
Das Stresshormon Cortisol: Aufgaben im Körper
Sind wir heutzutage nicht alle viel zu gestresst? Stress scheint in unserer hektischen Welt zum normalen Dauerzustand geworden zu sein. Termine, To-Dos, Arbeit, Familie, ständige Erreichbarkeit, dauernde emotionale Aufpeitschung durch soziale Medien und – nicht neu aber neuerdings auch unsere wohlstandsgeprägte Lebensrealität direkt betreffend – Pandemie, Krieg und Unsicherheit.
Im Video: So kann stressiger Verkehrslärm Depressionen auslösen
In unserer modernen Welt ist der Begriff Stress eigentlich ausschließlich negativ belegt. Stress steht stellvertretend für Überforderung, Kontrollverlust und Burn-Out. Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass Stress eine überlebenswichtige Reaktion unseres Körpers ist. Wirken äußere Reize, egal ob körperlich oder geistig, auf uns, muss unser Körper Möglichkeiten haben, diese Anspannungen aufzulösen und handlungsfähig zu bleiben. In unserer evolutionären Vergangenheit hatten Stressreaktionen die Aufgabe, unserem Organismus in gefährlichen oder extremen Situationen Energie bereitzustellen, uns konzentrierter zu machen und unsere Reflexe zu verbessern. Unsere Vorfahren konnten dann schneller flüchten, bei der Jagd schneller reagieren oder spürten weniger Schmerzen im Kampf mit Mensch und Tier.
Dass wir Menschen bei akutem Stress so reagieren, wie die Natur es vorgesehen hat, verdanken wir unseren Hormonen. Hormone sind Botenstoffe, die unser Organismus in bestimmten Situationen produziert und die dann entsprechende Reaktionen in unserem Körper auslösen. Das Hormon Insulin etwa baut Zucker in unserem Blut ab, das Hormon Ghrelin regt unseren Appetit an, Serotonin senkt unseren Blutdruck und sorgt für Entspannung und Gelassenheit.
Gleich weiterlesen: Wie Hormone den Körper beeinflussen > >
Und das Stresshormon Cortisol bereitet unseren Körper bestmöglich auf die Bewältigung von Stress vor. Verspüren wir körperlichen oder geistigen Stress, produzieren die Nebennierenrinden vermehrt das Stresshormon Cortisol. Cortisol nämlich aktiviert abbauende Stoffwechselvorgänge, durch die unserem Organismus kurzzeitig zusätzliche Ressourcen verfügbar gemacht werden. Neben diesen wichtigen Aufgaben zur Stressbewältigung hat das Stresshormon Cortisol aber auch viele andere Funktionen, unter anderem:
- erhöht Blutzuckerwerte und wirkt gegen Insulin
- regt Fettstoffwechsel an
- baut Proteine und Muskeln ab
- hemmt Entzündungen
- hemmt das Immunsystem
Das Stresshormon wirkt also auf vielfältige Weise in unserem Körper. Es wird übrigens nicht nur dann ausgeschüttet, wenn Stressoren auf uns wirken. Cortisol befindet sich zu jedem Zeitpunkt in unserem System und unterliegt typischen Schwankungen während des Tages. Morgens zwischen 6 Uhr und 8 Uhr ist der Cortisolwert durchschnittlich am höchsten. Im Verlaufe des Tages sinkt der Wert ab. Mitternacht ist er am niedrigsten.
Die Nebennieren als Hormonmanufaktur
Hormone werden an vielen Stellen in unserem Körper gebildet. Für die Produktion von Hormonen sind Drüsen verantwortlich. Solche haben wir mit der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) oder der Zirbeldrüse im Gehirn. Andere Drüsen wie die Schilddrüse oder die Bauchspeicheldrüse stellen ebenfalls Hormone her. Das Stresshormon Cortisol aber wird von den Nebennieren produziert. Diese Drüsen sitzen wie kleine Hüte oben auf unseren beiden Nieren. In der Nebennierenrinde wird durch komplizierte biochemische Vorgänge aus Cholesterin das Hormon Cortisol hergestellt. Aus den Nebennieren gelangt es dann in den Blutkreislauf.
Mit all diesem Hintergrundwissen über das Stresshormon Cortisol stellt sich nun aber die Frage: Was für Auswirkungen hat ständiger Stress auf unseren Körper? In der Wissenschaft und Medizin sind viele Zusammenhänge zwischen Cortisol, Depression und psychischen Auswirkungen bekannt. Wir erklären, was es damit auf sich hat.
Cortisol: Wirkung auf die Psyche
In der Forschung verdichtet sich mittlerweile der Verdacht, dass der Cortisolspiegel Auswirkungen auf die Entstehung von Depressionen haben kann. Schon lange war Forschenden bekannt, dass chronisch erhöhte Cortisolwerte bei Betroffenen eine Reihe von Folgen auslösten wie Übergewicht, Bluthochdruck, Schlafstörungen, Diabetes und Stimmungsschwankungen. Dass dauerhafter Stress nicht gut für die mentale Gesundheit ist, ist nachvollziehbar. In Studien konnten Forschende nun aber feststellen, dass die vermehrte Ausschüttung von Cortisol Depressionen begünstigen kann. Forschende fanden nämlich heraus, dass die Cortisolwerte bei Menschen, die unter Depressionen litten, durchschnittlich stark erhöht waren.
Mehr erfahren: An diesen Anzeichen erkennen Sie, dass Sie dauergestresst sind > >
Für den Körper bedeuten erhöhte Cortisolwerte im Blut Dauerstress und Alarmzustand. Der Zusammenhang zur Depression ergibt sich dann daraus, dass unter anderem der Schlaf gestört ist und die Schlafqualität erheblich leidet. Auch mögliche Wechselwirkungen mit stimmungsaufhellenden und glücklich machenden Hormonen sind bei einem hohem Cortisolwert nicht auszuschließen.
Cortisol und Depression: So reagiert der Körper auf den Stress
Menschen mit Depressionen haben oft einen erhöhten Cortisolspiegel, auch wenn sie nicht unter akutem Stress stehen. Dies kann dazu führen, dass sie sich ständig müde und erschöpft fühlen, da Cortisol den Körper in einen Zustand der Alarmbereitschaft versetzt.
Darüber hinaus kann ein erhöhter Cortisolspiegel auch die Stimmung beeinflussen und zu negativen Gedanken und Gefühlen beitragen. Eine gesunde Lebensweise, einschließlich regelmäßiger Bewegung, ausgewogener Ernährung und ausreichend Schlaf, kann helfen, den Cortisolspiegel zu senken und die Symptome von Depressionen zu lindern.
Depressionen können durch jede Art von dauerhaftem Stress ausgelöst werden. Selbst eigentlich positive Ereignisse und Erlebnisse, etwa die Schwangerschaft und die Geburt eines Kindes, können Depressionen auslösen. Nicht unbekannt sind vor allem Wochenbettdepressionen. Wie genau diese Form der Depression bei Frauen entsteht, ist noch nicht genau geklärt, wahrscheinlich spielt Veranlagung eine Rolle. Wie groß die Rolle des Cortisols dabei ist, muss in Studien noch erforscht werden.
Was tun bei Stress? So senken Sie den Cortisolspiegel auf natürliche Weise
Erhöhte Cortisollevel scheinen laut aktueller Studienlage also die Entstehung von Depressionen zu begünstigen. Damit andauernder Stress und hohes Cortisol aber nicht auf die Psyche schlägt, können einige Methoden bedient werden, um Stress zu lindern. Cortisolspiegel können nämlich auch auf natürliche Weise gesenkt werden.
Diese Methoden können helfen, Cortisol zu senken:
- Stressmanagement: Stress ist einer der Hauptfaktoren, der zu einem erhöhten Cortisolspiegel führt. Es ist wichtig, Stress abzubauen und effektive Stressbewältigungstechniken anzuwenden. Dazu gehören regelmäßige Entspannungsübungen wie Meditation, Atemübungen, Yoga oder Tai Chi.
- Ausreichend Schlaf: Schlafmangel kann zu einem Anstieg des Cortisolspiegels führen. Stellen Sie sicher, dass Sie ausreichend Schlaf bekommen, idealerweise 7-9 Stunden pro Nacht.
- Regelmäßige Bewegung: Regelmäßige körperliche Aktivität kann helfen, den Cortisolspiegel zu regulieren. Wählen Sie Aktivitäten, die Ihnen Spaß machen, wie zum Beispiel Spaziergänge, Radfahren oder Tanzen.
- Gesunde Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung mit reichlich Obst, Gemüse, Vollkornprodukten und gesunden Fetten kann dazu beitragen, den Cortisolspiegel zu senken. Vermeiden Sie übermäßigen Konsum von zuckerhaltigen Lebensmitteln und Koffein.
- Soziale Unterstützung: Ein starkes soziales Netzwerk und enge Beziehungen können helfen, Stress abzubauen und den Cortisolspiegel zu senken. Suchen Sie den Austausch mit Freunden, Familie oder einer unterstützenden Community.
- Entspannungstechniken: Verschiedene Entspannungstechniken wie progressive Muskelentspannung, autogenes Training oder Massagen können helfen, den Cortisolspiegel zu senken.
Beachten Sie aber, dass diese Maßnahmen keine Garantie gegen Stress oder die Auswirkungen von Stress sind. Wenn Sie sich überfordert fühlen und befürchten in eine Depression, einen Burn-out oder andere psychische Erkrankungen zu rutschen, sprechen Sie mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin.