- Wenn das Mikrobiom des Darms aus dem Gleichgewicht gerät
- Sind Stuhltransplantationen überhaupt erlaubt? Das ist der rechtliche Rahmen
- Hohe Sicherheitsanforderungen für FMT in Deutschland
- Risiken bei der Stuhltransplantation
- US-Amerikanische Arzneimittelbehörde hat erstes FMT-Medikament zugelassen
- Stuhlspende: Wo kann ich in Deutschland Kot spenden?
Wenn das Mikrobiom des Darms aus dem Gleichgewicht gerät
Bei einigen medizinischen Eingriffen und Behandlungen dreht sich einem schon beim bloßen Namen der Magen um. So auch bei der Stuhltransplantation. Und ja, hier passiert genau das, was Sie denken: Einem Patienten oder einer Patientin wird der aufbereitete Stuhl eines gesunden Spenders oder einer Spenderin in den Darm „verpflanzt“. So ungewöhnlich und – zugegebenermaßen – unappetitlich das klingt, die Prozedur ist für viele Menschen mit chronischen und wiederkehrenden Darmerkrankungen die letzte Chance auf Heilung.
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Doch eins nach dem anderen. Der Darm ist Sitz unseres Immunsystems. Auf fast zehn Meter Länge wehren die flächenmäßig riesigen Darmschleimhäute Krankheitserreger ab. Für unsere Gesundheit unabdingbar sind aber auch die vielen Milliarden Bakterien, die in unserem Darm leben. Sie bilden unsere körpereigene Darmflora. Sind die Mikroorganismen im Einklang, unterstützen sie bei der Abwehr von fremden Erregern, die sich im Darm ausbreiten wollen.
Mitunter gerät unsere Darmflora aber aus dem Gleichgewicht. Schädliche Bakterien können sich dann ungehindert vermehren, es kommt zu Darmerkrankungen. Auch chronische Verdauungsstörungen und Krankheiten wie Morbus Crohn hängen wahrscheinlich mit einem gestörten Darmbiom zusammen. Eine häufige Erkrankung, die auf die Besiedelung mit Bakterien der Gattung Clostridioides difficile zurückgeht, ist die Clostridiencolitis (Clostridium), bei der akute Durchfälle und starke Bauchschmerzen auftreten. Auch durch die lange oder regelmäßige Einnahme von Antibiotika wird das Mikrobiom unserer Darmflora angegriffen. Dann stellen sich in der Regel Verdauungsprobleme und Durchfall ein.
Für Betroffene von chronischen Darmerkrankungen wie der Clostridiencolitis (Clostridium) gibt es oft nur wenige Therapiemöglichkeiten. Einige dann verschrieben Antibiotika haben nur sehr niedrige Heilungsraten.
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So funktioniert die Fäkale Mikrobiota-Transplantation (FMT)
Wesentlich bessere Chancen haben Betroffene mit Stuhltransplantationen. Solche Behandlungen werden auch als fäkale Mikrobiota-Transplantationen, kurz FMT, bezeichnet. Dabei wird aus dem Stuhl eines gesunden Spenders oder einer Spenderin gewisserweise ein Konzentrat hergestellt. Zunächst wird die Stuhlprobe eines gesunden Spenders oder Spenderin mit einer Kochsalzlösung aufgeschwemmt. Die so entstandene Lösung wird wiederholt gefiltert, um feste Bestandteile zu beseitigen. So wird über viele Filtrationsschritte eine Stuhlsuspension hergestellt, die Patienten oder Patientinnen oft mittels eines Endoskops direkt in den Darm eingebracht wird.
Die in dem FMT enthaltenen Mikroorganismen des Spenders oder der Spenderin siedeln sich nun im Darm des Empfängers oder der Empfängerin an. So kann ein gesundes Mikrobiom der Darmflora aufgebaut werden. Bei wiederkehrenden Infektionen mit Clostridioides difficile ist die Stuhltransplantation mittlerweile eine der besten Therapiemethoden.
Stuhltransplantationen können auch auf anderem Wege hergestellt und verabreicht werden. Es sind auch Verfahren bekannt, bei denen das FMT über eine Nasensonde bis in den Bauch eingebracht wird. Neue Methoden setzen etwa auch auf FMT in Pulverform. Patienten und Patientinnen können die aufbereiteten Mittel dann als Kapseln oral einnehmen.
Sind Stuhltransplantationen überhaupt erlaubt? Das ist der rechtliche Rahmen
Fäkale Mikrobiota-Transplantationen (FMT) gelten in Deutschland als Arzneimittel zum therapeutischen Einsatz bei Erkrankungen des Darms. Das ist im Arzneimittelgesetz so geregelt. Für die Zulassung von Arzneimitteln ist in Deutschland das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zuständig. Weder aber in Deutschland noch in der gesamten EU sind FMT als Arzneimittel bisher zugelassen.
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Ärzte und Ärztinnen hierzulande behandeln Erkrankungen der Darmflora mit wiederkehrenden Clostridien allerdings sehr oft mit Stuhltransplantationen. Das Deutsche Ärzteblatt berichtet in einer Übersichtsstudie sogar, dass FMT das Mittel der Wahl seien, um chronische Infektionen mit Bakterien der Gattung Clostridioides difficile zu behandeln. Wie passt es zusammen, dass Stuhltransplantationen auf der einen Seite gar nicht zugelassen sind, auf der anderen Seite aber aufgrund ihrer Effektivität sogar häufig zum Einsatz kommen?
- Laut Arzneimittelgesetzt gibt es eine Möglichkeit für Ärzte und Ärztinnen, Arzneimittel in eigener Verantwortung erlaubnisfrei und zur Behandlung einer bestimmten Person herzustellen. Diese erlaubnisfreie Herstellung von Arzneimitteln darf allerdings nur in Ausnahmefällen erfolgen, wenn etwa andere Behandlungsmethoden nicht funktionierten. Auch müssen die Ärzte und Ärztinnen Meldung an Überwachungsbehörden der Länder abliefern, wenn sie Arzneimittel eigenverantwortlich herstellen.
FMT, also Stuhltransplantationen, können von Medizinern und Medizinerinnen in den eigenen Praxen selbst hergestellt und zur Behandlung eines Patienten oder einer Patientin eingesetzt werden. Grundvoraussetzung ist bei dieser Herstellung von Stuhltransplantationen eine lückenlose und strikte Dokumentation. Es gibt Regelungen dafür, wer überhaupt als Stuhlspender oder -spenderin infrage kommt.
Hohe Sicherheitsanforderungen für FMT in Deutschland
Werden klinische Studien zur Wirkung von Stuhltransplantationen durchgeführt, müssen strenge Regeln zur Spenderauswahl, und Untersuchung und Verarbeitung der Stuhlproben eingehalten werden. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte etwa erwartet bei klinischen Prüfungen von FMT-Arzneimitteln eine Vielzahl an Blut- und Stuhluntersuchungen, bevor überhaupt erst eine Probe abgegeben werden darf. So muss der Stuhl unter anderem auf folgende Viren, Bakterien, Parasiten und Pilze untersucht werden:
- Salmonellen
- Noroviren
- Rotaviren
- Campylobacter
- Listerien
- Candida auris
Untersuchungen des Spenderbluts stehen ebenfalls an. Hier wird speziell nach Hepatitis und HIV gesucht. Aber auch andere Bakterien, Viren und Blutparasiten werden abgecheckt. Auch gibt es eine Reihe weiterer Ausschlusskriterien für Stuhlspender und -spenderinnen für FMT in klinischen Verfahren. Sie dürfen keine Darm- oder Verdauungserkrankungen haben, keine Lebensmittelunverträglichkeiten, dürfen in den letzten Monaten keine Antibiotika genommen haben oder etwa auch zuletzt selbst in Krankenhäusern behandelt worden sein. Ausschlusskriterien sind auch frische Tattoos oder Piercings, die in den letzten 6 Monaten vorgenommen wurden.
Risiken bei der Stuhltransplantation
Warum aber gibt es noch keine Zulassungen und wieso sind die europäischen Behörden so vorsichtig mit Stuhltransplantationen und Arzneimitteln wie FMT? Ganz einfach: Bei der Übertragung von Mikroorganismen von einem Menschen auf einen anderen, können auch schädliche Bakterien, Viren und Co. weitergegeben werden. Wird ein Krankheitserreger im Stuhl eines Spenders oder einer Spenderin bei den Untersuchungen übersehen, steckt sich der Empfänger oder die Empfängerin an. Ähnlich wie bei Blutspenden und Organspenden dürfen keinerlei ungewünschter und schädlicher Bakterien bei einer Stuhlspende übertragen werden.
Bei den europäischen Behörden heißt es also immer noch: Vorsicht ist besser als Nachsicht. Daher auch die strikten Auflagen für klinische Prüfungen von FMT und die Anzeigepflicht von Stuhltransplantationen, die unter Eigenverantwortung eines behandelnden Arztes oder Ärztin in der Praxis vorgenommen werden.
Eine Warnung der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) von 2019 ließ auch deutsche Behörden aufhorchen. Die FDA warnte vor der Übertragung von multiresistenten Keimen bei Stuhltransplantationen. In einer klinischen Anwendung kam es in den USA zur Infektion zweier Menschen mit multiresistenten Bakterien, bei der eine Person in Folge der Infektion verstarb.
US-Amerikanische Arzneimittelbehörde hat erstes FMT-Medikament zugelassen
In den USA sind die Behörden nicht weniger vorsichtig im Umgang mit Stuhltransplantationen. Dort wurde aber immerhin schon ein FMT als Arzneimittel offiziell von der Food and Drug Adminsitration zugelassen. Im November 2022 erhielt das Mittel „Rebyota“ eine Zulassung als Arzneimittel zur Behandlung von wiederkehrenden Infektionen mit Clostridioides difficile. Es ist das erste fäkale Mikrobiota-Fertigpräparat mit medizinischer Zulassung. Es darf nur verschrieben werden, wenn eine Behandlung mit Antibiotika bei Betroffenen zuvor nicht anschlug.
Stuhlspende: Wo kann ich in Deutschland Kot spenden?
Bisher gibt es keine Stuhldatenbank in Deutschland. In anderen Ländern wurden mitunter schon solche Spendenregister aufgestellt. Ähnlich wie bei Blutbanken werden dort Stuhlproben aufbewahrt und für den Einsatz bei Patienten und Patientinnen vorrätig gehalten.
- In Deutschland kann man bisher nur direkt bei Forschungseinrichtungen oder Kliniken Kot spenden. Aufrufe zur Stuhlspende werden meist über die Websites von Universitäten, Kliniken oder Forschungszentren selbst vorgenommen.
Größtenteils ist eine Voraussetzung für Stuhlspender und Stuhlspenderinnen die örtliche Nähe zum Spendensammler. Wer etwa an einer Universität seinen Kot spenden will, muss seinen Wohnort in der Nähe haben. Stuhlspenden werden nämlich persönlich abgegeben und müssen frisch sein.