Was sind Selbstzweifel?
Selbstzweifel wird als „das Gefühl, kein Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und Entscheidungen zu haben“ definiert. Häufig entstehen sie aus dem Vergleich zwischen dem, wie man ist und wie man gerne wäre. In anderen Worten: Je größer die Diskrepanz zwischen der Realität und dem Ideal, desto größer die Selbstzweifel.
Die meisten von uns haben irgendwann in ihrem Leben schon einmal Selbstzweifel erlebt. Dabei erfahren wir dieses Gefühl in den unterschiedlichsten Situationen — ob wir nun eine neue Stelle antreten, eine Prüfung ablegen, eine Liebe zerbricht oder generell ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Wir fragen uns, ob wir in der Lage sind, all die Herausforderungen zu meistern, die auf uns zukommen und ob wir überhaupt gut genug sind.
Interview mit Psychologin, Coachin und Buchautorin Dr. Eva Wlodarek
Liebe Frau Dr. Wlodarek — ist es tatsächlich normal, dass man Selbstzweifel empfindet?
Selbstzweifel gehören zur menschlichen Natur. Sie sind ein innerer Bodyguard, der uns vor möglichen Risiken schützt. Angenommen, Sie hätten nicht die geringsten Selbstzweifel. Sie finden alles, was Sie tun, absolut richtig. Und was andere von Ihnen halten, ist Ihnen völlig egal. Sie sind der oder die Größte. Das hätte fatale Folgen. Sie würden sich nicht mehr weiterentwickeln und Ihre sozialen Beziehungen würden darunter leiden. Es ginge Ihnen dann ähnlich wie einem Menschen, der unter Analgesie leidet und nicht in der Lage ist, körperliche Schmerz zu empfinden. Er merkt nicht, wann und wo ein Schaden entsteht und kann ihn deshalb auch nicht beheben. Ein gewisses Maß an Selbstzweifeln ist also gesund. Es hilft Ihnen, sich gut vorzubereiten, Fähigkeiten zu entwickeln – kurz, besser zu werden und weiterzukommen. Und es macht Sie auch sympathisch, denn es schützt vor Größenwahn.
Hartnäckige Ängste und Selbstzweifel können sich jedoch sehr destruktiv auf unser Leben auswirken und Probleme nach sich ziehen. Dann stoßen sie keine persönliche Entwicklung mehr an, sondern können zu größeren Unsicherheiten und bisweilen zur Selbstentwertung führen. Menschen, die unter starken Selbstzweifeln leiden, grübeln ständig darüber nach, wie sie wirken und ob sie gut genug sind. Die Art und Weise, wie wir damit umgehen, macht den entscheidenden Unterschied.
Gibt es konkrete Anzeichen, an denen wir erkennen können, dass unsere jeweiligen Selbstzweifel eben nicht mehr „normal“ sind, sondern professionelle Hilfe erforderlich wird?
Die Dosis macht das Gift. Selbstzweifel sind nicht mehr positiv, wenn sie Ihnen Ihre Energie und Handlungsfähigkeit rauben. Wenn sie Sie quälen und lähmen, anstatt Sie zur Veränderung anzuregen. Das kann durch stressige oder traumatische Situationen ausgelöst werden. Etwa wenn Ihre Tätigkeit Sie überfordert oder Sie gar Mobbing ausgesetzt sind. Oder wenn Sie von einer narzisstischen Person in Ihrer Umgebung ständig abgewertet werden. Möglicherweise ist die Ursache auch eine dauerhafte Einstellung, die durch negative Erfahrungen bereits in Ihrer Kindheit entstanden ist. Ebenso können quälende Selbstzweifel ein Anzeichen von Depression sein. In diesen Fällen sollten Sie nicht zögern, professionelle Hilfe zu suchen.
Glücklicherweise kann man ein gutes Selbstwertgefühl und ein Maß an Selbstzweifel, welches nicht entmutigt, sondern anstößt, lernen.
Haben Sie Tipps, wie wir mit Selbstzweifeln besser umgehen können?
Bei „normalen“ Selbstzweifeln hilft ein kleines Programm:
1. Entdecken Sie Ihre negative innere Stimme
Wenn wir in Selbstzweifeln feststecken, vergessen wir leicht, dass es sich nicht um eine unverrückbare Wahrheit, sondern lediglich um Gedanken handelt. Die äußern sich als innere Stimme. Schreiben Sie detailliert auf, was sie sagt. Zum Beispiel: „Das schaffst du nicht.“ „Du siehst ja furchtbar aus“, „Wer soll dich schon lieben?“, „Du bist selbst schuld, dass dir das passiert“.
2. Stellen Sie die negative Aussage infrage
Setzen Sie sich nun mit dem Satz, den Sie notiert haben, auseinander. Fragen Sie sich „Stimmt das wirklich?“ Finden Sie Gegenbeweise aus Ihrem Leben. Machen Sie eine Liste alles dessen, was Sie gut können. Geben Sie der inneren Stimme kontra: „Das wollen wir doch mal sehen!“ „Jetzt erst recht!“ Auf diese Weise stärken Sie Ihr Selbstvertrauen und werden aktiv.
3. Personifizieren Sie Ihre innere Stimme
Sie können Ihre kritische innere Stimme schneller identifizieren, wenn Sie ihr eine Gestalt geben. Wie sähe sie aus? Lassen Sie Ihrer Fantasie freien Lauf. Ist es eine Person, ein Tier, eine Comicfigur? Geben Sie ihr einen Namen. Vielleicht „Die Nörglerin“, „Der Wolf“ oder „Darth Vader“.
4. Fragen Sie vertraute Menschen in Ihrer Umgebung.
Selbstzweifeln entstehen oft durch zu hohe Ansprüche an uns selbst. Wenn Sie zu Perfektionismus neigen, glauben Sie immer, Sie seien noch nicht gut genug. Bevor Sie vor einer Herausforderung zurückscheuen, fragen Sie Menschen, die Ihnen nahestehen, ob man Ihnen das zutraut. Andere nehmen Ihre Fähigkeiten meist klarer wahr als Sie selbst. Und glauben Sie dann bitte auch, was Sie an Positivem hören und wiegeln Sie nicht ab, das hätten diejenigen nur aus Nettigkeit gesagt.
Dr. Eva Wlodarek ist Diplom-Psychologin, Coach, Referentin, Seminartrainerin und Buchautorin. Neben ihrer Praxis als Psychotherapeutin und Coach ist sie eine gefragte Referentin im Bereich Persönlichkeit und Kommunikation. Auf ihrem YouTube-Kanal Dr. Wlodarek Life Coaching gibt sie u.a. Tipps und Übungen zu den Themen Glück, Erfolg, Anerkennung, Charisma, Liebe und Partnerschaft sowie zu souveräner Kommunikation. Ihre Ratgeber zu den Themen Erfolg und Selbstvertrauen finden Sie hier.