Bio-Qualität

Ob Fleisch, Gemüse oder Kartoffelchips – es gibt heute kaum noch ein Produkt, das nicht in Bio-Qualität angeboten wird. Immer mehr Verbraucher greifen zu ökologisch erzeugten Lebensmitteln. Aber sind sie wirklich besser?

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Wer früher einen Schafwollpullover und Öko-Sandalen trug, war schon potenzieller Bio-Kunde. Heute steht der Porsche vorm Hofladen, und im Bio-Supermarkt kauft die ganze Familie ein. Bio-Lebensmittel sind in allen Schichten der Gesellschaft angekommen.

Bundesweit gibt es inzwischen mehr als 200 Bio-Supermärkte. 2007 wuchs die Bio-Branche erneut im zweistelligen Bereich: 15 Prozent mehr als im Vorjahr und 5,3 Milliarden Euro insgesamt gaben die Deutschen für Bio-Lebensmittel aus. Bio-Produkte gehören heute nicht nur zum Standardprogramm der Lebensmittelketten: Jeder Discounter hat inzwischen seine eigene Bio-Linie. Obwohl diese Produkte gerade mal 5 Prozent des Gesamtumsatzes der Lebensmittelbranche ausmachen, stellt sich unweigerlich die Frage, warum Bio so boomt. „Die meisten unserer Kunden kaufen Bio, weil sie sich gesund ernähren wollen“, sagt Bettina Zülow, Leiterin der Bäckerei auf dem „Bioland“-Hof „Gut Wulksfelde“ bei Hamburg. Aber auch die Lebensmittelskandale in den vergangenen Jahren führten viele neue Kunden zu ihr.

Damit ist der Beweggrund für „Bio“ heute ein ganz anderer als in den Anfängen im Jahre 1924. Damals hieß es: „Zurück zur Natur.“ Der Anthroposoph Rudolf Steiner führte mit seinen Thesen zu einem Umdenken in der Landwirtschaft. Bauern wollten Alternativen zum Kunstdünger, der nicht zur gewünschten Qualität führte. Ziel war es, auf jedem Hof einen in sich funktionierenden Kreislauf zu schaffen. Und nach diesem Prinzip wirtschaftet der Bio-Verband „demeter“ noch heute. So werden beispielsweise nur so viele Kühe aufgezogen,wie auch mit hofeigenen Futtermitteln versorgt werden können. „Nachhaltigkeit“ lautet die Devise.

Aber sind die Lebensmittel damit auch gesünder? Da Bio-Produzenten grundsätzlich auf Pestizide, Kunstdünger und Hormone verzichten, sind ihre Lebensmittel in der Regel frei von gesundheitsschädlichen Stoffen. Dass auch hier gelegentlich Spuren von Pestiziden vorkommen können, erklärt Katja Niedzewsky, Pressesprecherin beim Bundesverband Naturkost Naturwaren, so: „Bio-Produkte werden nicht unter einer Glasglocke angebaut. In der Umwelt sind Pestizide allgegenwärtig und können damit natürlich auch in geringen Mengen über Boden, Luft und Wasser aufgenommen werden.“

Fakt ist, dass Bio-Produkte gleich doppelt kontrolliert werden: zum einen von der staatlichen Lebensmittelüberwachung, zum anderen von den Öko-Kontrollstellen. Damit ist die Chance sehr hoch, belastete Produkte sofort zu finden. Der umstrittene Einsatz von Gentechnik ist bei Bio grundsätzlich verboten. „Wenn man annimmt, dass Gentechnik ein Risiko darstellt, schließt Bio das in jedem Fall aus“, erklärt Privatdozent Dr. Johannes Kahl von der Uni Kassel. Er versucht, in seinen Forschungsprojekten Methoden zu finden, die es möglich machen, die inhaltliche Qualität und die Vitalität unterschiedlich angebauter Lebensmittel zu vergleichen. Langjährige Studien, die einen höheren Nährstoffgehalt in Bio-Obst und -Gemüse bestätigen, fehlen aber. Anders bei Bio-Milch. Hier zeigt eine Greenpeace-Studie, dass Biomilch mehr herzschützende Omega-3-Fettsäuren als konventionelle Milch enthält. Fressen die Kühe viel Grünfutter, ist der Anteil wertvoller Fettsäuren höher.

Aber Bio will mehr als nur gesund zu sein. Wo nach Bio-Richtlinien gearbeitet wird, gibt es keine Massentierhaltung, die Umwelt wird geschont. „Mit dem Kauf von nur einem Liter Bio-Milch lassen sich ein Jahr lang 2,5 Quadratmeter Weidefläche ökologisch bewirtschaften“, nennt „Bioland“- Pressesprecher Ralf Alsfeld Zahlen, die die Nachhaltigkeit verdeutlichen.

Genau vor diesem Hintergrund müsse man auch den Preis für Bio-Produkte betrachten. „Die Frage ist nicht, warum Bio teurer ist“, sagt Ralf Alsfeld, „sondern warum konventionelle Erzeugnisse so billig sein können.“ Die niedrigen Preise enthalten nämlich nicht die ökologischen Folgekosten für Trinkwasser- und Bodenverschmutzung. Im Bio-Bereich fallen diese Probleme gar nicht erst an. Aber: Die umweltschonende und tiergerechte Landwirtschaft ist kosten- und arbeitsintensiver.Trotzdem geben Haushalte, die viel Bio kaufen, nicht unbedingt mehr Geld aus. Das ergab eine Untersuchung der Uni Stuttgart-Hohenheim. Grund: Sie kaufen bewusster ein. Es stehen weniger Fleisch, Süßigkeiten, Alkohol, Fertiggerichte und Genussmittel auf dem Einkaufszettel.

Ob es vor diesem Hintergrund sinnvoll ist, dass mehr und mehr Bio-Tiefkühl- und Convenience-Produkte wie Pizza, Pudding oder Kartoffelchips auf den Markt kommen, bleibt abzuwarten. Auch hierfür werden ökologische Rohstoffe benötigt – und die sind knapp. Mittlerweile stammen schon 30 Prozent der Bio-Lebensmittel, die in Deutschland verkauft werden, aus dem Ausland: Bio-Milch kommt zunehmend aus Österreich und Dänemark, Kartoffeln und Getreide werden in Polen angebaut. Gemüse und Obst wachsen in Italien und Spanien. China und Argentinien gehören einem Bericht der UN-Ernährungsorganisation FAO zufolge heute zu den Ländern mit der größten ökologisch bewirtschafteten Fläche. Gefolgt von Uruguay, Brasilien und Mexiko.

Woran liegt es aber, dass vor unserer eigenen Haustür nur 873 000 Hektar von 18 046 Bio-Betrieben biologisch bewirtschaftet werden? Gerade mal 5,3 Prozent der gesamten Agrarfläche! „Grund für das zögerliche Verhalten vieler Bauern ist die zweijährige Umstellungszeit“, erklärt Ralf Alsfeld. In diesen beiden Jahren wird schon nach den kostenintensiven Regeln des Bio-Anbaus gearbeitet, die Erträge dürfen aber nicht als höherpreisige Bio-Ware verkauft werden. „Die Landwirte brauchen mehr finanzielle Unterstützung, zumal viele ihrer Zusatzleistungen allen zugute kommen“, fordert Ralf Alsfeld. Seit Januar 2007 fließen zwar wieder Gelder, aber acht Bundesländer haben die Fördermittel um mehr als 30 Prozent gesenkt. Tatsache bleibt: „Bio“ führt längst kein Nischendasein mehr. Mit Erfolg präsentiert die Supermarktkette „tegut“ (Bayern, Hessen, Niedersachsen, Thüringen) fast 2000 Bio-Produkte direkt neben konventioneller Ware. Ein grüner Punkt am Regal zeigt dem Kunden, wo er Fleisch, Fisch oder Kaffee in Bio-Qualität findet – und das im direkten Preisvergleich.

Letztendlich geht’s aber um mehr als Geld. „Bio“ bedeutet einen schonenden Umgang mit der Umwelt und damit mehr Gesundheit für Mensch, Tier und Natur. Dr. Johannes Kahl: „Jeder Verbraucher sollte sich fragen, was Essen für ihn bedeutet. Er sollte ein Lebensmittel als Wert für sein Wohlbefinden und für die Umwelt sehen.“

Hohe Pestizidwerte in Obst und Gemüse, Gammelfleisch und BSE lassen viele Verbraucher zu Bio-Produkten greifen.

  1. Gentechnik ist im ökologischen Landbaustrengverboten. Die Verbände setzen sich auch gegen die fortschreitende Gentechnik im konventionellen Anbau ein.
  2. Auf Pestizide wird beim Bio-Obst und -Gemüseanbau grundsätzlich verzichtet.
  3. In Bio-Produkten sind nur ein Zehntel der Zusatzstoffe erlaubt, die in konventionellen zum Einsatz kommen.
  4. Durch den generell niedrigen Wassergehalt haben Bio-Obst und -Gemüse oft mehr Geschmack und Aroma.
  5. Bio-Bauern handeln im Einklang mit der Natur und schützen damit die Umwelt.
  6. Bio-Lebensmittel werden doppelt kontrolliert: von der staatlichen Lebensmittelüberwachung und den Öko-Kontrollstellen.
  7. Biologisches Getreide wird weder gebeizt noch mit chemischen Pflanzenschutzmitteln gespritzt oder begast.
  8. Oberstes Gebot bei der Fleisch- und Wurstherstellung ist artgerechte Tierhaltung.
  9. Vorbeugende Antibiotika-Gaben bei Tieren sind nicht erlaubt. Krankheiten werden homöopathisch behandelt.
  10. Durch eine höhere Trockensubstanz und festeres Fruchtfleisch sind Bio-Obst und -Gemüse oft länger haltbar.