Co-Narzissmus verstehen: Wenn Aufopferung zur Sucht wird

In einer Welt, die oft von Selbstdarstellung und Egozentrismus geprägt ist, gibt es Menschen, die scheinbar das genaue Gegenteil verkörpern – die Co-Narzissten. Während Narzissten durch ihr übersteigertes Selbstwertgefühl auffallen, zeichnen sich Co-Narzissten durch eine extreme Form der Selbstaufopferung aus. Doch was auf den ersten Blick wie Altruismus und Selbstlosigkeit erscheinen mag, ist in Wirklichkeit eine tiefgreifende psychologische Dynamik, die ebenso problematisch sein kann wie der klassische Narzissmus selbst.

Co-Narzissmus durch eine extreme Form der Selbstaufopferung aus.© iStock/PeopleImages
Co-Narzissmus durch eine extreme Form der Selbstaufopferung aus.

Was ist Co-Narzissmus?

Co-Narzissmus, auch als Komplementär-Narzissmus bekannt, beschreibt ein Verhaltensmuster, bei dem Menschen ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche zugunsten anderer völlig zurückstellen. Im Gegensatz zum klassischen Narzissten, der sich selbst in den Mittelpunkt stellt, definiert sich der Co-Narzisst fast ausschließlich über die Bedürfnisse und das Wohlergehen anderer.

Das sind die charakteristischen Merkmale des Co-Narzissmus

Während der klassische Narzissmus durch ein übersteigertes Selbstwertgefühl und egozentrisches Verhalten gekennzeichnet ist, manifestiert sich der Co-Narzissmus auf eine scheinbar gegensätzliche, aber ebenso problematische Weise:

1. Extremer Harmoniewunsch

Co-Narzissten haben ein übersteigertes Bedürfnis nach Harmonie und vermeiden Konflikte um jeden Preis.

2. Übertriebene Hilfsbereitschaft

Sie helfen anderen oft ungefragt und über ihre eigenen Grenzen hinaus.

3. Mangelndes Selbstwertgefühl

Co-Narzissten zweifeln stark an sich selbst und ihren Fähigkeiten.

4. Schuldgefühle

Sie fühlen sich schnell für alles verantwortlich und schuldig, auch wenn sie objektiv keine Schuld tragen.

5. Unfähigkeit, "Nein" zu sagen

Es fällt ihnen extrem schwer, Bitten abzulehnen oder eigene Grenzen zu setzen.

6. Sucht nach Anerkennung

Co-Narzissten sind abhängig von der Bestätigung und Wertschätzung anderer.

Co-Narzissmus verstehen: Der Teufelskreis der Aufopferung

Das Verhalten von Co-Narzissten mag zunächst nobel und selbstlos erscheinen. Doch in Wirklichkeit steckt dahinter oft der verzweifelte Versuch, die eigene innere Leere zu füllen und Selbstwert zu erlangen. Die ständige Aufopferung wird zur Sucht, aus der sich die Betroffenen nur schwer befreien können. Dieser Teufelskreis hat weitreichende Folgen:

  • Erschöpfung und Burnout: Die ständige Vernachlässigung der eigenen Bedürfnisse führt zu körperlicher und emotionaler Erschöpfung.
  • Beziehungsprobleme: Paradoxerweise können die übertriebene Hilfsbereitschaft und das Harmoniebedürfnis zu Spannungen in Beziehungen führen.
  • Verlust der eigenen Identität: Co-Narzissten verlieren oft den Bezug zu ihren eigenen Wünschen und Zielen.
  • Depression und Angststörungen: Die ständige Unterdrückung der eigenen Gefühle kann zu psychischen Erkrankungen führen.

Der Weg aus dem Co-Narzissmus

Der erste Schritt besteht darin, das eigene Verhaltensmuster zu erkennen und zu akzeptieren. Therapeutische Unterstützung kann dabei helfen, die Wurzeln des Co-Narzissmus zu verstehen und neue, gesündere Verhaltensweisen zu erlernen.

Wichtige Schritte auf dem Weg zur Heilung sind:

  1. Grenzen setzen lernen: Co-Narzissten müssen üben, "Nein" zu sagen und ihre eigenen Grenzen zu respektieren.
  2. Selbstfürsorge praktizieren: Es ist wichtig, die Aufmerksamkeit wieder auf die eigenen Bedürfnisse zu lenken.
  3. Selbstwert aufbauen: Durch positive Selbstgespräche und das Erkennen der eigenen Stärken kann das Selbstwertgefühl gestärkt werden.
  4. Gesunde Beziehungen aufbauen: Co-Narzissten müssen lernen, Beziehungen auf Augenhöhe zu führen, statt sich aufzuopfern.
  5. Gefühle zulassen: Das Unterdrücken negativer Emotionen muss durch einen gesunden Umgang mit allen Gefühlen ersetzt werden.

Co-Narzissmus ist eine komplexe psychologische Dynamik, die oft übersehen oder missverstanden wird. Die Erkenntnis, dass übertriebene Selbstaufopferung keine Tugend, sondern ein Symptom tieferliegender Probleme ist, kann für viele Betroffene der erste Schritt zur Heilung sein.