Hormone im Trinkwasser: Sind sie ein Grund zur Sorge?

Unser Trinkwasser gilt als eines der am strengsten kontrollierten Lebensmittel, doch in den letzten Jahren haben Berichte über Hormone im Leitungswasser für Verunsicherung gesorgt. Wir gehen der Frage nach, ob und inwieweit hormonell wirksame Substanzen in unserem Trinkwasser tatsächlich ein Gesundheitsrisiko darstellen können.
Frau trinkt Leitungswasser© iStock/Kiwis
Der Gedanke an Hormone im Trinkwasser ist beunruhigend.

Hormone finden hauptsächlich über zwei Wege in unser Trinkwasser: über Medikamentenrückstände und Industrieabfälle. Hormonhaltige Medikamente wie Verhütungsmittel und Hormonersatztherapien werden vom menschlichen Körper ausgeschieden und gelangen so ins Abwasser, ebenso, wie Industriechemikalien, die eine hormonähnliche Wirkungen haben können und durch Abwässer in den Wasserkreislauf gelangen.

Die gemessenen Konzentrationen von Hormonen im Trinkwasser sind in der Regel sehr gering. Wasserproben zeigen Belastungen von bis zu einigen hundert Nanogramm pro Liter. Trotzdem ist der Gedanke daran, dass wir die Hormone über unser Trinkwasser aufnehmen können, beunruhigend. Aber gibt es wirklich einen Grund zur Sorge?

Hormone im Trinkwasser: Wie gefährlich sind sie?

Besonders problematisch ist das künstliche Östrogen 17α-Ethinylestradiol (EE2), das in vielen hormonellen Verhütungsmitteln zum Einsatz kommt. Mit einer Halbwertszeit von 14 Tagen ist es sehr stabil, sodass es den Wasseraufbereitungsprozess überstehen und in unseren Körper gelangen kann. Aber auch hormonwirksame Chemikalien wie Bisphenol A sind bedenklich. 

Obwohl die Konzentrationen im Trinkwasser vergleichsweise gering sind, deuten Studien darauf hin, dass selbst kleine Mengen hormonell wirksamer Substanzen negative Auswirkungen auf unseren Körper haben können. Hormone im Wasser können den menschlichen Hormonhaushalt beeinflussen und stehen im Verdacht, Fruchtbarkeitsprobleme hervorzurufen. Außerdem besteht der Verdacht, dass Hormone und Chemikalien wie Bisphenol A und EE2 für ein verfrühtes Einsetzen der Pubertät verantwortlich sein können. Langfristige Exposition könnte sogar das Risiko für bestimmte chronische Erkrankungen erhöhen und negative Auswirkungen auf die Herzgesundheit sowie Leberfunktion haben. 

Darüber hinaus können die hormonellen Substanzen unserer Umwelt schaden. EE2-Konzentrationen von 50 bis 500 Nanogramm pro Liter können bei Fröschen und Kröten zu einer Geschlechtsumwandlung führen und selbst geringe Konzentrationen können bei männlichen Fischen das Wachstum von Eierstöcken zur Folge haben. Hinzu kommt, dass Hormonrückstände im Wasser die Entwicklung von Fischembryonen beeinträchtigen können.

Gibt es wissenschaftliche Studien zu den Gesundheitsrisiken von Hormonen im Trinkwasser?

Aktuell gibt es eine zweijährige Langzeitstudie des Bundesgesundheitsministeriums, in der Wasserproben aus 50 Haushalten auf hormonelle Wirkungen untersucht werden. Die Studie läuft bis Ende 2024 und soll weitere Erkenntnisse über das Vorkommen und mögliche Auswirkungen von Hormonen im Trinkwasser liefern.

Wie bereits erwähnt, deuten bisherige Studien darauf hin, dass selbst geringe Mengen von Hormonen im Wasser ernsthafte Gesundheitsprobleme hervorrufen können, einschließlich Fruchtbarkeitsstörungen, Lernschwierigkeiten und einem erhöhten Diabetesrisiko. Forschungen haben auch gezeigt, dass bereits niedrige Konzentrationen hormonell aktiver Stoffe – im Nano- bis Picogramm-Bereich pro Liter – Auswirkungen auf das menschliche Hormonsystem haben können.

In der Trinkwasserverordnung wird seit Januar 2024 für BPA ein Grenzwert von 2,5 Mikrogramm pro Liter Trinkwasser festgelegt. Die aktuelle EU-Trinkwasserrichtlinie hat zwei hormonaktive Substanzen (Beta-Östradiol und Nonylphenol) auf eine EU-weit geltende Beobachtungsliste gesetzt, was die wachsende Aufmerksamkeit für dieses Thema verdeutlicht.

Fazit: Vorsicht ist geboten

Während die gemessenen Konzentrationen von Hormonen im Trinkwasser derzeit als gering eingestuft werden, zeigen die ökologischen Auswirkungen und erste Studienergebnisse, dass Vorsicht geboten ist. Weitere Forschung ist notwendig, um die langfristigen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit besser zu verstehen. Bis dahin ist es wichtig, dass sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlicher Ebene Maßnahmen ergriffen werden, um die Belastung unseres Wassers mit hormonell wirksamen Substanzen zu reduzieren.