Selektive Essstörung: Wenn Menschen sich nur noch von einem Lebensmittel ernähren

Wenn Menschen zwanghaft nur ganz bestimmte Lebensmittel essen, spricht man von einer selektiven Essstörung. Was es damit auf sich hat, Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten erfahren Sie hier.

Mann in gelben Hemd sitzt an gelben Tisch und isst Pommes© pexels/KoolShooters
Mit selektiver Ernährung meiden Menschen einen Großteil der Lebensmittel und ernähren sich enorm einseitig und unausgewogen.

Was ist eine selektive Essstörung?

Selektives oder restriktives Essverhalten beginnt meist im Kindesalter und setzt sich bis ins Erwachsenenalter fort

Im Gegensatz zu normalem wählerischen Essverhalten ist die Lebensmittelauswahl bei der selektiven Essstörung extrem eingeschränkt, was zu Nährstoffmängeln führen kann. Dabei verursachen 

  • Ekel vor bestimmten Lebensmitteln
  • Angst vor bestimmten Texturen
  • das Aussehen der Nahrungsmittel 
  • sensorische Eigenschaften des Essens

eine besondere Rolle für Betroffene. Diese Eigenschaften verursachen eine mentale Blockade, die Betroffenen daran hindert, bestimmte Lebensmittel zu essen. Manche Betroffene essen nur noch so wenig, dass sie stark an Gewicht verlieren. Wie das Leben mit einer selektiven Essstörung aussehen kann, zeigt dieses Video von reporter, einem Format des WDR.

Das sind die möglichen Symptome einer selektiven Essstörung

In der in Deutschland angewendeten Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) wird die selektive Essstörung bisher nicht klassifiziert. Im US-amerikanischen System wird die Essstörung allerdings im dort verwendeten DSM-5 klassifiziert und diagnostiziert.

Im DSM-5 wird die Störung als "avoidant/restrictive food intake disorder" bezeichnet. Die Abkürzung ARFID ist geläufig. In den USA werden unter anderem folgende Symptome für die Essstörung genannt:

  • extrem stark begrenzte Auswahl an konsumierten Nahrungsmitteln
  • starker Gewichtsverlust
  • dauerhafte Verdauungsprobleme und -beschwerden bei der Nahrungsaufnahme
  • verringerter Appetit
  • Angst, an bestimmten Nahrungsmitteln zu ersticken oder sich nach dem Konsum erbrechen zu müssen
  • körperliche Anzeichen von Nährstoffmangel (betreffend Haut, Haare, Immunsystem)

Die Diagnose von selektiver Essstörung erfolgt laut DSM-5 nur, wenn andere Essstörungen wie Bulemie oder Anorexie ausgeschlossen werden können und auch Medikamenten- oder Drogenmissbrauch als Auslöser der selektiven Mangelernährung nicht in Frage kommen. 

Ursachen der selektiven Essstörung

Die Ursachen einer selektiven Essstörung sind häufig ungeklärt und den Betroffenen selbst nicht unbedingt bewusst. Unabhängig von der jeweiligen Ursache kann es Betroffenen jedoch helfen zu wissen, dass es das Krankheitsbild der selektiven Essstörung überhaupt gibt, dass sie nicht die einzigen Betroffenen sind und dass es Behandlungsmöglichkeiten, z.B. in Form einer psychotherapeutischen Behandlung, gibt.

Zu den möglichen Ursachen gehören:

  • Störungen der Sinnesverarbeitung
  • Traumatische Erlebnisse mit einem bestimmten Lebensmittel durch
    • Koliken im Säuglingsalter,
    • überempfindliche Geschmacksnerven,
    • Verschlucken.

Falls Sie oder Personen in Ihrem Umfeld von einer Essstörung betroffen sind oder möglicherweise sein könnten, finden Sie hier entsprechende Hilfsangebote der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

Kind guckt Teller mit Gemüse sehr skeptisch an© iStock/Courtney Hale
In einer Studie von 2017 wurde festgestellt, dass selektive Essstörungen bei Kindern offenbar häufig vorkommen, als bisher angenommen.

Selektive Essstörung bei Kindern

ARFID oder selektive Essstörung wird im angelsächsischen Gesundheitssektor erst seit einigen Jahren diagnostiziert. Da das Krankheitsbild zuvor nicht beschrieben wurde, gab es bisher natürlicherweise auch keine Erkenntnisse darüber, wie viele Menschen in der Bevölkerung betroffen sein könnten. 

In einer Studie von 2017 beschrieben die Autor:innen verschiedene aktuelle Umfragen und Auswertungen aus unterschiedlichen Regionen der Welt. 

  • Laut Umfrage wären unter Grundschulkindern in der Schweiz etwa 3,2 Prozent der Kinder von ARFID betroffen
  • Klinische Studien in Nordamerika zeigten, dass scheinbar zwischen 7,2 und 17,4 Prozent der Patient:innen in Krankenhäusern die Kriterien für selektive Essstörung erfüllten
  • Laut einer Cluster-Studie aus Australien, Kanada und dem Vereinigten Königreich könnte die Diagnose ARFID bei 25 bis 34 Prozent der Kinder gestellt werden

Selektive Essstörungen bei Kindern scheinen also viel häufig vorzukommen, als bisher gedacht. Bei vielen Kindern treten Phasen auf, in denen sie sehr restriktiv essen. Für gewöhnlich normalisiert sich das Essverhalten von Kindern aber mit der Zeit von ganz allein. Sie werden dann experimentierfreudiger und lassen mehr und mehr Lebensmittel im Speiseplan zu.

Bei wie vielen Kindern aber aus "Mäkeligkeit" eine selektive Essstörung wird – und bei wie vielen diese Essstörung bis ins Jugend- und Erwachsenenalter bestehen bleibt – ist nicht bekannt.

Wie wird selektive Essstörung behandelt?

Ernährungsberatung: Ein qualifizierter Ernährungsberater kann helfen, die Ernährung des Betroffenen zu analysieren und alternative Nahrungsquellen zu identifizieren, um sicherzustellen, dass alle notwendigen Nährstoffe abgedeckt sind.

Verhaltenstherapie: Eine kognitive Verhaltenstherapie kann helfen, negative Gedankenmuster und Ängste im Zusammenhang mit dem Essen zu identifizieren und zu ändern. Dies kann durch Expositionstherapie erreicht werden, bei der der Betroffene schrittweise an neue Lebensmittel herangeführt wird.

Familientherapie: Da die selektive Essstörung oft im Kindesalter beginnt, kann eine Familientherapie hilfreich sein, um das familiäre Umfeld zu unterstützen und Strategien zu entwickeln, um den Betroffenen bei der Überwindung der Essstörung zu helfen.

Medikamente: In einigen Fällen können bestimmte Medikamente, wie zum Beispiel selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs), verschrieben werden, um Angstzustände oder andere zugrunde liegende psychische Probleme zu behandeln, die mit der selektiven Essstörung einhergehen können.

Quellen: bzga-essstoerungen.de, bel.jetzt