
Keuchhusten, Röteln, Masern, Mumps: Das kriegen doch nur Kinder, denken viele Erwachsene – und wiegen sich in falscher Sicherheit. Denn fast 80 Prozent aller deutschen Keuchhustenpatienten haben das Alter von 18 Jahren längst erreicht, ein Drittel ist sogar älter als 45, warnt der Bundesverband der Pneumologen in Heidenheim. Die Kranken sind schwer angeschlagen. Wirklich bedrohlich wird’s bei Masern: Von 1000 erwachsenen Patienten entwickeln ein bis zwei eine lebensgefährliche Gehirnentzündung. Und weil das Immunsystem durch das Virus akut schwächelt, tritt bei jedem fünften bis zehnten erwachsenen Maserninfizierten obendrein eine schwere Mittelohr- oder Lungenentzündung auf. Experten wie Prof. Dr. Reinhard Berner, leitender Oberarzt der Abteilung Kinder- und Jugendmedizin an der Freiburger Universitätsklinik, schlagen deshalb Alarm: „Nicht geimpfte Erwachsene sind genauso anfällig für Kinderkrankheiten wie Kinder, aber der Krankheitsverlauf kann mit zunehmendem Alter um ein Vielfaches schwerer und komplikationsträchtiger werden.“ Bei jungen Frauen z. B. kann Mumps zu Eierstockentzündungen führen. Und Röteln bergen bei ungeimpften Schwangeren das Risiko, Babys mit Fehlbildungen zur Welt zu bringen. Trotzdem sinkt die Impfrate kontinuierlich – und längst besiegt geglaubte Krankheiten wie die Kinderlähmung oder Diphtherie erleben ein trauriges Comeback. Hauptgrund für die Impfmüdigkeit: Viele Erwachsene haben schlichtweg Angst vor einer Impfung: Viele glauben, dass sie die Krankheit, vor der die Impfung schützen soll, danach erst recht bekommen. Und sie befürchten Komplikationen und schlimme Folgekrankheiten. Zu Unrecht, wie zahlreiche seriöse, internationale Studien belegen. Die bescheinigen Impfungen viel Nutzen und nur geringe Nebenwirkungen.


Welche Impfungen brauche ich als Erwachsener?
Die 17 ehrenamtlichen Experten der Ständigen Impfkommission, kurz STIKO, am Robert- Koch-Institut in Berlin raten Erwachsenen, sich mindestens dreimal in ihrem Leben impfen zu lassen: und zwar gegen Diphtherie, Tetanus (Wundstarrkrampf) und Poliomyelitis (Kinderlähmung). Sie empfehlen außerdem eine Impfung gegen Keuchhusten. Der Schutz gegen Diphtherie und Tetanus muss alle zehn Jahre aufgefrischt werden, gegen Polio und Keuchhusten sollte mindestens eine Auffrischungsimpfung drin sein. Weil sich immer mehr Erwachsene mit Kinderkrankheiten anstecken, sollten Sie sich vorsichtshalber einmal auch gegen Masern, Mumps und Röteln impfen lassen. Im Rahmen der Grundimmunisierung raten die Experten mindestens dreimal im Leben zu einer Impfung gegen die gefährliche Leberentzündung Hepatitis B. Personen über 60 Jahren empfehlen sie, sich zusätzlich gegen Influenza (Grippe; jedes Jahr im Herbst) und Pneumokokken (Lungenentzündung; Immunschwache alle fünf Jahre) immunisieren zu lassen. Denn immer mehr jüngere Menschen infizieren sich mit Pneumokokken-Bakterien.

Ab welchem Alter sollte ich mich impfen lassen?
Bislang raten Infektiologen zu einer Impfung ab dem 60. Lebensjahr, weil das Immunsystem älterer Menschen weniger schlagkräftig ist. Aber es mehren sich Stimmen, die bei bestimmten Vorerkrankungen einen früheren Zeitpunkt empfehlen. Das betrifft z. B. die fünf Millionen Deutsche über 40 Jahren, die unter der Chronisch Obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) leiden. „Weil Infektionen die Erkrankung schubartig verschlechtern, sollten sich diese Patienten vorsorglich gegen Pneumokokken und Grippe impfen lassen“, rät Prof. Tobias Welte, Direktor der Abteilung Pneumologie an der Medizinischen Hochschule Hannover. Ebenso wie Frauen und Männer, die bereits eine Lungenentzündung durchgemacht haben. Denn ihre Vorerkrankung schützt nur vor einem einzigen Errreger, die Impfung aber vor 23 verschiedenen. Schließlich verursachen Pneumokokken so schwere Infektionen wie Hirnhautentzündung und Blutvergiftung – ein Grund mehr, sich piksen zu lassen.

Wie wichtig ist eine jährliche Grippeimpfung?
Grippeviren verändern sich rasant und tauchen in immer neuen, lebensgefährlichen Varianten auf. Deshalb müssen vor allem gefährdete Personen ihren Immunschutz jedes Jahr mit einem neu zusammen gesetzten Impfstoff auffrischen. Zu ihnen zählen in erster Linie ältere Menschen und chronisch Kranke wie Diabetiker und Asthmatiker sowie Herz- und Nierenkranke. Ein erhöhtes Risiko besteht auch für Schwangere und alle, die viel Kontakt zu Menschen haben, z. B. eine Busfahrerin oder Verkäuferin. Die Grippeimpfung ist für gesetzlich Versicherte kosten- und zuzahlungsfrei und baut in ca. zehn Tagen einen Schutz auf.

Warum müssen einige Impfungen aufgefrischt werden, andere nicht?
Eine überstandene Krankheit hinterlässt Spuren im Immungedächtnis. Das Abwehrsystem bildet Antikörper, um den Angreifer bei der nächsten Attacke möglichst schnell zu er wischen. Eine Impfung mit Lebendimpfstoffen, z. B. gegen Masern, Mumps oder Röteln, wirkt ähnlich wie eine Krankheit – allerdings stark abgeschwächt und ungefährlich. Sie muss deshalb nicht wiederholt werden. Im Gegensatz dazu haben Impfungen mit abgetöteten Erregern, z. B. gegen Grippe, Tetanus, Pneumokokken oder Tollwut, nicht eine so nachhaltige Wirkung auf das Immunsystem und sollten entsprechend den Impfempfehlungen der STIKO aufgefrischt werden.

Kann ich durch eine Impfung krank werden?
Bestimmte Impfstoffe können zwar krankheitsähnliche Symptome hervorrufen – eine voll ausgeprägte Erkrankung entwickelt sich bei den modernen Impfstoffen aber praktisch nie. Trotzdem treten nach einer Impfung mitunter Fieber, Übelkeit oder Schläfrigkeit sowie Schwellungen und Rötungen an der Injektionsstelle auf. Dabei handelt es sich jedoch um allgemeine, meist schnell abklingende Reaktionen des Organismus. Mit der Infektionskrankheit, gegen die geimpft wurde, haben sie nichts zu tun.

Wie belastend sind Kombinationsimpfungen für den Körper?
Kombinationsimpfungen sind nicht belastender als einzelne Impfungen. Die heutigen hochgereinigten Kombi-Seren enthalten nur einen Bruchteil der Fremdsubstanzen, die früher in Impfstoffen steckten. Der alte Keuchhusten-Impfstoff z. B. enthielt rund 3000 solcher Fremdstoffe (z. B. Formaldehyd und Phenol), alle heutigen Schutzimpfungen zusammen nur noch 150. Der Hamburger Facharzt für Kinderheilkunde Prof. Gerd-Michael Lackmann: „Moderne Mehrfachimpfstoffe sind gut verträglich, und Impfkomplikationen werden, wie wir auch anhand eigener Untersuchungen belegen konnten, kaum noch beobachtet.“

Kann ich mich impfen lassen, wenn ich erkältet bin?
Ja, sogar mit erhöhter Temperatur bis 38,5 Grad besteht kein Grund, die Impfung zu verschieben. Auch während einer Behandlung mit Antibiotika darf geimpft werden. Aber: Bei einer akuten Infektion mit höherem Fieber sollte man aber mindestens zwei Wochen warten.
Infos & Buchtipp
Infos zu Impfstoffen: Paul-Ehrlich-Institut, Paul-Ehrlich-Straße 51–59, 63225 Langen, Tel. 0 61 03/7 70, Internet: www.pei.de
Aktueller Impfkalender: Robert-Koch-Institut, Internet: www.rki.de
Buchtipp: „Impfen: Wissen, was stimmt“, von Friedrich Hofmann, Herder, 128 Seiten, 8,95 Euro

Bekomme ich ohne Impfpass eine Impfung?
Sollten Sie Ihren Impfpass verloren haben, bekommen Sie in der Regel problemlos einen Neuen bei Ihrem Hausarzt. Dieser kann dann auch die bereits erhaltenen Impfungen nachtragen. Wichtig ist hierbei, dass Ihr Hausarzt auch derjenige ist, der die vorherigen Impfungen durchgeführt und dokumentiert hat. Sollten Sie Ihren Impfpass einmal vergessen haben, können Sie sich von Ihrem Arzt einfach eine Bescheinigung ausstellen lassen. Mit dieser könnte auch das Gesundheitsamt vergangene Impfungen nachtragen.

Welche Reiseimpfungen brauche ich?
Grundimpfungen wie Tetanus und Diphtherie sollten nicht länger als zehn Jahre zurückliegen. Wer nach Afrika oder Indien fliegen will, muss unbedingt seine Polio-Impfung auffrischen. Viele asiatische Länder verlangen eine Impfung gegen Gelbfieber, die auch auf Kreuzfahrten in exotischen Gewässern empfohlen wird. Die Leberentzündung Hepatitis A ist in südlichen Ländern verbreitet, die Impfung kostet ca. 63,20 Euro. Für Länder mit problematischen hygienischen Verhältnissen wird zu einer Impfung gegen Typhus geraten. Einen genauen Überblick über die wichtigsten Vorsorgemaßnahmen bietet das Reisemedizinische Zentrum am Tropeninstitut Hamburg (www.gesundes-reisen.de) oder das Centrum für Reisemedizin in Düsseldorf (www.crm.de).

Welche Impfungen zahlt die Krankenkasse?
Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten für alle Schutzimpfungen, die von der STIKO empfohlen werden. Bestimmte Impfungen wie z. B. die gegen Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), die durch Zecken übertragen wird, bezahlen sie nur in Bundesländern wie Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Thüringen oder Rheinland-Pfalz. Die Kosten für Reiseimpfungen werden in der Regel nicht übernommen. In Ausnahmefällen kann ein ärztliches Attest helfen. Private Kassen zahlen mehr, sprechen Sie dies in jedem Fall vorher ab.