
Er springt uns an, tut uns weh, nimmt uns in den Schwitzkasten wie ein giftgrüner Zwerg mit der Grimasse eines Kung-Fu-Kämpfers. Kein Wunder, dass Neid in unserem Leben häufig ein ungebetener Gast ist. Noch dazu, weil er bevorzugt in Situationen auftaucht, in denen wir uns eigentlich freuen sollten. Wenn die beste Freundin vom neuen, tollen Freund schwärmt. Oder wenn die Kollegin von ihrer Beförderung erzählt. Klar, das Neidgefühl schmeckt tatsächlich bitter.
Schon im Altertum wurde es mit Gift und grüner Galle in Verbindung gebracht. Dennoch sollten wir es nicht wegschieben oder die Attacke aussitzen, bis sie vorbei ist. Denn Neidgefühle können auch ihr Gutes haben, uns Kraft geben und ein erster Schritt auf dem Weg zur Veränderung sein. Eine neue Studie der Universität Tilburg zeigte gerade, dass Studenten, die mit einer Lobrede über einen erfolgreichen Kommilitonen neidisch gemacht werden, sich in der Zeit nach dem Vortrag mehr anstrengten und deutlich bessere Leistungen brachten.

Neid hat Vorteile – wenn wir ihn sportlich nehmen
Ob wir aber in unserem Leben vor allem mit weißem konstruktivem Neid oder mit schwarzem destruktivem Neid zu tun haben, entscheidet sich letztlich daran, wie wir mit den ersten Neidimpulsen umgehen. Der Frankfurter Sozialpsychologe und Psychoanalytiker Rolf Haubl hat herausgefunden, dass wir Neid auf drei grundsätzliche Arten bewältigen: mit Wut, Depression oder Ehrgeiz. Während Frauen nach Neidattacken oft traurig werden, schalten Männer eher in den zornigen Das-hat-der-Typ-doch-gar-nicht-verdient-Modus. Beide Reaktionen gehören zum schwarzen Neid, bringen uns also letztlich nicht weiter.
Die dritte Möglichkeit ist deutlich produktiver: den Neid sportlich nehmen, als Antrieb und Aufforderung. Nach dem Motto: Das, was der oder die hat, hätte ich auch gern – also pack ich es an! Dann kann uns der Neid mit neuer Energie aufladen und voranbringen. Hierzulande ist das eine ungewohnte Sichtweise.
Während Amerikaner regelrechte Meister in Sachen weißer Neid sind und dem Nachbarn zu seinem neuen großen Auto mit einem Spruch wie „Schöner Wagen, den werde ich auch irgendwann fahren“ gratulieren, beäugt man in Deutschland kritisch, was andere haben. Die Neidkultur geht so weit, dass wir uns wünschen, der Nachbar möge sein schickes Auto bald wieder verlieren. So steigen wir immer tiefer in den Neid ein, statt den kleinen Stich als Ansporn zu sehen, um mit der Person, die wir beneiden, in eine gesunde Konkurrenz zu treten. In dem Punkt können wir von den Amerikanern lernen. Wie man den schwarzen Neid dauerhaft weiß färbt? Ab jetzt bei missgünstigen Gefühlen nicht mehr darüber nachdenken, ob etwas gerecht oder ungerecht ist. Statt dessen selbstbewusst handeln, mehr an die eigene Leistung glauben und aktiv werden.
Die Neidfalle: Frauen vergleichen sich sehr stark mit anderen Frauen
Besonders in Beziehungsfragen fällt das Frauen schwer. Eine Studie der Universität Tübingen zeigt, dass Frauen sich sehr stark mit anderen Frauen vergleichen. Sehen sie zum Beispiel auf der Straße eine Geschlechtsgenossin mit einem Brad-Pitt-Verschnitt im Arm, schauen sie nicht versonnen dem attraktiven Mann nach, sondern taxieren die Frau und suchen Antworten auf die „Was hat sie, was ich nicht habe?“-Frage.
Männer reagieren umgekehrt: Kommt ihnen ein anderer Mann mit einer Vorstadt-Angelina-Jolie entgegen, bleibt ihr Blick an der Frau kleben. Sie fragen sich: Wie kann ich auch so eine Schönheit erobern? Demnach sind Männer in Sachen Beziehung konkurrenzfähiger als Frauen. Doch was, wenn das Neiden tiefer sitzt? Vermutlich erlebt jemand, der als Kind in der Familie benachteiligt wurde und immer wieder erlebt hat, wie Bruder oder Schwester bevorzugt wurden, schmerzhaftere Neidgefühle als ein von allen geliebter Familien-Sonnenschein.
Psychologieprofessor Rolf Haubl fand darüber hinaus noch einen weiteren Typ neidbereiter Menschen: „Wer in Kindheit und Jugend vor allem für Leistung und perfektes Funktionieren belohnt wurde, ist stark gefährdet.“ Wenn Frauen also auch als Erwachsene noch die Leistungsansprüche von Eltern und anderen Autoritätspersonen bedienen, wächst mit der Zeit ihr Neid auf Menschen, die ihre Träume verwirklichen und sich ein Leben aufbauen, das zu ihnen passt.
Diese starken Neidattacken sind eine Warnung, ein Ausdruck des Mangels an Selbstbestimmtheit. Dann heißt es: den Neid als Wegweiser für die eigenen Wünsche begreifen. Das fällt nicht unbedingt leicht, denn meist wissen Frauen, die sich lange nach den Vorstellungen anderer gerichtet haben, gar nicht genau, was sie wollen. Es hilft, genau zu gucken, worauf wir wirklich neidisch sind. Wer die Freundin beneidet, die sich im Job eine Auszeit nimmt, um in Indien einen Yoga-Lehrer-Kurs zu belegen, will nicht selbst Yoga unterrichten, sollte sich aber ebenfalls mehr Zeit für sich selbst gönnen. Ob es dann auch eine Fernreise sein muss – fraglich. Es kann schon reichen, sich einen Abend in der Woche familienfrei zu nehmen. Oder häufiger Dinge zu tun, die Spaß bringen.

Der Mensch ist nun mal eine Vergleichsmaschine
Andererseits: Rüberschielen zu anderen gehört zum Leben. „Der Mensch ist eine Vergleichsmaschine“, sagt der Kölner Kognitionspsychologe Thomas Mussweiler. Der Psychologieprofessor fand heraus, dass wir uns quasi ständig mit anderen messen. Vor allem, weil wir wissen wollen, wo wir im Leben stehen. Denn erst der Vergleich bringt Klarheit und Information. Wer beispielsweise in einem Intelligenztest einen Wert von 130 erreicht, zuckt bei der Ergebnisverkündung vielleicht nur die Schultern. Erfährt er dann aber, dass nur zwei Prozent der Menschen genauso schlau sind, wird er vor Stolz fast platzen. Es ist also sehr menschlich, andere einzuordnen und zu scannen. Wenn wir den Vergleich gewinnen, sind wir stolz. Verlieren wir, sind wir neidisch.
Das macht’s im Alltag kompliziert:
Besonders empfindlich treffen uns Vergleiche mit Menschen, die uns nahestehen. Das Glück von Catherine Mountbatten-Windsor ficht uns nicht an, sie darf blendend aussehen und mit ihrem Prinz William glücklich sein. Wenn aber unsere beste Freundin eine kleine Führungsposition ergattert, sind wir erst mal sauer oder frustriert. Denn bei Menschen, die uns nahestehen oder ähneln, denken wir automatisch, dass uns auch zusteht, was sie haben. Sei es ein liebevoller Mann, ein Penthouse mit Dachterrasse oder eine Top-Figur. Doch sobald wir das Muster durchschaut haben, dass unsere Allerliebsten uns oft kurzschlussartig heftig neidisch machen, können wir die galligen Gefühle schnell wieder vergessen.

Sie schaffen das nicht? Dann bringt Sie möglicherweise der Zeitgeist auf dumme Gedanken: Durch die immer größere Zahl an Wahlmöglichkeiten in unserem Leben scheint es mittlerweile so, als könnten wir jedes Ziel erreichen, immer einen noch tolleren Partner, einen noch besseren Job finden. Das baut Druck auf. Wer dem nicht standhält, fühlt sich als Versager. Die Wahrheit, dass wir nie in allen Bereichen ein makellos perfektes Leben führen werden und auch mal verzichten müssen, wirkt da schon beinahe wie eine Beleidigung. Ja, es stimmt, wir können nicht alles haben. Aber vieles.