

Sinkende Östrogenproduktion
Bei Frauen lässt ab Mitte 40 die Östrogenproduktion nach, bis sie mit circa 55 Jahren ganz versiegt. Das weibliche Geschlechtshormon Östrogen wird vorwiegend in den Eierstöcken produziert und erreicht wie alle Hormone über die Blutbahn seine Bestimmungsorgane. Wie ein Schlüssel im Schloss dockt es dort an Rezeptormoleküle an und löst Reaktionen aus. Östrogen fördert die Reifung der Eizelle, die Durchblutung der Gebärmutter – und der Vaginalschleimhaut. Es sorgt für glatte Haut, volles Haar, eine hohe Knochendichte und unterstützt unser Gehirn in dessen Leistungsfähigkeit. Nahezu alle Organe besitzen Östrogenrezeptoren. Das Hormon scheint darum eine weitreichende Schutzfunktion gegen Schmerzen und laut einiger Studien auch gegen Darmkrebs und Alzheimer zu haben. Den Zustand eines vorübergehenden Östrogenabfalls kennt jede Frau, denn das ist es, was an den Tagen vor der Menstruation passiert. Der Hormonabfall vor der Periode führt bei drei von vier Frauen zu so starken Symptomen, dass von einem Prämenstruellen Syndrom (PMS) gesprochen wird, das mit Stimmungsschwankungen, Kopfschmerzen, Unterleibsbeschwerden und Mattheit einhergeht.
Hormonersatz: Aber bitte wohl dosiert
Bis vor circa zwölf Jahren war es vor diesem Hintergrund Usus, grundsätzlich jeder Frau ab Mitte 40 hoch dosiertes Östrogen oft über lange Jahre zu verabreichen. Es galt als Kunstfehler, das nicht zu tun. Dieses Vorgehen hat
Pille als Hormonlieferant
Keinen Kopf machen sich übrigens viele Frauen, die bis jenseits des 50. Lebensjahres die Pille einnehmen. Denn auch wenn die Östrogenproduktion nachlässt und die ersten Wechseljahressymptome eintreten, so kann dennoch vereinzelt ein Eisprung stattfinden – die Chance, schwanger zu werden, ist somit nicht ausgeschlossen. Die in der Pille enthaltenen Hormone Östrogen und Gestagen sind nicht viel anderes als die HET und verhindern naturgemäß Wechseljahresbeschwerden. Erst wenn die Frauen die Pille absetzen, machen sich die Symptome des Östrogenausfalls bemerkbar.
sich seit der Veröffentlichung von zwei großen amerikanischen Studien der „Women’s Health Initiative“ (WHI) 2003 grundlegend geändert. Die Ergebnisse zeigten, dass eine langfristige Östrogeneinnahme ein deutlich erhöhtes Brust-, Eierstock- und Gebärmutterkrebsrisiko bedeutet. Die Langzeitdaten der in der WHI untersuchten Frauen, 2013 im Fachmagazin „Jama“ von Forschern der Harvard University in Cambridge veröffentlicht, bestätigten die Risiken. Das Studienprofil ist heute nicht unumstritten (der Altersdurchschnitt der Teilnehmerinnen lag bei 60 Jahren, als sie für die WHI-Studie mit der Einnahme der Hormone begannen) – dennoch ist ein Rückgang der Östrogengabe seit Veröffentlichung der Daten um 75 Prozent zu verzeichnen.
Auch Olaf Ortmann, Gynäkologe an der Uni Regensburg und Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG), empfiehlt eine Hormonersatztherapie (kurz: HET) „... nur bei eindeutiger Indikation und in einer Entscheidung der Nutzen-Risiko-Abwägung mit der Patientin“.
So niedrig dosiert und so kurz wie möglich: Das ist die heutige Praxis der Verschreibung des Hormons, das aus dem Urin von schwangeren Stuten gewonnen wird. Frauenärzte berichten, dass nach Ausschluss von Risikofaktoren, wie z. B. einem genetischen Brustkrebsrisiko, eine Hormonersatztherapie durchaus eine Option sein kann. Diese Erfahrung bestätigt auch Melanie Henes, Frauenärztin in leitender Funktion in der Endokrinologie und an der Frauenklinik des Universitätsklinikums Tübingen: „Schon durch eine dreimonatige Hormonsubstitution beobachten wir eine Linderung oder völlige Beseitigung von Schweißausbrüchen und Schlafstörungen bei über 90 Prozent der Patientinnen.“ In Foren berichten viele Frauen, dass für sie die einmalige Unterbrechung der Symptome einem Luftholen gleichkomme. Allein durch die Tatsache, endlich wieder schlafen zu können, fänden sie überhaupt die Kraft, sich mental mit dem Eintreten in den neuen Lebensabschnitt auseinanderzusetzen.
Fit und entspannt durch die Wechseljahre
Im Schnitt nehmen heutige Frauen 29 Jahre lang die Pille ein, viele sind es dann einfach leid. Eine HET ist für sie dasselbe in Grün, oder sie möchten sich dem bekannten Krebsrisiko nicht aussetzen. Als Alternative gelten aus Pflanzen gewonnene Hormone mit östrogenartiger Wirkung, die Phytohormone. Auch wenn man die Fachtermini noch nicht benutzte, so werden seit vielen Jahrhunderten Frauen mit PMS, Wechseljahresbeschwerden und Fruchtbarkeitsstörungen zum Beispiel mit Extrakten aus der Yamswurzel in Südamerika, Afrika und der Karibik behandelt. Bekannt ist auch, dass Asiatinnen sowie auch Vegetarierinnen so gut wie nie unter Wech- seljahresbeschwerden leiden — vermutlich, weil Sojaprodukte in ihrem Speiseplan fest verankert sind. Diese enthalten das Phytohormon Isoflavon, dessen östrogen-ähnliche Wirkung bekannt ist.
Wechseljahre
Dennoch: Das Deutsche Krebsforschungszentrum warnt in einer Petition von 2011 eindringlich davor, dass eine Hormonersatztherapie langfristig einen Effekt auf das Zellwachstum von Schilddrüsen- und Brustgewebe haben könne.
Sport gegen Wechseljahrsbeschwerden
Alternativ oder in jedem Fall ergänzend zur Hormonfrage zählt regelmäßiger Sport in den Wechseljahren als wirkungsvollster Ansatz gegen Beschwerden. Sport senkt — da sind sich alle Studien einig — das Krebsrisiko, wirkt gegen Stimmungsschwankungen, Reizbarkeit, Kopfschmerzen und Schlafstörungen. Zusätzlich schützt regelmäßige Bewegung vor Diabetes, Osteoporose, Depression und Herz- und Kreislauferkrankungen. Und das alles nebenwirkungsfrei. Auch der Verzicht auf die Zigarette lindert Hitzewallungen und Schweißausbrüche. Meditation, Yoga, Tai-Chi oder Qigong verbessern die Achtsamkeit für den eigenen Körper und wirken stabilisierend auf die Psyche. Darüber hinaus verbessert sich der Schlafrhythmus. Bei zyklusabhängigen Kopfschmerzen und Migräne durch Hormonschwankungen empfiehlt Joel R. Saper vom Michigan-Institut für Kopfschmerz und Neurologie, Entspannungsverfahren wie Biofeedback und Yoga sowie einen absolut regelmäßigen Rhythmus: „Achten Sie darauf, jeden Tag zur selben Zeit schlafen zu gehen, aufzustehen und die Mahlzeiten einzunehmen. Das ist vielleicht nicht einfach, lindert aber die Schmerzen bei vielen Migränepatienten signifikant.“