Hypnose-Therapie

Sie war immer umstritten, fasziniert uns aber seit Jahrzehnten. Schon Sigmund Freud behandelte Kranke in Hypnose. Jetzt überzeugen uns Studien mit aufsehenerregenden Fakten über ihre Wirkung aufs Gehirn.

Hypnose-Therapie© thinkstock
Hypnose-Therapie

Vielleicht liegt es an zu vielen billigen Krimis oder an fragwürdigen Heilern, die im Kombipaket mit Meridian-Pendeln und Klangschalen- Massage Marke „Om“ auch eine mystische Session anbieten: Hypnose wird bei uns immer noch in die esoterische Ecke gestellt, als Grenzgänger- Wissenschaft abgetan. Zu unrecht, denn immer mehr seriöse Studien belegen ihre therapeutische Wirksamkeit. Die aktuelle wissenschaftliche Beweislage ist geradezu sensationell: Hypnotische Trance beeinflusst die Aktivität des Gehirns, greift in die Biochemie unseres Körpers ein – und wird jetzt sogar gegen Heuschnupfen, Depressionen und Reizdarm eingesetzt. Welche Rolle die Suggestionen des Therapeuten dabei spielen, warum man weder Angst vor Gehirnwäsche noch dem Nicht-wieder-Aufwachen haben muss, erklärt der Hypnose-Arzt Dr. Wolfgang Blohm.

Dr. med. Wolfgang Blohm
Dr. med. Wolfgang Blohm leitet eine Fachklinik für Hypnose und Psychotherapie in Breklum
VITAL: Bei welchen Beschwerden kommt eine Behandlung mit Hypnose infrage?
Dr. Blohm: Bei Übergewicht, Ess- und Zwangsstörungen und Burnout. Bei psychosomatischen Problemen, Tinnitus, Neurodermitis, Migräne, stress bedingten Krankheiten und der Nach sorge einer Tumortherapie. Die Liste wird immer länger.

Was steht denn neu auf der Liste?
Die neueste und offiziell empfohlene ist das Reizdarm-Syndrom, das sich ja sonst kaum beeinflussen lässt. Auch Allergien, insbesondere Heuschnupfen, werden nachweislich durch Hypnose gebessert. Sie greift sogar regulierend in die Allergiekaskaden des Körpers ein und lindert die Beschwerden auf diese Weise sehr direkt. Ungleich wirksamer ist es allerdings, die hinter einer Allergie stehenden inneren Spannungsfelder zu ändern. Wenn das gelingt, verabschiedet sich die Allergie. Das habe ich schon häufig erlebt. Diese Erfahrung passt auch in das Wissen um die enge Vernetzung von Körper und Seele und um psychoneuroimmunologische Zusammenhänge. Außerdem hilft Hypnose nachweislich sehr gut bei Angsterkrankungen, ADHS und Depressionen.

Schmerzpatienten durch Hypnose schmerzfrei?

Angeblich können Schmerzpatienten durch Hypnose auf bis zu zwei Drittel ihrer Arzneien verzichten. Wunsch oder Wirklichkeit?
Wirklichkeit. Von der Hypnose profitieren sogar Menschen mit chronischen Schmerzen. Denn der Therapeut kann einerseits auf der Basis der Schmerzverarbeitung arbeiten und dem Patienten einen anderen Umgang, ein anderes Erleben mit seinem Schmerz ermöglichen. Andererseits lässt sich die Aufmerksamkeit auf einen anderen Lebensbereich fokussieren, sodass der Schmerz nicht mehr im Mittelpunkt allen Erlebens steht. Und, sehr wichtig: Der Therapeut kann innere Spannungsfelder bearbeiten, die Probleme des Patienten, die hinter seinem Schmerz stehen. Auf organischer Ebene lässt sich durch Hypnose z.B. die Durchblutung verbessern. Schon das allein kann den Schmerz dämpfen.

Aktuelle Studien berichten, dass Hypnose zu „plastischen Veränderungen“ im Gehirn führt. Was heißt das genau?
Die Gehirnfunktion wird durch Hypnose so verändert, dass es in der Folge auch zu einem veränderten Bewusstseinszustand kommt. Das bedeutet praktisch, dass der Patient sich in Trance einen eigenen virtuellen Raum schaffen kann, der mit Lebendigkeit und eben plastischen Erlebnissen ausgefüllt wird und so der „Realität“ sehr nahekommt. Dadurch wird das in Hypnose erzeugte Bild in diesem Sinn gleichgesetzt mit einem tatsächlich erfahrenen Erlebnis.

Und wie schaffen Sie das?
Indem ich dem Patienten im hypnotischen Trance-Zustand möglichst viele verschiedene Wahrnehmungsmöglichkeiten mit möglichst vielen Sinneseindrücken wie z.B. Gerüchen, Geräuschen oder Geschmackserlebnissen anbiete. Diese „Sprache“ versteht unser Unterbewusstsein besonders gut und kann dann auch alles intensiv erlebbar umsetzen.

Lässt sich der Mensch umprogrammieren?

Die neuen Studien zeigen auch, dass der Erfolg einer Hypnose von den richtigen Suggestionen abhängt. Was bedeutet „richtig“ in diesem Zusammenhang?
Eine gute Trance-Einleitung ist offen. Sie gibt nicht autoritär vor, was der Patient zu tun oder zu lassen hat. Sie spricht eher Einladungen aus, sich auf die innere Wahrnehmung umzustellen. Statt der äußeren Sinne werden innere Bilder, Gefühle, Vorstellungen oder Eindrücke aktiviert, die sich mit wachem Bewusstsein so nicht erfassen lassen. Der Therapeut muss also jene Worte – Suggestionen – finden, die das ermöglichen. Sie sollen die innere Wahrnehmung des Patienten ansprechen, damit er selbst entscheidet, welche zu ihm passen und welchen er folgen will. So wird von Anfang an die Autonomie des Patienten gewahrt und gefördert. Auch bei der Lösung seines Problems geht es darum, seine Fähigkeit auszuprägen, eigenverantwortlich einen Weg zu finden. Denn nur eigene Lösungswege sind stimmig und von Dauer.

Lässt sich der Mensch wirklich umprogrammieren? Viele Leute haben ja Angst vor einer Gehirnwäsche.
Nein, ein Umprogrammieren im eigentlichen Sinn findet nicht statt. Aber Hypnose macht es möglich, neue Lebenswege zu finden und auch zu gehen. Das erlebt der Patient aber wie gesagt, nicht in einem passiven Zustand, dem er willenlos ausgeliefert ist. Gut formulierte Suggestionen umgehen zwar das wache, oft sehr kritische Bewusstsein des Patienten. Sie schalten es aber nicht aus, sondern mindern es nur vorübergehend. Deshalb ist der Patient dann offen für Gedanken und Gefühle, die er sonst nicht zulassen würde. Eine Gehirnwäsche ist mit Hypnose definitiv nicht möglich!

Sie sprechen von „gut formulierten“ Suggestionen. Was sind schlechte, schädliche?
chaden können Negationen: Der Therapeut suggeriert etwas, das gerade NICHT gemacht, gedacht oder berücksichtigt werden soll. Das Unbewusste tut sich schwer mit solchen negativen Aussagen und setzt sie mitunter genau gegenteilig um. Zudem erweist es sich oft als sehr schädlich, wenn der Therapeut seinen Patienten durch Einladungen oder Angebote unwissentlich in negativ besetzte Bereiche führt. Dazu zählen z.B. Missbrauch oder traumatische Kindheitserlebnisse, die der Patient gar nicht bearbeiten möchte. Das kann ein bestehendes Trauma durchaus verstärken.

Der kleine Unterschied

Die andere große Angst vieler Menschen besteht darin, dem Hypnotiseur willenlos ausgeliefert zu sein oder aus der Hypnose nicht mehr aufzuwachen. Berechtigt?
Das ist ein Schmarren! Zwar treten an die Stelle der nach außen gerichteten Sinnesorgane wie Ohr, Auge oder Haut schwerpunktmäßig Informationen der inneren Wahrnehmung. Aber trotzdem ist der Patient immer wach, immer bei sich und immer Herr seiner Sinne. Er bestimmt, was er in Trance sagt oder tut. Ohne oder gegen seine Zustimmung ist Hypnose nicht möglich. Er ist zu keinem Zeitpunkt ausgeliefert, hilflos oder handlungsunfähig. Der Patient kann die Hypnose jederzeit unterbrechen oder abbrechen.

Der kleine Unterschied

Hypnose und Hypnotherapie – das werfen Laien gern in einen Topf. Verständlich, denn die Grenze zwischen beiden Verfahren ist nicht so leicht zu ziehen. Hypnose (altgriechisch: „Schlaf“) bezeichnet einerseits das Verfahren, mit dem eine hypnotische Trance, also eine vorübergehend veränderte Aufmerksamkeit und tiefe Entspannung, erreicht wird. Andererseits ist der Zustand der hypnotischen Trance gemeint. Erreicht wird sie durch Suggestionen des Therapeuten. Sollen sie auch noch nach der Hypnose wirken (z.B. bei der Raucherentwöhnung), werden sie tiefer verankert, und es treten messbare Veränderungen der Informationsverarbeitung im Gehirn auf.

Die Hypnotherapie gehört zu den psychotherapeutischen Methoden. Geprägt wurde sie von dem amerikanischen Psychiater Milton H. Erickson (1901–1980). Der Begriff fasst Therapieformen zusammen, die das Wissen über die Wirkung von Trance und Suggestionen therapeutisch nutzen.