
Zweifellos, ich bin die Größte: Die anderen Skifahrer messen so etwa einen Meter und sind um die vier Jahre alt. Im Gegensatz zu mir überragen sie kaum die bunten Plastikpferdchen, die jemand neben dem kurzen Tellerlift zum Drumherumfahren aufgebaut hat. Mir egal. Hauptsache, nicht gleich auf eine richtige Piste, obwohl die breiten Hänge des Pitztaler Gletschers rufen: „Los, komm!“ Vor allem der Gipfel des Hinteren Brunnenkogels macht sich lautstark bemerkbar: „Ich bin mit 3440 Metern der Berg mit dem höchstgelegenen Café in Österreich. Super Aussicht! Tolle Abfahrt!
Skifahren verlernt man nicht
Steig in die Gondel …“ Nein! Der Schutzengel an meiner Seite hat dafür Verständnis. Er heißt Michael Walser, ist mit 40 Jahren elf Jahre jünger als ich und zwei Tage lang mein Skilehrer für den Wiedereinstieg. Als solcher findet er die richtigen Worte: „Bloß keinen Stress. Erst mal langsam. Pausen machst du, wann du willst. Wir sind hier mit der Gletscherbahn schon auf 2840 Meter hinaufgefahren, dein Körper muss sich ein bisschen an die Höhe gewöhnen.“ Und an das Gefühl, nach zehn Jahren wieder auf den Brettern zu stehen. Keine Angst, Skifahren ist wie Schwimmen oder Radeln, das verlernt man nicht.“
So hatte ein anderer Mann gestern meinem klopfenden Herzen Mut gemacht: Reinhold Huter führt unten im Tal in Mandarfen ein Sportgeschäft, gleich neben dem Verwöhnhotel, in dem ich wohne. Er hatte mich bei der Ausleihe der Ausrüstung beraten: „Wie gut bist du denn mal gefahren?“ – „Mittel gut, überall runtergekommen.“ – „Okay, dann ist ein Allround-Carving-Ski für dich das Beste. Der ist nicht zu behäbig und nicht zu anspruchsvoll“, erklärte mir der Mittsechziger. „Größe, Gewicht, Alter?“ Nach einer halben Stunde war meine Ausrüstung perfekt und Reinhold Huter sicher: „Das wird wieder, vertrau meiner Erfahrung.“
Ski-Heil
Jetzt bete ich: „Lieber Gott, bring mich um die Kurven.“ Im Schneepflug funktioniert’s, Stemmbogen geht auch. Großes Lob von Michael, der mir nach der dritten Abfahrt am Babylift etwas über Technik erzählt: „Man merkt, dass du mal ganz gut gelaufen bist. Aber früher hat man das Skifahren anders gelernt. Den Stemmbogen zum Beispiel lehren wir heute gar nicht mehr. Da stieß man sich in der Kurve mit einem Bein ab, hob den einen Ski quasi herum und zog das Bein danach möglichst eng wieder an den anderen Ski heran. Das war, bevor es die taillierten Carving Ski gab. Die im Prinzip die Kurven allein fahren.“
Die neue Art des Skifahrens
Allein fahren klingt gut, aber wie machen die das mit mir obendrauf? Noch mal Tellerlift nach dem Motto: Alles Neue nur im Flachen lernen. Dann soll ich mal schauen: für die bessere Balance breitbeiniger stehen, immer mit beiden Ski den Kontakt zum Schnee beibehalten, entlasten, Knie und Hüfte leicht zum Berg drücken … Das üben wir dann auf einer der langen Pisten. „Ziel des ersten Tages ist vor allem, neues Selbstvertrauen zu gewinnen“, sagt mein Skilehrer. Danach fällt mein Fazit gar nicht so übel aus: kein Sturz, nur ein leichter Muskelkater in den Waden, die Kraft reicht, die Angst ist tatsächlich weg. „Morgen auf den Hinteren Brunnenkogel?“, fragt Michael Walser. Unbedingt.

Was für ein Rundum-Panorama: Die österreichischen, deutschen, italienischen und Schweizer Alpen präsentieren sich uns glitzernd in der Sonne. Die Zugspitze genauso wie die Dolomiten. Dafür nehme ich doch gern die rote Abfahrt hinunter in Kauf, die im oberen Teil ein bisschen schwieriger ist. „Vergiss auf diesem Stück die neue Technik, fahr auf Sicherheit“, rät mir Michael. So mache ich es, zumal mir das Carven noch immer ein Rätsel ist. Vielleicht fehlt meinen Ski das eingebaute Es-geht-von-allein? „Du musst auf die Kanten. Knie und Hüfte zum Berg. Dann für die Kurve die Ski flacher stellen, das Gewicht verlagern, wieder auf die Kanten. Ja! Guck dir mal jetzt deine Spur im Schnee an. Ein schöner runder Bogen.“ Tatsächlich, eine scharf in den Schnee geschnittene Spur zeichnet sich ab. So soll es aussehen. „Carven“ heißt aus dem Englischen übersetzt schließlich „schnitzen“. Ich bin überglücklich. Dafür war nur ganz wenig Kraft nötig, es fühlte sich mühelos an. Nur: Warum bitte ging es das eine Mal so wunderbar und nun schon wieder nicht?
Skifahren macht Spass
„Mach dir keine Gedanken“, beruhigt mich Michael. „Dein Körper hat noch die alten Muster verinnerlicht. Das geht eigentlich jedem so, der nach einer Pause wieder auf den Brettern steht.“ Okay, dann eben neue Muster lernen. Langsam und mit Pausen, schließlich soll das Skilaufen Spaß bringen, und ich will es genießen. Beides gelingt mir in diesen zwei Tagen erstaunlich oft. Und eines weiß ich genau: Ohne den Skikurs hätte ich nicht den Mut gehabt, wieder auf die Piste zu gehen. Im nächsten Jahr werde ich keine Minute zögern.
Wiedereinsteiger-Kurs
Dank breiter Hänge und relativ flacher Abfahrten ist der Pitztaler Gletscher in Österreich ideal für den Wiedereinstieg. Vom „Verwöhnhotel Wild spitze“ in Mandarfen (1600 Meter) fährt ein Skibus ca. 6 Minuten zur Talstation des „Gletscherexpress“. Diese in den Berg gebaute Stollenbahn bringt die Gäste in 8 Minuten auf 2440 Meter hinauf. Der Skikurs selbst holt jeden Läufer dort ab, wo er mit seinem Können steht – egal, wie lange die Ski im Keller lagen und warum.

Schwerpunkt: erst mal Mut machen und Sicherheit geben, die Technik kommt an zweiter Stelle.
Angebot: 3 Ü/DZ im 4-Sterne-„Verwöhnhotel Wildspitze“ inkl. Dreiviertel- Pension, 2 Tage Skikurs in der Gruppe (10 –12 Uhr und 13.30 –15.30 Uhr), Skiverleih (Ski, Stöcke, Skistiefel bei „Intersport Huter“ in Mandarfen), 2 Tage Skipass Pitztaler Gletscher/ Rifflsee ab 522 Euro p. P. Privater Ski - lehrer gegen Aufpreis.
Weitere Angebote in Österreich
Zum Beispiel im Skigebiet „Ski Juwel Alpbachtal Wildschönau“, 3Ü/DZ Frühstückspension, 3 Tage Skikurs (Beginn sonntags), Skiverleih, ab 295 Euro p. P., www.skijuwel.com
„Wilder Kaiser“, 3Ü/DZ Frühstückspension, 3 Tage Skikurs, Skiverleih, ab ca. 250 Euro p. P., www.zurueck-auf-die-ski.at