
Sandra war ein schwieriger Fall. Sie machte auf „null Bock“, schwänzte oft tagelang den Unterricht. Es hagelte blaue Briefe und Verweise, und weil alles nichts nützte, flog sie von der Schule. Dreimal. „Ich galt als unbelehrbar und unmotiviert“, sagt die heute 42-jährige Sandra Schürmann über ihre Schulkarriere. Dass sie den Unterricht einfach nur langweilig fand – „das interessierte niemand“.
Die Erinnerung, wie es sich anfühlt, von allen abgeschrieben zu sein, hat Sandra Schürmann nachhaltig geprägt. Für die zierliche Frau ist es so etwas wie ein Lebensthema geworden, gegen eingefahrene Muster vorzugehen, „immer wieder den Blickwinkel zu ändern“. Damit jeder eine Chance bekommt.
In Witten bei Dortmund leitet sie das Sozialunternehmen Projektfabrik, 2005 hat sie es gegründet. Mit dem Theaterkonzept JobAct hilft sie jugendlichen Hartz-IV-Empfängern: Unter der Regie eines Theaterpädagogen inszenieren 20 Arbeitslose ein Stück, kümmern sich von den Kostümen bis zur Werbung um alles.
Daneben arbeiten sie mit Bewerbungstrainern, um an Praktika und Lehrstellen zu gelangen. „Junge Menschen, denen vielleicht noch nie jemand was zugetraut hat, realisieren auf einmal, dass sie was auf die Beine stellen können“, sagt Sandra Schürmann. Und erzählt, dass auch sie fest an sich glaubte, als sie vor sieben Jahren die Idee zu JobAct hatte. „Ich verkaufte mein Auto, um Geld für die ersten Computer zu haben.“
Erlebnispädagogik statt Berufsschulkurs
Dass sie Sachen durchfechten kann, hat sie bewiesen. Nachdem Sandra Schürmann „die Kurve noch gekriegt hat“, absolvierte sie mit 21 ihr Fachabitur, danach ihr Studium, arbeitete als diplomierte Sozialarbeiterin in der Jobvermittlung. „Ich wollte die Selbst- und Sozialkompetenzen der jungen Menschen mit frischen Ansätzen fördern.“
Mit Kanutouren und Kletterausflügen – Erlebnispädagogik statt Berufsschulkurs. Das stieß auf Skepsis. „Ich musste kämpfen. Meine Ideen wurden von Vorgesetzten oft als Verschwendung öffentlicher Gelder abgetan.“ Nach der Geburt ihrer Tochter war ihr klar, dass sich was ändern musste. „Während meiner Babypause saß ich in einem Schülertheater, sah, mit welcher Energie die Kinder bei der Sache waren. Da wusste ich: Das ist es!“
Sandra Schürmann schrieb das Konzept zu JobAct, bot es sozialen Trägern an, „mit zögerlicher Resonanz“. Das änderte sich, als sie Anfang 2006 den „Förderpreis für Jugend in Arbeit“ gewann. Heute schaut sie mit ihrem 60 Mann starken Team auf über 100 Theaterprojekte zurück. Und auf große Erfolge: Gut 65 Prozent aller Teilnehmer finden dauerhaft einen Job oder holen ihren Abschluss nach, weit mehr als in den Maßnahmen der Arbeitsagenturen.
Für ihren Einsatz erhielt Sandra Schürmann vor eineinhalb Jahren das Bundesverdienstkreuz. „Auszeichnungen sind gut für die Sache“, sagt sie. Und an der denkt sie längst weiter herum. Das nächs te Projekt steht an: Im Herbst will sie eine Schule für Kreativität und Kommunikation eröffnen.