fehlverhalten.
Es ist wichtig zu beachten, dass diese Verhaltensweisen über einen längeren Zeitraum und in verschiedenen Situationen auftreten müssen, um als Anzeichen für eine mögliche Soziopathie zu gelten. Einzelne oder vorübergehende Verhaltensauffälligkeiten sind nicht unbedingt ein Indikator für diese Störung.
Wie unterscheidet sich Soziopathie von Psychopathie?
Wenn also weder Soziopathie noch Psychopathie tatsächliche Krankheitsbilder sind, beide Begriffe aber unter den dissozialen Persönlichkeitsstörungen zusammengefasst werden, was ist denn der Unterschied zwischen ihnen?
Psychopathie wird gemeinhin als schwerere Form der Persönlichkeitsstörung angenommen. Im Gegensatz zu Soziopathen wird psychopathisches Verhalten als wesentlich geplanter und kalkulierter betrachtet. Auf der Psychopathie Checkliste des kanadischen Psychiaters Robert Hare finden sich 20 Kriterien, darunter etwa:
- Charisma
- erhöhtes Selbstbild
- krankhaftes Lügen
- keine Reue
- keine Empathie
- parasitärer Lebensstil
- hohes Aggressionspotenzial
- manipulatives Verhalten