Autogenes Training: So gelingt der sanfte Weg in die Entspannung

Ruhe und Entspannung – mit autogenem Training können Sie durch die Kraft Ihrer Gedanken zu sich selbst finden und für eine tiefe innere Ruhe sorgen. In diesem Artikel erfahren Sie alles über die Anwendungsgebiete und wie die Übungen funktionieren.

In unserem stressigen Alltag zur Ruhe zu kommen, zu sich zu finden und zu bleiben, das wünschen sich viele Menschen. Die bewährtesten Mittel sind gesunder Schlaf, ausreichend Bewegung, eine gesunde Ernährung und wertvolle Entspannungstechniken wie autogenes Training.

Definition: Was ist Autogenes Training?

Der Begriff "Autogenes Training" bedeutet wörtlich übersetzt "aus dem Selbst entstehendes Üben". Der Psychiater Johannes Heinrich Schultz entwickelte in der 1930er Jahren diese Entspannungsmethode, die auf Autosuggestion basiert. Schultz arbeitete damals mit unterschiedlichen Hypnose-Techniken und fand heraus, dass Menschen durch das wiederholte Vorsagen von Gedankenformeln ihren Körper und ihre Psyche beeinflussen und sich dadurch entspannen konnten. Das Autogene Training wird auch konzentrative Selbstentspannung genannt.

Im Video: Autogenes Training Übungen – Weniger Stress in 3 einfachen Schritten

Ein gesunder Körper, eine entspannte Psyche und besser einschlafen – Autogenes Training macht’s möglich. Im Video finden Sie die besten Übungen für Anfänger zur Selbstentspannung.

Anwendungsgebiete des Autogenen Trainings

Autogenes Training kann bei psychischen und psychosomatischen Belastungen helfen und mit den entsprechenden Formeln für Entspannung sorgen:

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Frau ist enstpannt
Nur wer entspannt ist, kann den stressigen Alltag meistern.

Wie wirkt Autogenes Training?

Mithilfe der Entspannungstechnik und den dazugehörigen Formeln können wir auf körperlicher Ebene Pulsschlag, Durchblutung und Atmung beeinflussen und somit für innere Ruhe und Gelassenheit sorgen. Autogenes Training entspannt ganzheitlich und beruhigt Körper und Psyche: Richtig ausgeführt, beginnend mit der Grundstufe, kann es Muskelverspannungen abbauen, chronische Schmerzen lindern und den Umgang mit stressigen Situationen im Alltag erleichtern. Darüber hinaus stärkt das Autogene Training unser Selbstwertgefühl und trägt somit zu einer besseren Lebensqualität und Selbstentspannung bei.

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So hilft das Autogene Training beim Einschlafen

Das Autogene Training kann sehr hilfreich sein, wenn Sie schlecht ein- oder durchschlafen können, denn im Training erlernen Sie Formeln, sich und Ihren Körper bewusst und tief zu entspannen und Ihre Gedanken zu beruhigen; aus der Übung heraus können Sie dann leicht in den Schlaf gleiten und wachen frischer und  erholter auf.

Die 3 Stufen des Autogenen Trainings

Das Autogene Training wird in drei Stufen gegliedert: Grundstufe, Mittelstufe und Oberstufe.

Die Grundstufe besteht aus sieben Übungseinheiten, in deren Mittelpunkt Autosuggestion und Entspannung stehen. Jede Übung wird mit einem bestimmten, formelhaften Satz verbunden und dauert 3-15 Minuten. Dies verstärkt den Übungseffekt, da die eigene Stimme den größten Einfluss auf unser Unterbewusstsein ausübt. Zwar können Sie diese Worte individuell wählen, Sie sollten jedoch in der Folge nicht mehr davon abweichen.

In der Mittelstufe wird auf den Grundübungen aufgebaut, um das nun bestehende Wissen der Entspannung für spezielle Herausforderungen oder Verhaltensänderungen zu nutzen. Mögliche Ziele können hier die Nikotin-Entwöhnung oder die Unterstützung bei Einschlafschwierigkeiten sein.

Die Oberstufe beinhaltet Visualisierungen und Traumreisen ins Unterbewusstsein sowie die Wach-Traum-Technik, die vor und nach einer psychotherapeutischen Behandlung eingesetzt und von PsychotherapeutIn begleitet wird. Die Oberstufe ist eine Form der Selbsthypnose und sollte nur bei einer stabilen Persönlichkeit durchgeführt werden.

Sieben Grundübungen für Anfänger

1. Ruheübung

Die erste Übung dient der inneren Ruhe: Atmen Sie ruhig und gleichmäßig und denken Sie die Formel  "Ich bin ganz ruhig" oder sprechen Sie diese leise aus.

2. Schwereübung

Sie dient der Muskelentspannung der Arme und Beine und sorgt für eine ruhige und gleichmäßige Atmung. Dabei konzentrieren Sie sich ganz bewusst auf Ihre Gliedmaßen und deren Gewicht, das sie an den Boden abgeben. Begleitende Sätze sind beispielsweise  "Mein linker/ rechter Arm ist schwer" oder "Mein rechtes/linkes Bein ist schwer".

3. Wärmeübung

Ähnlich wie bei der Schwereübung lernen Sie bei der Wärmeübung, wie Sie durch Autosuggestion die Blutgefäße Ihrer Arme und Beine erweitern und auf diese Weise eine angenehme Wärme in Ihren Gliedmaßen auslösen können. Begleitende Sätze sind beispielsweise  "Mein linker/ rechter Arm ist warm" oder "Mein rechtes/linkes Bein ist warm".

4. Atemübung

Viele Menschen haben das bewusste und gleichmäßige Atmen verlernt. Begeben Sie sich auf die Spur Ihres Atems und fühlen Sie die Leichtigkeit, wenn sich die Verspannungen in Ihrer gesamten Brust und Bauchregion lösen. Die Formel dieser Übung könnte lauten: "Meine Atmung ist ruhig und gleichmäßig".

5. Sonnengeflechts-  oder Solarplexus-Übung

Bei dieser Übung konzentrieren Sie sich auf die empfindlichsten Nervenfasern knapp unter dem Brustbein, die die inneren Organe wie Magen, Leber, Darm und Nieren und den Stoffwechsel beeinflussen. Die Sonnengeflechts-  oder Solarplexus-Übung könnte mit den Worten wie "Das Sonnengeflecht ist strömend warm" begleitet werden. Häufig löst diese Übung eine strömende Wärme im Körper aus, die das spontane Abklingen von psychosomatischen Beschwerden bewirken.

6. Herzübung

Diese Übung stärkt das Vertrauen in das Herz und führt dazu, dass sich der Herzschlag beruhigt und die Pulsfrequenz langsamer wird. Ein begleitender Satz könnte sein: "Mein Herz schlägt ruhig und gleichmäßig".

7. Kopfübung

Die Kopfübung bildet den Abschluss des autogenen Trainings und soll dabei helfen, Probleme und Stress besser erkennen und bewältigen zu können und für Leichtigkeit und Energie sorgen. Als Formel könnten Sie  "Mein Kopf ist angenehm klar" denken oder sprechen.

Positionen im Autogenen Training

Wenn Sie das Autogene Training erlernen möchten, brauchen Sie Geduld. Üben Sie möglichst dreimal in der Woche für fünf bis zehn Minuten, die einzelnen Formeln wiederholen Sie denkend oder leise sprechend drei bis sechs Mal. Für die Durchführung der Übungen stehen Ihnen drei Positionen zur Auswahl:

  • Liegehaltung

Hier liegen Sie mit einem stützenden Kissen unter dem Kopf oder den Knien bequem auf einer Yogamatte in der Rückenposition.

  • Lehnstuhlhaltung

Setzen Sie sich für diese Haltung mit angelehntem Rücken in einen bequemen Stuhl oder Sessel und positionieren Sie Ihre Beine fest auf dem Boden.

  • Droschkenkutscher-Haltung

Bei der Droschkenkutscher-Haltung sitzen Sie mit dem Po ganz weit vorn auf der Stuhlkante und beugen den Oberkörper vor. Die Ellenbogen liegen entspannt auf den Oberschenkeln, der Kopf ist gesenkt.

Der Erfinder des Autogenen Trainings

Johannes Heinrich Schultz wurde in Göttingen geboren und lebte von 1884 bis 1970. Er war ein Psychiater, der zusätzlich zur konventionellen Behandlung auch die Methode der Hypnosetherapie bei seinen Patienten einsetzte. Hierbei versetzte er die Patienten in einen Zustand zwischen Wachsein und Schlaf, der es ihnen dennoch ermöglichte, mit ihm zu kommunizieren.

Schultz bemerkte, dass diese Vorgehensweise zu einer schnelleren Genesung führte. Die hypnotisierten Patienten beschrieben den Zustand der Entspannung als "warm" und "schwer". Ihre Entspannung konnte auch objektiv nachgewiesen werden, da sich ihr Herzschlag verlangsamte und ihre Atmung ruhiger und gleichmäßiger wurde.

Die Erkenntnisse motivierten Schultz dazu, eine eigene Methode zur Entspannung zu entwickeln, die später als "Autogenes Training nach Schultz" bekannt wurde. Er bemerkte, dass er die Patienten auch ohne den Einsatz von Hypnose in den gewünschten Zustand der Entspannung bringen konnte, indem er ihnen einfach bestimmte körperliche Empfindungen suggerierte. Später lehrte er sie, dies eigenständig zu erreichen.

 

Risiken und Nebenwirkungen

Das autogene Training sollte bei übermäßigen physiologischen Fehlregulationen nur unter psychotherapeutischer oder ärztlicher Aufsicht durchgeführt werden. Das autogene Training ist für PatientInnen mit Psychosen nicht geeignet.