Mit Trauer umgehen: Wie verarbeite ich einen Verlust?

Endlose Leere, Traurigkeit und Verzweiflung – wer trauert, kann sich kaum vorstellen, irgendwann wieder Glück und Freude zu empfinden. Wir haben mit Bea Engelmann, Psychologin und Expertin in Sachen Positive Psychologie, gesprochen. Im Interview erzählt sie uns, wie wir mithilfe der Glückspsychologie schwere Verluste und Trauer überwinden können.

vital.de: Sie beschäftigen sich mit der Glückspsychologie. Wie definieren Sie Glücklichsein?

Bea Engelmann: Seit Jahrtausenden ist es weder Philosophen noch Dichtern und Denkern gelungen, eine allgemeingültige Definition für das Glücklichsein zu finden. Glücklichsein ist ein sehr schönes Gefühl und etwas sehr Individuelles. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns mit unserem Glück beschäftigen und uns Zeit dafür nehmen, damit wir wissen, was genau uns glücklich macht und zu unserem Glück beiträgt.

Für mich persönlich ist Glück eine besondere Form von Selbstbewusstsein – im Sinne von „sich seiner selbst bewusst zu sein“. Es ist das Ergebnis einer Entscheidung und eines inneren Prozesses: Wie positiv schaue ich auf mein Leben? Ich liebe das Zitat von Nicolas Chamfort „Es ist schwer, das Glück in uns zu finden, und es ist ganz unmöglich, es anderswo zu finden.“

Ich unterscheide zwischen Glück haben und Glücklichsein. Auf das mit dem Glück haben, haben wir wenig bis keinen Einfluss, das ist beim Glücklichsein anders, weil wir hier mithilfe von sogenannten Glücksstrategien selbst etwas dazu beitragen können. Glücklichsein unterteilt sich in glückliche Momente einerseits und als Lebensgefühl und Zufriedenheit andererseits. Mich in meinem Leben zu Hause zu fühlen, bedeutet für mich Glücklichsein.

Inwieweit kann die Glückspsychologie dabei helfen, schwere Verluste und Trauer zu überwinden?

Glückspsychologie unterstützt Menschen darin, ein gutes Leben zu führen. Neben der Fokussierung auf unsere Stärken und positive Gedanken geht es darum, das Gute und auch die guten Gefühle im Leben zu vermehren.
In meinen Workshops erzähle ich den Teilnehmern von den sechs Basisemotionen: Trauer, Angst, Ekel, Überraschung, Wut und Glück. Ich erkläre ihnen, dass alle Gefühle ihre Berechtigung haben und gelebt werden wollen und auch dürfen. Ich bringe die Menschen dazu, sich mit ihren Gefühlen auseinanderzusetzen.

In Bezug auf Trauer und Verlust ist es mir wichtig zu betonen, dass es in jedem Leben solche Verluste gibt und wir den Umgang damit lernen können. Es geht um Akzeptanz einerseits und andererseits um Empathie mit uns selbst. Es geht nicht darum, Verluste so schnell es geht zu überwinden, sondern sich ehrlich mit sich und seiner Trauer auseinanderzusetzen. Das ist ein Prozess...

Wie kann ich trotz eines schweren Verlustes wieder Glück und Freude in meinem Leben zulassen?

Alles hat seine Zeit – ich finde es wichtig, sich zu erlauben, diesen Verlust zu betrauern und die damit verbundenen Gefühle zuzulassen. Sicher ist der Gedanke hilfreich, dass Gefühle koexistieren können.
Eine wunderbare Glücksstrategie ist die Dankbarkeit. Welche liebevollen Erinnerungen habe in an die Person? Warum ist es schön, gemeinsam ein Stück des Weges gegangen zu sein? Für welche Erlebnisse bin ich dankbar? Inwiefern hat dieser Mensch mein Leben ein bisschen schöner gemacht? Darauf würde ich mich konzentrieren.

Kann ein glücklicherer Mensch allgemeiner besser mit einem Verlust umgehen, als ein unglücklicherer Mensch?

So würde ich das nicht ausdrücken. Es geht vielmehr um Resilienz, auch Steh-Auf-Männchen-Mentalität genannt, also die Fähigkeit zu innerer Stärke. Menschen, die über ein hohes Maß an Resilienz verfügen, können aufgrund bestimmter Strategien leichter mit sehr belastenden Lebensumständen, Krisen und eben auch einem Verlust umgehen. Weil glückliche Menschen im allgemeinen resilienter sind, verfügen sie aller Voraussicht nach auch eher über sogenannte Coping-Strategien (Bewältigungsstrategien), mit deren Hilfe sie einen Verlust besser verarbeiten können.

Wann ist es Ihrer Meinung nach notwendig, sich professionelle Hilfe zu holen, um den Verlust und die Trauer verarbeiten zu können?

Ich glaube, dass hier jeder in sich hineinhorchen sollte. Niemand muss das allein „schaffen“ – es ist eine sehr einschneidende Erfahrung, bei der die Unterstützung durch einen Psychologen oder Coach so hilfreich und erleichternd sein kann. Ich würde mir wünschen, dass es ganz selbstverständlich ist, sich Hilfe zu holen, wenn es uns psychisch nicht gut geht – und wenn wir einen geliebten Menschen verlieren, ist das eine extreme Belastung. Ich empfehle jedem, nicht lange zu warten, sich Hilfe zu holen.

Glückspsychologin Bea Engelmann: „Trauer braucht ihre Zeit“

Bea Engelmann© Julia Engelmann
Bea Engelmann, Diplom-Psychologin und Expertin für den Bereich der sogenannten Positiven Psychologie.