
VITAL: Nächstes Jahr feiert Ihre bekannteste Figur, die Ludwigshafener Tatort-Kommissarin Lena Odenthal, ihr 25jähriges Dienstjubiläum. Hat diese Rolle das Frauenbild im deutschen Fernsehen verändert?
Ulrike Folkerts: Ja, ich glaube schon. Mit Lena Odenthal ist damals ein neuer Typus aufgetaucht, eine burschikose, sportliche Frau, die glaubwürdig war und auch bald ihre Fans gefunden hat. Meine Vorgängerinnen in solchen Rollen hatten da deutlich mehr zu kämpfen – Nicole Heesters und Karin Anselm wurden einige Jahr zuvor noch richtiggehend angefeindet, es war einfach utopisch, dass eine Frau im Fernsehen Morde aufklärt! Das war mir zu Beginn meiner Tatort-Laufbahn gar nicht so bewusst, ich bin da eher unbekümmert herangegangen – zum Glück.
Verena Carl...
...ist Journalistin und Romanschriftstellerin. Sie schreibt unter anderem für VITAL, Petra, Eltern und die Welt am Sonntag. Ihr aktuelles Buch "Wer reinkommt ist drin" erschien im Eichborn Verlag. Gemeinsam mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern, 4 und 7, lebt sie in Hamburg. Mehr von ihr unter www.verenacarl.de
Was haben die Privatperson Ulrike Folkerts und die Figur Lena Odenthal gemeinsam?
Weniger, als die meisten glauben. Zwar hatte auch ich schon immer ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden, aber es wäre mir niemals eingefallen, zur Kripo zu gehen. Vor allem ist Lena eine extrem ehrgeizige Person, sie ordnet alles ihrer Arbeit unter, und wird dabei zur einsamen Wölfin. Da bin ich ganz anders, ich brauche Menschen um mich herum, Leben und Gesellschaft.
Und diese Rolle hat nie auf Sie persönlich abgefärbt?
Die Rolle nicht, aber es hat mein Leben sehr verändert, dass ich so in der Öffentlichkeit stehe. Immerhin sehen mich im Tatort sechs bis zehn Millionen Zuschauer, da wird jeder Schritt aufmerksam registriert. Manchmal führt das zu sehr komischen Situationen. Neulich habe ich einer Frau meine S-Bahn-Karte geschenkt, die noch gültig war, sie sah mich mit großen Augen an und flüsterte: „Danke, Frau Folkerts!“ Diese große Aufmerksamkeit ist durchaus anstrengend, aber ganz ehrlich: Wenn sie von einem Tag auf den anderen nicht mehr da wäre, wäre ich auch ganz schön irritiert.
Fällt es Ihnen schwer, auch mal eine völlig andere Person zu spielen?
Oh nein, ich liebe die Abwechslung! Gerade kürzlich habe ich am Landestheater Niederösterreich in einer Bühnenfassung des Films „Acht Frauen“ die Pierette gespielt, mit Singen und Tanzen – das war wie ein Befreiungsschlag für mich. Theaterspielen, das ist für mich ein Zurück zu den Wurzeln, Handwerk in Reinform. Auf der Bühne kann man sich nicht verstecken, muss viel mehr auf die eigene Sprechweise achten, man lässt sich ganz anders auf eine Figur ein. Und es ist ein ideales Training für die Filmarbeit.
A propos Training: Sie sind eine gute Schwimmerin, haben vor zehn Jahren bei den „Gay Games“ in Sydney mit Ihrer Schwimmstaffel sogar Medaillen abgeräumt. Ist der Ehrgeiz noch da?
Ach, das war schon damals eher Spaß als sportlicher Ehrgeiz. Ich war schon als Kind im Schwimmverein, später war ich Mitglied des schwul-lesbischen Schwimmvereins „Vorspiel“ in Berlin, da muss man sich nicht weiter qualifizieren, um an den Gay Games teilzunehmen. Aber weil ich beruflich so viel unterwegs bin, kann ich dem Vereinsleben nicht mehr gerecht werden, deshalb schwimme ich jetzt nur noch für mich allein, als Ausgleich.
MEIN VITALES GEHEIMNIS
„Ob daheim in Berlin oder auf Reisen, ich habe immer meine Turnschuhe dabei. Laufen ist eine tolle Energiequelle für mich: Kann man überall machen, entdeckt dabei seine Umgebung und kommt auch noch auf gute Gedanken. Oft murmle ich beim Joggen Text für eine Rolle vor mich hin und finde dabei heraus, ob es noch irgendwo hakt. Oder ich laufe gleich nach dem Aufstehen los und träume dabei noch ein bisschen weiter. Das ist eine Wohltat für Körper und Geist gleichzeitig.“
Der Berliner Verein kulturvoll e.V. bietet mit speziell konzipierten Ferien in den Bereichen Kunst und Kultur eine tiefgreifende Erfahrung, die junge Menschen in ihrer persönlichen Entwicklung stärkt, mutig macht und ihnen menschliche und soziale Werte vermittelt. kulturvoll e.V. vergibt die Ferien als Stipendien an kreativ begabte Menschen aus sozial benachteiligten Situationen. Ich genieße es, dabei zu sein, und für die meisten bin ich auch nicht die Tatort-Kommissarin aus dem TV, sondern einfach Ulrike. Viele von ihnen kennen mich gar nicht, die sind entweder zu jung für Fernsehkrimis oder schauen zu Hause nur fremdsprachige Sender.
Kinder stehen häufig im Zentrum Ihres Engagements. Bedauern Sie manchmal, dass Sie keine eigenen haben?
Nein, ich habe nie die Sehnsucht danach gehabt, schwanger zu sein, ein Baby zu bekommen. Und Adoption war für mich und meine Lebensgefährtin auch nie ein Thema. Aber ich finde Kinder toll und weiß wie sehr ein bisschen Unterstützung diese weiterbringen kann in ihrem Leben. Und ich sehe ja, wie viel sie zu geben haben, wie sie uns Erwachsene bezaubern und berühren.
Sie leben offen lesbisch, ihre Kommissarin hat gar kein Liebesleben. Wäre es nicht mal Zeit für eine lesbische Ermittlerin oder einen schwulen Kripo-Kollegen?
Das wird mit Sicherheit kommen, schließlich suchen die Sender nach immer neuen Nischen und neuen Typen für Formate wie den Tatort. Ich weiß, dass viele in der homosexuellen Community gerne eine lesbische Lena Odenthal sehen würden, aber nicht mit mir! Das ist mir zu nah an meinem eigenen Leben, und ich habe andere Ideen für meine Figur. Eines kann ich verraten: Lena bleibt hetero.