Hilft Melatonin-Spray beim Einschlafen?

Wer schlecht einschläft, nimmt ein, zwei Sprühstöße vom Melatonin-Spray und schlummert dann fröhlich ein? Ganz so einfach ist es leider nicht. In unserem Artikel erklärt Mediziner Wolf-Oliver Krohn, wie er Melatonin Schlafspray einordnet.

Frau nutzt Nasenspray© iStock/dmphoto
Hilft Melatonin-Spray wirklich beim Einschlafen?

Immer mehr Menschen in Deutschland leiden unter Schlafstörungen. Schuld an den Schlafproblemen ist oft Stress. Aber auch Jetlag oder eine falsche Ernährung können für Durchschlafprobleme und einen verschobenen Schlaf-Wach-Rhythmus verantwortlich sein. Und wenn sie nachts wachliegen und nicht einschlafen können, suchen sich viele Betroffene Helfer, die einfach und ohne Rezept in der Apotheke erhältlich sind. Ein Melatonin Schlafspray verspricht bei Einschlafproblemen schnelle Hilfe beim Schlafengehen.

Melatonin ist unser körpereigenes Schlafhormon. Es wird zu Einschlafzeit ausgeschüttet, wenn es Nacht wird und signalisiert unserem Körper, dass es Zeit ist ins Bett zu gehen. Doch können uns künstliche Melatonin-Präparate wie Melatonin Schlafspray wirklich beim Einschlafen helfen? Sie sollten der „Einschlafhilfe“ durchaus skeptisch gegenüber stehen.

Die Aufgaben von Melatonin in Ihrem Körper

„Melatonin ist ein Hormon aus der Zirbeldrüse im Gehirn und steuert den Schlafrhythmus“, erklärt Experte Wolf-Oliver Krohn kurz und knapp die Funktionsweise des Schlafhormons.

Sobald es Nacht wird, wird Melatonin direkt und in immer höherer Dosis ins Blut abgegeben – damit regelt es den Tag-Nacht-Rhythmus unseres Körpers. Produziert wird es aus dem als Glückshormon bekannten Serotonin. Zusammenfassend heißt das: Melatonin steuert, ob Sie wach sind oder müde, es regelt Ihren Schlaf und fördert die nächtliche Schlafbereitschaft.

Die Melatoninproduktion läuft in der Regel zwischen 21 und 22 Uhr abends an. Am meisten wird zwischen drei und vier Uhr nachts ausgeschüttet. Zwischen acht und neun Uhr morgens stellt unser Körper bei normalem Rhythmus die Produktion für den Rest des Tages erst einmal ein.

Künstliches Melatonin kann helfen – muss aber nicht

Als Tablette mit langsamer Freisetzung ist Melatonin bereits seit vielen Jahren als Nahrungsergänzungsmittel in Europa zugelassen. Die Wirkung der Produkte bei einer Anwendung sind aber eher gering und klinisch kaum relevant. So zeigte eine Metaanalyse aus 19 Studien ein im Durchschnitt um sieben Minuten rascheres Einschlafen und eine um nur 8,5 Minuten erhöhte Schlafdauer.

Für die Schlafqualität wurden keine Veränderungen beobachtet“, weiß der Fachmann Wolf-Oliver Krohn, der auch deutlich macht: „Inwieweit sich diese Ergebnisse durch die Formulierung als Nasenspray verändern, ist fraglich. Es gibt zwar Hinweise darauf, dass es zu einer besseren Aufnahme von Melatonin über die Nasenschleimhaut kommt. Allerdings scheint die Wirkung nicht von der Höhe der verabreichten Dosis abzuhängen und kann durch viele andere Faktoren wie Körpergewicht, Nikotinkonsum oder Koffein moduliert werden. Zudem gibt es von Mensch zu Mensch große Unterschiede in der Wirksamkeit.“

Und Somnologe Dr. Hans Günter Weeß gibt zu bedenken: „Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass in freiverkäuflichen Produkten eine sehr geringe Menge Melatonin enthalten ist, muss man sich fragen, wie diese geringe Dosierung eine Wirkung haben sollen. Die Wirkung der Produkte geht über ein Placebo nicht hinaus.“ 

Die Wirkung von Melatonin Schlafspray

Nicht nur Melatonin-Spray ist frei zu erwerben. Das Hormon findet inzwischen auch in Tabletten-, Pillen- und Dragee-Form Anwendung. Sogar als Kau- und Weingummi ist Melatonin erhältlich. Das macht das Hormon als Präparat aber nicht wirksamer. Dabei fehlt es nicht an Studien – nur die Wirksamkeit konnte bisher nicht nachgewiesen werden.

Grund dafür könnte die sogenannte Blut-Hirn-Schranke sein. Sie verhindert, dass Stoffe in unserem Blut ungehindert in unser Gehirn wandern können. Künstliches Serotonin überwindet diese Schranke beispielsweise nicht. So könnte es auch mit Melatonin sein. Oder zumindest teilweise, denn künstliches Melatonin zeigt durchaus leichte Wirkung, allerdings erst ab einer Dosis von drei Milligramm. Diese Menge ist jedoch verschreibungspflichtig.

Eine gute Nachricht gibt es aber. In manchen Momenten kann künstliches Melatonin doch helfen (beispielsweise bei Jetlag). Bei Jetlag gibt es übrigens ganz spezielle Regeln, wann genau das Melatonin eingenommen werden sollte, da sonst mit keiner Wirkung zu rechnen ist.

Darauf sollten Sie beim Kauf von Melatonin- Schlafspray achten

Wer trotzdem einmal ein Melatonin-Spray zum Schlafengehen ausprobieren möchte, sollte sich das Produkt in der Apotheke kaufen, sich beraten lassen und die Packungsbeilage genau lesen. Grundsätzlich sind die Sprays flexibel in der Dosierung. Die meisten Sprays enthalten 1 mg des zugesetzten Schlafhormons. Je nach Herstellerangaben sprühen Sie mehrere Sprühstöße in Ihre Nase oder Ihren Mund, um eine Wirkung zu erzeugen. Achten Sie darauf, dass das Spray nicht zu viele verschiedene Inhaltsstoffe enthält, da ansonsten das Risiko für Nebenwirkungen steigt.

Wer das Melatonin-Spray selten benutzt, sollten Sie den Sprühkopf nach jedem Gebrauch reinigen und auf die Angaben zur Lagerung des Herstellers achten. Mittlerweile gibt es Melatonin-Spray auch zum Sprühen in den Mund. Hier bleibt der Sprühkopf frei von jeglicher Berührung und muss nicht gereinigt werden. Einfach ein, zwei Sprühstöße in den geöffneten Mund sprühen.

Wann soll ich Melatonin-Spray nehmen?

Die Einnahme von Melatonin-Spray sollte frühestens eine halbe Stunde vor dem Schlafengehen erfolgen. Nutzen Sie es früher, kann es sein, dass Sie die Einschlafzeit nach vorne verlegen und Sie schon müde werden, obwohl Sie noch gar nicht schlafen wollten. Haben Sie eine Einschlafzeit für sich ausgesucht, können Sie das Spray kurz vorher einnehmen. Häufig reicht die Einnahme von zwei Sprühstößen vom Schlafspray, was einem Melatonin-Anteil von etwa einem Milligramm entspricht.

Nebenwirkungen von Melatonin-Spray

Generell sind die Melatonin-Präparate gut verträglich, allerdings ist es wichtig, dass Sie sich an die Herstellerangaben halten, was die Menge des eingenommenen Melatonins angeht. Wer es mit der Einnahme von Melatonin Schlafspray übertreibt – insbesondere bei rezeptpflichtigen Produkten –, bei dem können Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Nervosität, Bauchschmerzen, Verdauungsstörungen sowie Magenbeschwerden oder trockene Haut und andere Hautprobleme auftreten. Auch Menschen mit Depressionen sollten bei einer Einnahme vorsichtig sein, da Melatonin bestehende Beschwerden verschlimmern kann.

Eignet sich Melatonin Schlafspray für Kinder?

Nein, keinesfalls! Melatonin-Spray unterliegt keiner Arzneimitteluntersuchung, da Sprays als Nahrungsergänzungsmittel und nicht als Medikament gelten, auch wenn sie nur in der Apotheke und im Drogeriemarkt gekauft werden können. Demnach können die Hersteller selbst entscheiden, welche Inhaltsstoffe noch in das Spray wandern. Zudem ist die Wirkung dieser Sprays ist noch nicht untersucht. Kinder, die unter Schlafstörungen leiden, sollten deshalb auf keinen Fall mit Melatonin-Spray behandelt werden, da die Nebenwirkungen noch völlig unbekannt sind.

Wenn Kinder nicht schlafen können, stehen sie meist unter Stress. Überlegen Sie dann lieber, wie Sie den Stress abbauen können, statt auf künstliche Präparate, wie ein Schlafspray, zurückzugreifen. Auch die Einnahme verschiedener Hausmittel zum Einschlafen kann helfen. Sollte alles nicht helfen und Ihr Kind weiterhin unter Schlafstörungen leiden, suche unbedingt einen Arzt auf. Ein Arzt kann Ihrem Kind notfalls ein richtiges Medikament verschreiben und kein „Nahrungsergänzungsmittel“.

Alternativen zu Melatonin-Spray

Melatonin Schlafspray ist nicht die einzige Möglichkeit schonend in den Schlaf zu finden. Zwei weitere Präparate versprechen schnelle Abhilfe auf natürlichem Wege. Auch sie sollten erst kurz vor dem Schlafengehen eingenommen werden.

  • Lavendel: Ob als Tee, Tablette, Pille oder Duftöl – Lavendel gilt als probates Mittel bei leichten Schlafproblemen und ist in Drogeriemärkten frei erhältlich. Allerdings ist auch bei Lavendel die Wirkung nicht geklärt.
  • Baldrian: Im Gegensatz zu Lavendel wurde die Wirksamkeit von Baldrian zumindest teilweise nachgewiesen. Allerdings braucht es auch hier noch viele weitere Studien. In seiner höchsten käuflichen Dosierung kann Baldrian bei leichten bis mittleren Schlafstörungen helfen. Doch Vorsicht: Baldrian hat auch Nebenwirkungen. 
  • Passionsblumenextrakt: Passionsblumenextrakt gilt ebenfalls als vielversprechende Option zur Förderung des Schlafs, insbesondere aufgrund seiner entspannenden und beruhigenden Eigenschaften. Die darin enthaltenen Flavonoide, eine Gruppe von sekundären Pflanzenstoffen, haben das Potenzial, stressreduzierend zu wirken. Diese Stressminderung kann eine wichtige Rolle bei der Verringerung von Schlafstörungen spielen, die häufig mit anhaltendem Stress und Anspannung verbunden sind. Passionbsblumenextrakt wird häufig mit den ähnlich wirkenden Heilfplanzen Baldiran oder Hopfen kombiniert.

Melatonin wird nicht von Krankenkassen übernommen

Am 13. Juni 2022 trat der Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) in Kraft, nachdem Präparate mit Melatonin nicht von den Krankenkassen übernommen werden müssen, egal, ob als Schlafspray, als Tablette oder Weingummi. Damit müssen auch rezeptpflichtige Medikamente mit Melatonin vom Patienten selbst übernommen werden. Der Grund: Es gibt keine ausreichenden evidenzbasierten Daten, dass Melatonin oral eingenommen einen Effekt bei Schlafstörungen hat.

Ausgenommen sind die Präparate Circadin® und Slenyto®, die bereits in den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherungen aufgenommen wurde.

Der Neurologe Dr. Wolf-Oliver Krohn engagiert sich als Patientenberater für die Deutsche Hirnstiftung (www.hirnstiftung.org) – das ist eine gemeinnützige Organisation, die über neurologische Erkrankungen aufklärt und Patienten bei medizinischen Fragestellungen weiterhilft.

Dr. phil- Dipl.-Psych. Hans Günter Weeß ist Psychotherapeut, Somnologe und Leiter der Schlafmedizinischen Abteilung des Pfalzklinikums Klingenmünster. An der Universität Koblenz- Landau (WIPP) ist er als Dozent tätig und seit 2008 Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin.

Quellen: