Wenn unaufhörliches Reden krankhaft wird: Symptome von Logorrhoe
Wir alle haben bestimmt schon Erfahrungen mit Menschen gemacht, die ohne Punkt und Komma geredet haben. Wenn aus einem Gespräch ein Monolog wird und sich das Gegenüber minutenlang in Banalitäten und Kleinigkeiten verliert, einfach kein Ende findet und man selbst vom Redeschwall überrollt wird, reagieren die meisten Menschen genervt.
Doch es gibt einen Unterschied zwischen Menschen, die einfach nur „viel reden“ und Menschen, die krankhaft viel reden. Für Letzteres nämlich gibt es den medizinischen Begriff „Logorrhoe“.
Damit wird ein zwanghafter, wasserfallartiger Redefluss bezeichnet. Betroffene verspüren den starken Drang, sich verbal mitzuteilen, Filter und Hemmungen sind meist ausgeschaltet und dem Mitteilungsbedürfnis wird freien Lauf gelassen.
Hier sind die Hauptanzeichen und Symptome:
- Ununterbrochener Redefluss: Betroffene sprechen ohne Punkt und Komma, oft in einem sehr schnellen Tempo.
- Themenwechsel: Es kommt häufig zu abrupten und willkürlichen Wechseln der Themen, was die Nachvollziehbarkeit der Aussagen erschwert.
- Verlust der Selbstkontrolle: Die Kontrolle über das Gesprochene ist stark eingeschränkt; es können unangebrachte oder beleidigende Äußerungen vorkommen.
- Lautstärke und Emphase: Der Redefluss wird oft in einer unangemessenen Lautstärke und mit großer Emphase vorgetragen, sodass andere Gesprächspartner kaum zu Wort kommen.
- Inkohärenz: In schweren Fällen kann der Redefluss so inkohärent werden, dass die geäußerten Gedanken keinen erkennbaren Zusammenhang mehr aufweisen, was als „Ideenflucht“ bezeichnet wird.
Welche Formen kann Logorrhoe annehmen?
Krankhafter Redefluss kann sich auf viele verschiedene Arten äußern. Es gibt eine Reihe medizinischer Bezeichnungen für unterschiedliche Darstellungsformen von übermäßigem, krankhaften Reden.
Unorganisierte und strukturloses Sprechen: Die Kommunikation springt thematisch, oft werden angefangene Themen mitten im Satz fallen gelassen und neue thematische Fäden aufgenommen. Themen und Sätze hängen oft nicht erkennbar zusammen.
Zwanghaftes Sprechen: Die Redegeschwindigkeit ist erhöht, der Redefluss kann kaum unterbrochen werden. Auch die Lautstärke der Kommunikation kann höher sein als gewöhnlich. Betroffene haben kaum Kontrolle über die Worte, die aus ihren Mündern kommen. Auch auf gesellschaftliche Gesprächskonventionen wird kaum noch Rücksicht genommen: Gesprächspartner werden unterbrochen, übertönt und abgeschnitten, um dem eigenen Redeschwall loszulassen.
Welche Erkrankungen können Logorrhoe auslösen?
Logorrhoe ist weit mehr als „viel reden“. Der krankhafte Redefluss ist viel mehr ein Zeichen für ernstzunehmende zugrundeliegende Erkrankungen. Vor allem psychische Erkrankungen können dazu führen, dass Betroffene ein übermäßiges Kommunikationsverlangen ausleben.
- Manie: Bei einer Manie ist die betroffene Person übermäßig aufgeregt, euphorisch und hat ein gesteigertes Selbstwertgefühl. Sie spricht schnell und viel, wechselt oft das Thema und kann sich nur schwer konzentrieren. Auch bei einer bipolaren Störung – bekannt als manisch-depressive Erkrankung – können während einer manischen Phase Anzeichen der Logorrhoe vermehrt auftreten.
- Schizophrenie: Bei einer Schizophrenie kommt es zu Wahnvorstellungen, Halluzinationen und Denkstörungen. Betroffene können sich auch in ihrem Redefluss unkontrolliert äußern.
- Angststörungen: Bei Angststörungen können Betroffene unter Panikattacken, Angstzuständen und Grübeleien leiden. Infolgedessen können sie auch unkontrolliert viel reden.
Neben diesen psychischen Erkrankungen kann eine Logorrhoe auch durch folgende Ursachen ausgelöst werden:
- Schlaganfälle: Ein Schlaganfall kann zu Sprachstörungen führen, darunter auch zu Logorrhoe.
- Hirntumore: Gehirntumore können zu einer Schädigung des Gehirns führen, die sich auch in Form von Logorrhoe äußern kann.
- Demenz: Bei Demenz kann es zu einer Beeinträchtigung der Denk- und Sprachfunktionen kommen. Dies kann zu Logorrhoe führen.
- Intoxikationen: Logorrhoe kann auch durch eine Vergiftung mit Alkohol, Drogen oder Medikamenten verursacht werden.
Wie viel reden ist „zu viel reden“?
Menschen, die „viel reden“, leiden nicht automatisch an Logorrhoe – oder zugrundeliegenden psychischen Erkrankungen. Wer wann „zu viel redet“ ist außerdem eine sehr individuelle Einschätzung. Einige Menschen haben von Natur aus ein sehr geringes Kommunikationsverlangen. Andere verbalisieren Gedanken und innere Monologe freier und offener.
Als „zu viel“ wird Kommunikation oft dann wahrgenommen, wenn jemand eine Gesprächssituation dominiert und sich und die eigenen Ansichten immer wieder in den Mittelpunkt stellt. Werden etwa andere Äußerungen unterbrochen oder die Beiträge anderer Menschen in der Gruppe lautstark übertönt, hat sich die Gesprächssituation in eine unfaire Richtung entwickelt. Teilnehmende der Gesprächssituation werden sich jetzt sicherlich ungerecht behandelt fühlen.
Auch deutliche verbale oder non-verbale Hinweise eines Gesprächspartners oder einer Gesprächspartnerin sollten wahrgenommen werden, um zu erkennen, ob es gerade „zu viel“ ist. Wendet sich jemand im Gespräch immer wieder ab, dreht sich suchend um oder öffnet den Mund, um etwas zu sagen zu versuchen, ist es „zu viel“ geworden.
Wir alle sollten mehr auf solche Zeichen achten, uns alle möglicherweise öfter fragen, ob wir unseren Mitmenschen in Gesprächssituationen genug Raum geben, sich auszudrücken, und ob wir nicht sogar mehr lernen können, indem wir einfach öfter zuhören.