
New York, 1991 - Christopher Harrison, ein Physiotherapeut, der sich jahrelang mit Yoga beschäftigte, gründet die Form des Anti-Gravity Yoga. Damit liegt die Geburtsstunde des aufkommenden Yoga-Trends schon einige Jahre zurück. In den USA ist Anti-Gravity Yoga längst total angesagt. Langsam aber stetig schwabbt die Welle jetzt auch nach Deutschland über.
Aber was ist Anti-Gravity Yoga eigentlich. Ganz einfach: Es ist eine Kombination aus Yoga, Tanz, Pilates und Akrobatik. Weil wir mit dieser Beschreibung aber erst einmal nicht so viel anfangen können, hat unsere Online-Kollegin Laura Donner es selbst ausprobiert. Und zwar im ersten Yoga Studio, das Anti-Gravity-Yoga in Deutschland, genauer in Hamburg, anbietet: im "Flying Yogi" Studio von Nils Schröder.
Anti-Gravity-Yoga im Test
Kaum habe ich das Studio von Nils Schröder in Altona betreten, fallen mir die riesigen Tücher auf, die von der Decke hängen. Kein Wunder, sind sie doch ein wichtiger Bestandteil von Anti-Gravity Yoga. Gleich zu Anfang gilt: barfuß bitte! Weil ich mich also gleich ins Tuch hänge und Arme und Beine ins Spiel kommen, ziehe ich meine Schuhe, bestenfalls auch die Socken aus. Nils Schröder sucht ein Tuch für mich aus, das speziell auf die Höhe meiner Hüfte angepasst wird, damit ich mich perfekt hineinhängen kann.

Zuerst setze ich mich einfach in das Tuch, nehme es zwischen meine Beine und öffne sie so weit es geht. Ein gewisses Gefühl von Sicherheit erfüllt mich und irgendwie komme ich mir vor, als sitze ich in einer kleinen gemütlichen Höhle.
Als nächstes soll ich mich strecken, damit ich bereit bin für die erste Übung, die gleich auf mich zukommt. Die gehört zu der Serie "Affe" und ist für Anfänger wie mich sehr gut zu meistern, muss ich mich dabei doch nur vorne über ins Tuch lehnen. Anschließend geht's mit meinen Beinen nach oben, so dass ich mich meine Füßen in das Tuch wickle. Das fühlt sich schon ein bisschen wackeliger an.
Weiter gehts damit, dass ich mit meinen Armen langsam zurück wandere und senkrecht über dem Boden hänge. Zum krönenden Abschluss der Übung verschränke ich meine Arme hinter dem Rücken. Eine kleine Überwindung, weil es immer wackeliger wird, aber es klappt. Der Profi erklärt mir, dass diese Umkehrhaltung große Vorteile hat, weil sie einfach jeder ausführen kann. Das ist beim klassischen Yoga anders. Den Kopfstand wagen meist nur geübte Yogis. Außerdem wird durch das Tuch der Druck auf Hände und Wirbelsäule genommen und das Herz-Kreislauf-System leicht gefördert.
Die nächste Übung, die Waschbrett-Serie, stärkt den gesamten Körper. Und so funktioniert sie: Ich halte mit beiden Hände das Tuch schulterweit fest vor meinen Körper und lehne mich dabei wie ein Brett nach vorne. So soll eine gerade Linie entstehen. Ziemlich schwierig, wie ich finde. Die Übung fühlt sich an wie Liegestütze im Stehen. Dafür wird der ganze Körper beansprucht und der Schwierigkeitsgrad kann individuell beeinflusst werden: Je aufrechter der Körper, desto leichter die Übung.

Eine weitere Herausforderung für mich und meine Balance ist die letzte Übung. Sie stärkt vor allem meinen Unterkörper, weil einer meiner Füße im Tuch hängt, während der andere am Boden steht. Das Standbein beuge ich etwas und den Oberkörper öffne ich weit, indem ich mit meinen Hände nach den Tuch greife, das meinen anderen Fuß hält. An einem bestimmten Punkt angekommen, kann ich entscheiden, wieweit ich mich nach vorne beuge und meinen Fuß nach hinten strecke. Vergrößere ich die Streckung, um so mehr ist meine Balance gefragt und die Übung wird schwieriger.
Nach einer dreiviertel Stunde bin ich schon ziemlich ins Schwitzen gekommen und schließe die Probestunde mit einer kleinen Entspannungsübung: Meine Hüfte ist auf das Tuch gestützt, ich halte mich am Tuch oberhalb fest und schwinge - kaputt aber entspannt - durch den Raum.
Interview mit Yoga-Experte Nils Schröder
Anti-Gravity Yoga - Was ist das eigentlich?
NILS SCHRÖDER: Es ist eine neue Form des Yogas. Durch ein Tuch, das einen Meter von der Decke hängt, fließt Abwechslung und Akrobatik in die Übungen ein. Das Tuch erfindet Übungen, die wir aus den Yoga-Kursen kennen, neu und macht sie einfacher. Der Vorteil ist, dass wir unsere Wirbelsäule noch besser strecken können. Auch durch Umkehrhaltungen, die durch das Tuch möglich sind, kann man sich besser auf seine Balance konzentrieren.
Ist diese neue Yoga-Form mit einer schon bekannten zu vergleichen?
Ähnlich ist das Aerial Yoga, das allerdings statischer und klassischer ist als Anti-Gravity Yoga. Es ist aber nicht so fließend wie das Anti-Gravity.
Was bringt Anti-Gravity-Yoga meinem Körper?
Es stärkt das Selbstvertrauen zu sich und seinem Körper. Durch das Überkopfhängen im Tuch wird der Mut geschult. Außerdem ist es ein Ganzkörper-Workout. Es ist ein ideales Training für das Herzkreislauf- System und es ist gut für die Wirbelsäule, weil sie entlastet und gedehnt wird.

Ja, total. Viele sind ganz gespannt auf das Tuch. Es kommen auch Leute, die noch nie Yoga gemacht haben. Yoga-Erfahrene sehnen sich nach einer neuen Herausforderung. Manche erzählen, dass sie durch die Übungen im Tuch wieder Muskelkater haben.
Ist es für jemand, der noch nie Yoga gemacht hat, ein guter Einstieg?
Im Prinzip kann jeder Anti-Gravity Yoga machen. Da die Übungen variieren und es verschiedene Schwierigkeitsstufen gibt ist es für jeden möglich, daran teilzunehmen. Menschen, die einen zu hohen Augeninnendruck haben, sollten allerdings darauf verzichten. Bei körperlichen Problemen wie zum Beispiel bei einem akuten Bandscheibenvorfall ist eine Kursteilnahme auch nicht ratsam.
Vergleichbar mit anderen Fitness-Trends und Workouts - wie anstrengend würden Sie Anti-Gravity-Yoga einstufen?
Das hängt vom Lehrer ab. Allgemein ist Anti-Gravity Yoga nicht einfach ins Tuch setzen und atmen. Arme und Beine werden gefordert und weil die Übungen von Kopf bis Fuß den ganzen Körper durchlaufen, ist es durchaus anstrengend und zählt als Ganzkörper-Workout.
Ist der Trend etwas für alle und damit auch für ältere Altersgruppen?
Klar, auch bei uns unterrichtet ein Lehrer, der schon etwas älter ist. Es ist dabei allerdings von Vorteil, wenn man weiß, wie man sich bewegt und ein gutes Körpergefühl besitzt.
Wie viel Raum nimmt Yoga tatsächlich ein? Inwieweit spielen Akrobatik und Tanz eine Rolle?
Teils, Teils würde ich sagen. Einige Übungen kommen aus der Akrobatik, aber das Fundament ist eindeutig Yoga. Übungen wie der Sonnengruß oder der herabschauender Hund sind ähnlich wie die auf der Matte, werden aber akrobatischer durch das Tuch.
Warum haben Sie sich bei Ihrem Studio dazu entschieden, Anti-Gravity Yoga anzubieten? Worin sehen sie die Vorteile?
Ich habe irgendwann davon gehört und mir gedacht “Oh, toll. Das will ich auch machen". Ich finde es eine gute Ergänzung zum Yoga und es bringt mir Spaß. Natürlich ist es besonders gut für's Studio, weil wir mit diesem Kurs herrausstechen.