
Einige von uns erinnern sich vielleicht noch an den Werbespot für „Hormocenta“ mit Marika Rökk: eine Anti-Age-Pflege, die mit jeder Menge Kollagen für ein straffes Gesicht sorgen sollte. Doch Ende der 1980er Jahre schreckte der „Rinderwahn” alle auf, und ein neues Motto etablierte sich in der Kosmetik: Pflanzen statt Plazenta. Nun ist Kollagen plötzlich wieder da – und zwar nicht nur in Cremes, sondern auch in Make-up. Wie ungewöhnlich, dass ein Wirkstoff, der in den 1970er Jahren hip war, aus der Mottenkiste geholt wird! Was steckt dahinter?
Tierisches Hin und Her
Fest steht: Kollagen ist mit einem Anteil von 60 Prozent der Hauptbestandteil unseres Bindegewebes. Wie eine Kissenfüllung polstert es unsere Konturen an Gesicht und Körper aus, bis es sich mit zunehmendem Alter verringert. Der Gedanke, den Straffmacher von außen zu ersetzen, lag also nah: 1954 kam mit „Hormocenta“ die erste Creme mit Plazenta-Kollagen auf den Markt. „Dass es sich dabei um Mutterkuchen vom Menschen gehandelt hat, ist aber ein Märchen“, sagt Wolfgang Böttger-Hilbert, Geschäftsführer des Herstellers Böttger. „Unser Kollagen wurde aus der Plazenta von Kühen hergestellt. Seit der Entdeckung des Rinderwahns haben wir aber alle tierischen Wirkstoffe aus unseren Produkten entfernt.“ Das Kollagen, das heutzutage in Kosmetik steckt, wird überwiegend aus dem Gewebe von Fischen gewonnen. Einige Beauty-Hersteller wie Hildegard Braukmann verwenden auch Kollagen aus der Haut von Schweinen. „Eine Infektion mit BSE ist aber auch mit Rinderkollagen extrem unwahrscheinlich, zumal Kollagen aus Makromolekülen besteht“, erklärt Dr. Peter Neumann, ärztlicher Leiter der „Mang Medical One Schönheitsklinik“ in München. „Im Klartext: Sie sind viel zu groß, um durch die Haut hindurchgelangen zu können.“
Kollagen oder nicht?
Filmreife Wirkung
Nanu! Bedeutet das etwa, dass Kollagen wirkungslos ist? Nicht unbedingt. Es funktioniert nur anders, als man denkt. Dr. Peter Neumann: „Die Haut sieht nach dem Auftragen tatsächlich sofort frischer und glatter aus, da Kollagen einen Feuchtigkeit spendenden Film auf der Haut bildet.“ Bloß den angepriesenen Langzeiteffekt aufs Bindegewebe gibt es nicht. Genau diese Wirkweise ist übrigens auch der Grund dafür, dass Kollagen immer öfter in Mascara und Lippenprodukten steckt: Ein feiner Kollagenfilm lässt Wimpern optisch fülliger wirken und polstert Lippenfältchen mit extra viel Feuchtigkeit auf. Sogar zum Verschließen chronischer Wunden lässt sich der abdeckende Effekt von Kollagen nutzen. Im Gegensatz zu Unterspritzungen mit Kollagen gibt es bei der äußerlichen Anwendung auch höchst selten Allergien. „Das gilt besonders für Kollagen aus Quallen“, bestätigt Thorsten Walter, Biologe beim Kieler Unternehmen OceanBasis, das Meereskollagen und Algenextrakt für Kosmetik und Medizinprodukte herstellt.
Mehr Tiefgang, bitte!
Vielen Beauty-Herstellern reicht ein Wirkstoff, der an der Oberfläche bleibt, aber nicht aus. Sie wollen das ganz große Kino. Um die Aufnahme des Kollagens in tiefere Hautschichten zu ermöglichen, tüfteln Kosmetikwissenschaftler deshalb Tricks aus. Alcina zerkleinert die Makromoleküle des Kollagens z. B. mit Hilfe untergemischter Enzyme, während Dr. Babor sie an Hyaluronsäure andocken lässt, die es in die Haut schleusen soll.
Hilfe zur Selbsthilfe
Andere Produkte enthalten übrigens gar kein Kollagen, sondern Wirkstoffe, die die hauteigene Kollagenbildung anregen sollen. Oft handelt es sich bei diesen Aktivatoren um einzelne Kollagenbausteine wie Peptide, Aminosäuren oder Hydroxyprolin, die den kollagenbildenden Zellen durch ihre Bruchstückhaftigkeit eine Verletzung vorgaukeln. „Solche Wirkstoffe, die die Kollagenproduktion wieder in Schwung bringen, sind in meinen Augen sogar sinnvoller als Cremes mit echtem Kollagen“, sagt Dr. Birgit Kunze, Hautärztin aus Hamburg. Hinzu kommt, dass Zutaten wie Peptide oft synthetisch oder aus Soja hergestellt werden, so dass kein Tier dafür leiden muss. Und was ist mit Phytokollagen aus Braunalgen? Dr. Kunze: „Darin stecken bestimmte Aminosäuren, die die Kollagenbildung ankurbeln. Mit echtem Kollagen hat das aber nichts zu tun.“