Toxische Beziehung? Bei diesen Warnzeichen sollten Ihre Alarmglocken läuten – laut Experten

Jede Partnerschaft hat ihre Höhen und Tiefen. Doch ab wann wird es toxisch zwischen zwei Menschen? Wir haben die Beziehungsexperten der digitalen Paarberatung myndpaar um Rat gefragt: Im Interview verraten die Profis, wann eine Beziehung als toxisch gilt – und welche Warnzeichen Sie auf keinen Fall ignorieren sollten.

 

Man hört es immer wieder: "Diese Beziehung ist doch toxisch!" Soll heißen: Eine Partnerschaft wird als ungesund für die betroffenen Personen eingestuft. Prominente Beispiele für toxische Beziehungen gibt es zahlreich: So lieferte sich jüngst das Schauspieler-Paar Johnny Depp und Amber Heard eine öffentliche Schlammschlacht vor Gericht. 

Nun fragen Sie sich vielleicht: Stecke auch ich in einer toxischen Beziehung? Welche Warnzeichen, auch als sogenannte "Red Flags" (zu Deutsch: Rotes Tuch) bezeichnet, sprechen dafür? Wir haben uns professionellen Rat eingeholt und mit Dipl. Psych. Ulrich Wilken von myndpaar gesprochen. Zusammen mit seiner Tochter Leonie Wilken entwickelte der psychologische Psychotherapeut die digitale Paarberatung namens myndpaar – eine Beziehungsapp für Singles und Paare. 

Im Video: Die Gefahr von toxischen Beziehungen

In unserem Interview beantwortet Ulrich Wilken 7 Fragen rund ums Thema toxische Beziehungen und ihre Warnzeichen. 

Experteninterview: Toxische Beziehung? Bei diesen Warnzeichen sollten die Alarmglocken läuten

1. vital.de: Wann ist eine Beziehung „toxisch“?

Dipl. Psych. Ulrich Wilken (myndpaar): Eine Beziehung bezeichnet man als toxisch, wenn zwischen einer oder mehreren Personen ein Machtgefälle besteht. Ein Machtgefälle kann zum Beispiel durch ein finanzielles Ungleichgewicht entstehen. Wird dieses Machtgefälle zulasten einer Person ausgenutzt, spricht man von einer toxischen Beziehung. Allerdings gibt es Macht nicht ohne Ohnmacht auf der anderen Seite. Damit ein Mensch über einen anderen Menschen Macht ausüben kann, braucht es auf der anderen Seite einen Menschen, der die Situation als ohnmächtig erlebt. Somit sind toxische Beziehungen nicht dysfunktional, sie funktionieren ja. Sie sind nur oft sehr leidvoll.

2. Woran merke ich, dass mir eine Beziehung nicht guttut?

Dass mir eine Beziehung nicht guttut, merke ich daran, dass ich mich nicht um meiner selbst willen geliebt fühle. Wenn ich immer wieder das Gefühl empfinde, dass ich nicht reiche, nicht genüge usw. dann kann mir eine Beziehung nicht guttun. Ich sollte aber einmal versuchen herauszufinden, ob diese Gefühle nicht vielleicht schon vor meiner aktuellen Beziehung da waren. Wenn das der Fall ist, und das ist häufig so, dann sollte ich lernen zu verstehen, was ich unbewusst dazu beitrage, dass ich Zufriedenheit und Glück nicht erleben kann. Dabei macht es oft Sinn, einen Blick in die Kindheit zu werfen. Habe ich gelernt, Vertrauen in die Beständigkeit von Liebe und Vertrauen in die bedingungslose Liebe zu entwickeln? Das sind die beiden wichtigsten Voraussetzungen für spätere Partnerschaften. Sowohl im positiven wie auch im negativen Sinne.

3. Was sind klassische Warnzeichen, die auf eine ungesunde Beziehung beziehungsweise einen toxischen Partner hindeuten?

Aus dieser Perspektive gibt es also keine toxischen Menschen, sondern nur toxische Beziehungen. Die Warnzeichen sind im mangelnden Respekt und Achtung verankert. Wenn keine Wertschätzung mehr stattfindet, keine Anerkennung und kein liebevoller Austausch, dann sind das Anzeichen für eine toxische Beziehung. Dabei sollte man nie vergessen: “It takes two to tango“. Nur die Schuld immer dem/der Partner/in zu geben ist eine prima Voraussetzung, dass sich nichts verändert.

4. Was sollte man tun, wenn eins oder mehrere dieser Warnzeichen auf die eigene Beziehung/den eigenen Partner zutreffen?

Wenn ich merke, dass ich immer wieder in anklagende und respektlose Situationen rutsche, dann sollte ich mich fragen, was ich vielleicht unbewusst dazu beitrage, dass ich diese Situationen immer wieder erlebe. Nicht selten trifft der Spruch zu: Lieber das bekannte Unglück als das unbekannte Glück. Das klingt zwar bitter, schafft aber auch Identität.

5. Welche Warnsignale sollte man in einer Beziehung auf keinen Fall ignorieren?

Wenn sich die Welt hauptsächlich um den/die Partner/in dreht und alles andere nicht sein darf, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Verhalten verändert, verschwindend gering. Es ist die Voraussetzung für folgenden Leitsatz: Ich reiche nicht, ich bin nicht richtig. Dieser Leitsatz bewahrheitet sich häufig im Sinne selbsterfüllender Prophezeiungen. Ich trage also, ohne dass ich es will, unbewusst dazu bei, dass das Glück und die Liebe nicht aufblühen können.

6. Wann lohnt es sich, weiter an einer Beziehung zu arbeiten?

Liebe, Respekt und Vertrauen sind die tragenden Säulen einer erfüllten Partnerschaft. Es lohnt sich an einer Beziehung zu arbeiten, wenn das Fundament aus Liebe und Respekt für das Anderssein des/der Partner*in und das Eigensein besteht. Wenn man bemerkt, dass bestimmte negative Gefühle ihren Ursprung in der eigenen Geschichte haben und sich in der aktuellen Beziehung, wie auf einer Bühne, immer wieder aktualisieren, dann kann der/die Partner*in nicht alleine schuld daran sein. Und somit kann auch ich nicht alleine Schuld sein am Schmerz und der Kränkung meines*r Partners/in. In so einem Fall kann ich mich Stück für Stück von meinen alten Sehnsüchten und Verletzungen verabschieden und das Hier und Jetzt mehr leben. Je friedlicher ich zurückschaue, desto freier schaue ich nach vorn.

7. Wann ist es am besten, ein (toxische) Beziehung zu beenden?

Wenn ich mich geachtet und wertgeschätzt fühlen möchte und ich eine Partnerschaft auf Augenhöhe und Achtung leben möchte, in der meine Persönlichkeit und mein Ich wachsen kann, dann sollte ich eine Beziehung beenden, wo all das nicht möglich ist.

Instagram-Video: Anzeichen für eine toxische Beziehung

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