
Binnen Sekunden wird eine Begegnung mit ihnen zum kommunikativen Hürdenlauf. Stolpern inklusive. Hinterher fühlen wir uns ausgelaugt, unsere Laune ist im Keller. Wir fragen uns verstört: Wie konnte das so schnell so schiefgehen? Adrenalin pocht durch unseren Körper. Was könnte das Leben schön sein – ohne diese... diese Menschen!, denken wir genervt.
Am liebsten würden wir ihnen still und leise aus dem Weg gehen. Sollen sie doch woanders ihre Befindlichkeiten ausleben. Nur nicht bei mir. Doch Flucht ist keine Lösung. Wo sollen wir auch hin, wenn solche Energie-Räuber zur Familie oder zum Bekanntenkreis gehören oder jeden Tag im Büro nebenan sitzen?
„Die hohe Kunst besteht darin, ihr Verhalten nicht als persönlichen Angriff zu nehmen“, sagt die Hamburger Diplom-Psychologin Carin Cutner-Oscheja. Und zu versuchen, die Hintergründe zu verstehen, die das „schwierige“ Verhalten auslösen. Für die vier häufigsten Nervensägen – Choleriker, Egoisten, Hypersensible und Neurotiker – haben wir das für Sie erledigt. Klar, solche Charakterzüge treten selten in Reinform auf. Meist treffen wir „Mischwesen“.
Aber auch für die gilt: Wir müssen wissen, was wir selbst wollen – und können sie dann mit kleinen Tricks aushebeln.

Die Neurotische
Merkmale: ängstlich, pessimistisch, sieht immer zuerst den Haken, Nein sager, macht jede Idee madig, empfindet sich selbst aber nicht als schwierig
Häufiges Vorkommen: in Arztpraxen, in politischen Diskussionsrunden, unter mäßig erfolgreichen Autoren und Künstlern, in Internetforen zu diversen Krankheiten
Lieblingssatz: „Ja, aber …“
Seelenverwandte: Peter Plate („Rosenstolz“), Woody Allen
Die Fahrt im Gedankenkarussell endet nie
Ein angebranntes Essen, eine geplatzte Verabredung – was für die meisten von uns ab und zu zum Alltag gehört, wirft Neurotiker aus der Bahn. Sie sehen das Leben als Kette von Problemen. Haben sie eines gelöst, steht das nächste an; schlimms tenfalls gleich zwei. Überall wittern sie Stolpersteine, fahnden wie Spürhunde nach möglichen (und unmöglichen) Risiken und Gefahren. Das Problem: Im aufrichtigen Wunsch, alle Widrigkeiten bestmöglich zu lösen, verursachen Neurotiker gleich wieder neue und bringen andere damit gegen sich auf. Konfrontieren wir sie allerdings mit ihrer anstrengenden Persönlichkeit, verstehen Neurotiker die Welt nicht mehr. Selbst- und Fremdwahrnehmung klaffen bei ihnen meilenweit auseinander. Sie selbst empfinden sich als völlig normal und behaupten treuherzig: „Ich meine es doch nur gut.“
Das hilft: „Neurotische Menschen befürchten ständig, etwas falsch zu machen, und sind leicht zu verunsichern“, sagt die Psychologin Carin Cutner-Oscheja. Sogar die leiseste Kritik, das geringste Problem beziehen sie sofort auf sich persönlich. „Machen Sie Neurotikern deshalb gleich deutlich, dass Sie sie nicht kritisieren, sondern ein Sachthema besprechen wollen“, rät die Expertin. Wichtig dabei: eine klare Position. Meiden Sie Konjunktiv - sätze wie „So könnte es gehen …“. Geben Sie einen positiven Kurs vor: „So klappt es.“ Zeigen Sie jedoch auch Verständnis für Einwände und machen Sie ihnen gleichzeitig Mut: „Ich denke in der Sache zu 100 Prozent positiv.“ Bleibt der Neurotiker trotzdem im Gedankenkarussell hängen, dürfen wir Grenzen setzen, betont Cutner-Oscheja. „Sagen Sie freundlich, wie Sie die Sache sehen und dass Sie nicht noch eine Stunde alle möglichen Optionen besprechen möchten.“ Viele unsichere Persönlichkeiten sind sogar dankbar, wenn sie durch einen willensstarken Charakter einen kleinen „Schubs“ in die richtige Richtung bekommen.

Die Egoistische
Merkmale: kennt keine Kompromisse, ist gern der Boss, ein schlechter Zuhörer, wird sauer, wenn nicht alle nach seiner Pfeife tanzen („Mein Weg – oder kein Weg“)
Häufiges Vorkommen: leitende Positionen in der Wirtschaft, der Politik, in Casting- oder Reality-Shows im Fernsehen und auf vielen Bühnen dieser Welt
Lieblingssatz: „Wenn jeder an sich selbst denkt, ist doch an alle gedacht“
Seelenverwandte: Ex-Deutsche-Bank-Manager Hilmar Kopper („Peanuts“), Dieter Bohlen, Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder, Karl Lagerfeld
Ich, ich, ich!
Egoisten wissen sehr genau, was sie wollen – und was nicht. Zwischentöne stoßen auf taube Ohren, und Kompromisse langweilen sie. „Wieso mit einer Hälfte zufrieden sein, wenn ich das Ganze haben kann?“, lautet ihr Motto. Denn Egoisten haben gelernt, dass sie damit Erfolg haben und wie sie ihr Gegenüber beeindrucken. Ihr Selbstbewusstsein wirkt geradezu einschüchternd. Sobald sie bei uns eine Schwäche spüren, kommen sie richtig in Fahrt. Dann wird argumentiert und manipuliert, bis der „Gegner“ einknickt. Jene, die es doch noch schaffen, ihre Kritik und Gegen - argumente loszuwerden, prallen am dicken Egoisten-Fell und seinem schlichten Schwarz- Weiß-Weltbild ab: „Wo gehobelt wird, fallen Späne. Mich muss ja nicht jeder mögen.“
Das hilft: Ein klares Nein zur richtigen Zeit wirkt oft Wunder. Aber nicht bei diesen Typen. Es befeuert nur die egoistische Angriffslust. Geben Sie Egoisten – auch wenn’s schwerfällt – die Bühne, die sie brauchen. Hören Sie aufmerksam zu und sagen Sie freundliche Sachen wie: „Das ist eine kluge Überlegung.“ Carin Cutner-Oscheja erklärt die Taktik: „Jeder Mensch öffnet sich, wenn er positive Rückmeldung bekommt, sogar Egoisten.“ So können wir ihnen anschließend viel besser sagen, wie wir selbst über ein Thema denken. Idealerweise mit festem Blickkontakt und einem selbstbewussten Lächeln. „Erklären Sie freundlich und sachlich, wie Sie sich eine Lösung vorstellen“, empfiehlt Cutner-Oscheja. Das zeigt dem Egoisten: Hier lässt sich jemand nicht die Butter vom Brot nehmen. Stellt er trotzdem auf stur, nützt es nichts, dagegen anzugehen. „Bleiben Sie entspannt“, mahnt die Expertin. „Vertagen Sie das Gespräch mit den Worten: ,Dann müssen wir eben an einem anderen Tag eine Lösung finden, kein Problem.‘“

Die Hypersensible
Merkmale: unsicher, beinahe süchtig nach Zuneigung, rechnet ständig mit Kränkungen, fühlt sich regelmäßig übergangen, neigt zu Stimmungsschwankungen
Häufiges Vorkommen: hinter den Kulissen, in der Mailbox („Warum hast du mich nicht angerufen?“), oft in sozialen Berufen, unter den „ewigen Zweiten“
Lieblingssatz: „Ich habe irgendwie das Gefühl, zwischen uns stimmt etwas nicht“
Seelenverwandte: Britney Spears, Marilyn Monroe, Liza Minnelli, Nena
Empfindlich wie eine Seifenblase
Hypersensible sind Rutengänger der Gefühle und Profis am „Hier stimmt was nicht“-Radar. Ein Blick, jedes gesprochene, aber auch jedes unausgesprochene Wort beweist, dass alle sich gegen sie verschworen haben. Antworten wir nicht sofort auf ihre SMS oder E-Mails, wittern sie gleich soziale Ablehnung. Eine geplatzte Verabredung erleben sie wie das Ende der Welt. Ihre Psyche gleicht einer Achter- Empfindlich wie eine Seifenblase bahn: Eben himmelhoch jauchzend, jetzt zu Tode betrübt – ohne Vorwarnung. Wer regelmäßig mit hypersensiblen Menschen zu tun hat, kämpft nach einiger Zeit mit dem Gefühl, ständig etwas falsch zu machen, denn ihr Dauer-Misstrauen zerrt an den Nerven.
Das hilft: Sie pflegen einen eher lockeren Umgangston? Schalten Sie ihn ab. Denn bei Hypersensiblen kommen Anspielungen, Ironie oder neckische Sprüche gar nicht gut an. François Lelord, Psychiater und Bestseller- Autor (siehe Büchertipps links) rät zu möglichst präzisen Botschaften „ohne den kleinsten Deutungsspielraum“. Auch Höflichkeitsformen sollten Sie genau beachten. „Jeder ,Fehler‘ kann als Zeichen von Spott und Verachtung gedeutet werden“, warnt Lelord. „Beantworten Sie deshalb jede Nachricht eines Hypersensiblen umgehend. Lassen Sie sie immer aussprechen, gratulieren Sie ihnen pünktlich zum Geburtstag. So ein regelmäßiger Kontakt lindert das Risiko von Spannungen.“ Klingt anstrengend? Ist es auch zuweilen. Doch wer versucht, Hypersensible zu meiden, vergrößert ihren Verfolgungswahn nur, macht sie noch skeptischer. Besser: Fragen Sie ab und zu nach, wie das Leben so läuft, bringen Sie ihnen einen Kaffee vorbei. So bekommen hypersensible Menschen das gute Gefühl, dass Sie ihnen wohlgesonnen sind. Und diese Sicherheit beruhigt sie.

Die Cholerische
Merkmale: aufbrausend, jähzornig, hasst es, unrecht zu haben, strahlt Unzufriedenheit aus, wirkt oft genervt
Häufiges Vorkommen: im Internet, weil sie dort den Mantel der Anonymität tragen können, an Stammtischen, auf Trainerbänken, in der Chefetage
Lieblingssatz: „Ich flippe hier gleich aus!“
Seelenverwandte: Naomi Campbell, Mel Gibson, Klaus Kinski, Russell Crowe
In ihnen brodelt es wie in einem Vulkan
Manche sehen bei jeder Kleinigkeit rot, an - dere schlucken ihre Wut so lange runter, bis sie – meist ohne Vorwarnung – explodieren. Dann wackeln die Wände, der Choleriker wütet und tobt. Der Grund: Jähzornige Menschen sind leicht erregbar und schaffen es kaum bis gar nicht, negative Gefühle zu kontrollieren. „Doch hinter der lauten, starken Fassade stecken im Grunde unsichere Menschen, die sich nach Anerkennung sehnen“, sagt Führungs- und Persönlichkeits-Coach Dr. Winfried Prost aus Köln. Die kleinste Kritik kann ihr zerbrechliches Ego zum Einsturz bringen. Wie ein trotziger Dreijähriger schnaubt der Choleriker dann seine ganze Wut in den Raum, beleidigt sein Gegenüber, wird unfair und verallgemeinernd. Eine ziemlich schwere Bürde für alle seine Mitmenschen.
Das hilft: Sind Choleriker in Fahrt, helfen weder warme Worte noch aggressiver Widerstand. Dagegen – und im Grunde gegen Einwände jeglicher Art – sind sie in so einem Moment schlicht immun. Prost wählt drastische Worte: „Einen Erbrechenden kann man nicht füttern.“ Jedes Argument prallt bestenfalls ab oder liefert schlimmstenfalls Nachschub für noch größere Gefühlsstürme. Da bleibt nur eins: abwarten und versuchen, die Verbal attacken nicht persönlich zu nehmen. Choleriker werden ihren Frust los und kochen dabei langsam runter. Ist das Trommelfeuer vorbei, ergreifen Sie das Wort. Aber Vorsicht! Bitte nicht in Glutnester, also heikle Themen, piken. Machen Sie stattdessen ein sachliches Gesprächsangebot, etwa so: „Ich verstehe, was dich aufregt. Lass uns jetzt mal zusammen nach einer Lösung suchen.“ Hat sich der Choleriker im Ton vergriffen, sollte er auch das einige Stunden nach dem Ausbruch erfahren. Mit abgekühltem Temperament ist Hitzköpfen unangebrachtes Verhalten nämlich meistens ziemlich peinlich. Und mit etwas Glück hören Sie dann sogar eine ehrlich gemeinte Entschuldigung.
"Sehen Sie sie als Geschenk"
Carin Cutner-Oscheja, Psychologin aus Hamburg, erklärt, wie Sie an schwierigen Menschen wachsen können
VITAL: Warum finden wir manche Leute „schwierig“?
Weil sie es immer wieder schaffen, negative Gefühle in uns auszulösen. Wir nehmen ihr Handeln persönlich, fühlen uns plötzlich angegriffen, verletzt, übervorteilt oder ausgenutzt. Es liegt also nicht nur an diesen Menschen selbst, sondern auch an unserem Umgang mit ihnen.
Also einen Bogen machen?
Ja. Wenn Sie jemanden absolut nicht ausstehen können, gehen Sie ihm aus dem Weg. Meiden Sie Menschen, die Ihnen Kraft und Energie rauben.
Und wenn das Verwandte, Kollegen, Nachbarn sind?
Dann müssen Sie versuchen, möglichst besonnen zu bleiben. Machen Sie sich bewusst, dass jede Verhaltensweise sinnvoll ist. Auch diese Menschen haben Gründe, so zu sein, wie sie sind. Niemand handelt ausschließlich aus böser Absicht, nur um sein Gegenüber auf die Palme zu bringen. Das im Kopf zu haben, macht vieles leichter, weckt sogar Verständnis und bisweilen Mitgefühl.
Was hilft noch?
Wenn ich merke, dass mir ein Mensch nicht guttut, gehe ich innerlich auf Abstand und frage mich: Was passiert hier gerade? So ordne ich meine Gefühle. Dann mache ich mir klar, was mich stört und was mir wichtig ist. Das schenkt mir Klarheit. Anschließend entscheide ich, ob ich etwas ändern kann. Was für eine Beziehung möchte ich mit dieser Person führen?
Welche Fähigkeiten verlangt das von mir? Das ist nicht immer leicht zu erkennen. Aber ich bin überzeugt: Schwierige Menschen und Situationen sind im Grunde ein Geschenk für unsere Persönlichkeit. Sie fordern uns heraus und helfen uns zu wachsen.