Insulin-freie Zukunft für Typ-1-Diabetiker in Sicht

Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA hat die erste Zelltherapie für Typ-1-Diabetes zugelassen. Das Arzneimittel Donislecel (Lantidra) besteht aus Insulin-produzierenden Inselzellen von verstorbenen Spendern. Es wird den PatientenInnen in die Pfortader infundiert und kann in vielen Fällen eine Insulin-Therapie ersetzen.

Typ-1-Diabetes ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem die insulinproduzierenden Betazellen in der Bauchspeicheldrüse angreift und zerstört. Dadurch ist der Körper nicht mehr in der Lage, den Blutzuckerspiegel auf natürliche Weise zu regulieren. Die Patienten müssen daher lebenslang Insulin spritzen oder eine Insulinpumpe tragen. Laut dem Deutschen Diabetes-Zentrum in Düsseldorf leiden in Deutschland rund 373.000 Menschen an Typ-1-Diabetes. Dies entspricht etwa 0,5 % der Bevölkerung. Die meisten Patienten sind Kinder und Jugendliche. Die Erkrankung tritt jedoch auch im Erwachsenenalter auf. 

Im Video: Diabetes Typ 1 und Typ 2 - was ist der Unterschied?

Diese neue Therapie könnte Typ-1-Diabetiker von Insulin befreien

Bei Typ-1-Diabetes zerstört das Immunsystem die Insulin-produzierenden Betazellen in der Bauchspeicheldrüse. Die Patienten sind deshalb lebenslang auf Insulin-Injektionen oder eine Pumpe angewiesen, um ihren Blutzuckerspiegel zu regulieren.

Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA hat jetzt eine Zelltherapie zugelassen, die Diabetikern die verlorenen Betazellen teilweise wieder zurückgeben soll. Das Therapeutikum Donislecel (Lantidra) des Unternehmens Celltrans besteht aus einer Suspension von Inselzellen von verstorbenen Spendern. Es wird als Infusion in die Pfortader verabreicht. Die Inselzellen produzieren neben Insulin auch andere Hormone, wie Glucagon, Somatostatin oder Ghrelin. Glucagon ist wichtig für die Steigerung des Blutzuckerspiegels, Somatostatin für die Hemmung der Insulinproduktion und Ghrelin für die Regulierung des Appetits. Um die Fremdzellen vor dem Immunsystem zu schützen, müssen die Patienten zusätzlich Immunsuppressiva einnehmen.

In der Regel reicht eine Infusion

Die Zelltherapie Donislecel ist für Typ-1-Diabetiker geeignet, die unter einer herkömmlichen Therapie ihre HbA1C-Zielwerte nicht erreichen. Die Therapie wird in der Regel einmalig in die Pfortader infundiert. Bei einigen Patienten können jedoch auch mehrere Infusionen nötig sein, damit sich genügend Inselzellen ansiedeln und Insulin produzieren. In zwei Zulassungsstudien, die an insgesamt 30 Probanden (Durchschnittsalter 46,5 Jahre) durchgeführt wurden, erhielten 11 Probanden eine einzige Infusion. Bei den restlichen Teilnehmern wurden in Abständen von einem Monat bis mehreren Jahren zwei oder drei Infusionen vorgenommen.

Nach einem Jahr waren 21 von 30 Probanden nicht mehr auf Insulin angewiesen. Davon benötigten zwölf Probanden für ein bis fünf Jahre kein Insulin mehr, neun sogar über fünf Jahre. Bei fünf Probanden hingegen gelang die Therapie nicht, vier weitere konnten nur kurzzeitig auf eine Insulin-Therapie verzichten.

Häufige Nebenwirkungen

Die Zelltherapie Donislecel ist mit Nebenwirkungen verbunden. In den Zulassungsstudien traten bei 87 % der Probanden mindestens eine schwerwiegende unerwünschte Wirkung auf. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Übelkeit, Müdigkeit, Blutarmut, Durchfall und Bauchschmerzen. Bei einigen Patienten kam es auch zu Anämien, die durch den Eingriff und die Immunsuppression verursacht wurden. Bei der Infusion selbst muss der Blutdruck in der Pfortader überwacht werden.

Immunsuppressiva, die zur Verhinderung einer Abstoßung der Inselzellen eingenommen werden müssen, erhöhen außerdem die Neigung zu Infektionen und malignen Neubildungen. Bei schwerwiegenden Nebenwirkungen muss die Immunsuppression gegebenenfalls abgesetzt werden, was zum Verlust der infundierten Inselzellen führt.

Zulassung umstritten

Die Zulassung der Zelltherapie Donislecel (LantidraTM) in den USA ist umstritten. Die Organisation „Islets for US“ kritisiert, dass die Therapie als Arzneimittel und nicht als Gewebe oder Organ zugelassen wurde. In anderen Ländern, wie Deutschland, werden Inselzellspenden als Gewebe klassifiziert. „Islets for US“ argumentiert, dass die an Biologika gestellten Standards nicht die Sterilität und Qualität der Inselzellen garantieren. Die Kritiker befürchten, dass die Zulassung als Arzneimittel zu einer unzureichenden Kontrolle der Qualität der Inselzellen führen könnte. Dies könnte zu unerwünschten Nebenwirkungen oder sogar zum Tod der Patienten führen.

Quellen:  1. FDA Approves First Cellular Therapy to Treat Patients with Type 1 Diabetes, 2. Fachinformation Lantidra,  3. Witkowski P et al. Islets Transplantation at a Crossroads – Need for Urgent Regulatory Update in the United States: Perspective Presented During the Scientific Sessions 2021 at the American Diabetes Association Congress. Front Endocrinol 2022;12:789526, doi: 10.3389/fendo.2021.789526

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Diabetes Typ 1 und Typ 2 - was ist der Unterschied?

  • Bei Diabetes Typ 1 handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem die Insulin produzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse angreift und zerstört. Dadurch kann der Körper kein Insulin mehr produzieren, was zu einem Mangel an diesem lebenswichtigen Hormon führt. 
  • Diabetes Typ 2 hingegen entsteht meist durch eine Kombination aus genetischer Veranlagung und ungesunden Lebensgewohnheiten wie einer schlechten Ernährung und Bewegungsmangel. Hier produziert der Körper zwar noch Insulin, aber die Zellen reagieren nicht mehr richtig darauf, was zu einem erhöhten Blutzuckerspiegel führt. 

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