Rund alle 12 Minuten erkrankt hierzulande ein Mensch an Blutkrebs. Laut der Deutschen Krebsgesellschaft sind das jährlich rund 13.700 Menschen. Im Durchschnitt erkranken Menschen zwischen 60 und 70 Jahren am häufigsten an Leukämie. Männer sind meist etwas häufiger betroffen als Frauen.
Als Blutkrebs bezeichnen Mediziner verschiedene bösartige Erkrankungen des blutbildenden Systems. Hierbei entarten Blutzellen und vermehren sich unkontrolliert. Diese Krebszellen verdrängen die gesunden roten Blutkörperchen (Erythrozyten), weißen Blutkörperchen (Leukozyten) und Blutplättchen (Thrombozyten). Blutkrebs äußert sich in verschiedenen Formen wie Leukämie, Multiples Myelom und Lymphom.
Video: Wie entsteht Krebs?
Warum Blutkrebs so gefährlich ist
Funktionen wie der Transport von Sauerstoff, die Abwehr von Krankheitserregern oder die Blutgerinnung werden lebensbedrohlich eingeschränkt. Erste Anzeichen von Blutkrebs sind in der Regel
- Müdigkeit
- Schwäche
- Abgeschlagenheit
- Fieber
- schneller Gewichtsverlust
- spontane Blutungen oder geschwollene Lymphknoten
- in seltenen Fällen auch Knochenbrüche
Neben einer Chemotherapie und/oder Bestrahlung sind viele Blutkrebs-Patienten auf eine Stammzellentransplantation angewiesen. Hierfür muss ein Stammzellenspender gefunden werden, deren immunologischen Merkmale mit denen des Patienten oder der Patientin übereinstimmen
>> Stammzellenspender werden? Dann können Sie sich hier bei der DKMS registrieren
Interview mit Krebs-Überlebende Claudia Poguntke : „Ich darf jetzt nicht sterben – ich muss leben!“

Anlässlich des diesjährigen Weltblutkrebstags am 28. Mai haben wir mit Krebsüberlebende und Empowerment-Botschafterin der MIKA-App Claudia Poguntke gesprochen. Sie erkrankte selbst vor über 13 Jahren an Leukämie und konnte den Krebs erfolgreich besiegen. Von ihren Erfahrungen, wie sie mit der Schock-Diagnose umgegangen ist und wie ihre Behandlung ablief, erzählte sie uns im Interview.
vital.de: Liebe Frau Poguntke, wie hat sich bei Ihnen der Krebs damals bemerkbar gemacht?
Claudia Poguntke: Tatsächlich hat mich meine Zahnärztin darauf aufmerksam gemacht, mein Blut untersuchen zu lassen: Nach einer Weisheitszahn-OP hatte die Wunde lange nachgeblutet und ist nur sehr schlecht verheilt. Ich fühlte mich zudem dauerhaft erschöpft und litt unter schweren Krankheitssymptomen wie Fieber und Knochenschmerzen. War ich vor wenigen Tagen noch fit und reiste durch die Welt, konnte ich jetzt Treppen nur noch unter Schweißausbrüchen steigen und bekam kaum Luft. Am Ende hatte ich rasende Schmerzen bei jedem Atemzug.
Als ich nachts nicht mehr schlafen konnte, musste der Notarzt geholt werden. Ich wurde in das nächstgelegene Krankenhaus gebraucht, wo die Ärzte eine Lungen- und Zwerchfellentzündung diagnostizierten. Innerhalb eines Tages wurde mir dann mehrmals Blut abgenommen. Aus dem Verdacht wurde innerhalb weniger Stunden bittere Realität: Ich hatte Leukämie.
Das war sicherlich ein großer Schock für Sie. Wie sind Sie damals mit der Diagnose umgegangen?
Ich war im ersten Augenblick sprichwörtlich „wie vom Blitz getroffen“ und verharrte erst in absoluter Angststarre, bevor ich verzweifelt in Tränen ausbrach. Es fühlte sich surreal an, so als ob ich in einem Alptraum gefangen war. Eben noch am Höhepunkt meiner Karriere, bereit in wenigen Tagen mit meiner besten Freundin eine Fernreise antreten. Nach dem Schock kreisten meine Gedanken um meine älteste Schwester, die bereits im Alter von 23 Jahren verstarb. Ich beschwor mich selbst: „Ich darf jetzt nicht sterben. Nein, das kann ich meiner Mutter und meinen Geschwistern nicht antun. Ich muss leben!“
Hier finden Betroffene Hilfe
Auf der Website der DKMS erhalten Betroffene und Angehörige weitere Informationen rund um Blutkrebs und zur Stammzellenspende.
Auch zuverlässige Unterstützung und geprüfte Informationen finden Sie in der Mika-App. Dort finden Sie auch ein psychoonkologisch-orientiertes Coaching, das hilft, die eigene Psyche zu stärken. In diesem Jahr startet auch die Mutmach-Kampagne „Eines Tages ...“
Wie sah Ihre Behandlung aus?
Ich wurde aufgrund der akuten Lungenentzündung und meiner allgemein schlechten körperlichen Verfassung sofort stationär aufgenommen. Nachdem meine Lungenentzündung erfolgreich behandelt und mein Zustand stabilisiert worden war, begann die stationäre Chemotherapie in insgesamt neun Zyklen auf einer Isolierstation, um das geschwächte Immunsystem bestmöglich zu schützen. Leider hatte ich elf Monate nach Abschluss meiner Behandlung ein Rückfall. Hochdosis-Chemos und Strahlentherapie bereiteten mich auf eine Stammzellentransplantation vor. Es gelang, eine allogene, d.h., nicht-verwandte Spenderin zu finden – meinen „genetischen Zwilling“.
Die Freude dauerte jedoch nicht lange an. Eine Herpes-Zoster-Vireninfektion, die im Zuge der allmählichen Rekonstitution des Immunsystems nach einer Stammzellentransplantation nicht unüblich ist, führte zu schweren, ja erneut lebensbedrohlichen Komplikationen, sodass sich meine Genesung über viele Monate hinweg zog.
Was würden Sie anderen Betroffenen gerne auf den Weg mitgeben?
Nimm Hilfe von anderen Menschen an – auch wenn es anfangs ungewohnt ist, weil du vielleicht die/derjenige bist, der normalerweise anderen hilft. Habe keine Angst, anderen zur Last zu fallen. Stell dir vor, alle, die an dich denken, dir Gutes wünschen und denen du etwas bedeutest, stehen jetzt hinter dir. Lass dich ein auf dieses Gefühl, dass du auch schwach sein darfst, weil du weißt, dass du in deinen schwersten Zeiten von all diesen guten Wünschen getragen wirst. Vertrau dir selbst – auch wenn es unfassbar schwer ist im Angesicht einer lebensbedrohlichen Erkrankung, schlechten Prognosen und Rückschlägen. Wir können alle so viel mehr, als wir denken.
Es geht um das eigene Leben – da lohnt es sich, aktiv zu bleiben, sich selbst Gutes zu tun, z.B. durch ein regelmäßiges Bewegungsprogramm oder generell an der eigenen Resilienz zu arbeiten. Nach dem Motto: „Hinfallen ist ok, liegenbleiben nicht“. Sei mutig und neugierig: Eine Krise kann auch zu ganz neuen Perspektiven führen. Ich mochte immer das Bild von mir, dass ich mich auf eine abenteuerliche Selbst-Erforschungsreise begeben habe und sehr viel über mich und das Leben lernen durfte.