
Die Mutter kann einem leidtun. Zunehmend genervt versucht sie ihren dreijährigen Sohn in den Kidnersitz ihres Rücksitz zu hieven. Vergeblich. Der Junge wehrt sich mit aller Kraft und drückt mit einem einzigen schrill in die Länge gezogenen Wort seine tiefe Enttäuschung darüber aus, dass der Freizeitparkbesuch nun endet: "Neeeiiin!", schallt es über den Parkplatz. Kommt Ihnen die Szene bekannt vor? Aus zwei Gründen ist dies ein ideales Bei- spiel: Erstens zeigt sie, wie früh wir lernen, Nein zu sagen und zu begreifen, welche wichtige Funktion diese unscheinbaren vier Buchstaben für unser Seelenleben haben. Zweitens macht sie deutlich, wie gespalten unser Verhältnis zu diesem kurzen Wort später im Leben ist. Selbst wenn wir es nicht aussprechen, sondern andere nur dabei beobachten, wie sie ihr Gegenüber zurück- weisen, fühlen wir uns unwohl. „Vor allem Frauen, die eigene Bedürfnisse schlecht äußern können und wie Mutter Teresa immer erst an alle anderen denken, haben Probleme beim Neinsagen“, erklärt Diplom-Psychologin Ute Zander aus Taufkirchen. „Männer hingegen können oft bei Sachthemen gut Nein sagen, tun sich aber im Privaten, bei emotionalen Themen, schwer.
Lernen, Nein zu sagen
Denken Sie öfters mal an sich
Je häufiger wir Ja sagen, desto mehr verlieren wir unsere eigenen Ziele aus den Augen. Wir handeln nicht (mehr) so, wie wir es wollen und für richtig halten, sondern setzen einen Plan um, den andere ohne uns erarbeitet haben. Wir lassen uns fremdbe- stimmen, vermeiden Konflikte, obwohl uns gerade die zeigen könnten, wie belastbar unsere Beziehungen tatsächlich sind. „Zieht das Prinzip ,Anerkennung gegen Leistung‘ aus der Arbeitswelt auch in andere Bezie- hungen ein, ist das problematisch“, sagt Ute Zander. „Insofern ist ein Nein ein guter Lackmustest. Erträgt es der Partner nicht, wenn Sie Nein sagen, zeigt sich schnell, welche Konflikte sich da in Zukunft anbahnen.“
Lassen Sie die heiße Luft aus dem Problem! Kein Mensch kann überhaupt nicht Nein sagen. Vielmehr ist es so, dass uns diese vier Buchstaben unter gewissen Umständen, bei bestimmten Personen und Themen nur schwer oder gar nicht über die Lippen kommen. Überlegen Sie, welche Situationen das bei Ihnen sind. Und schreiben Sie auf, wann Sie schon ganz gut Nein sagen können. Das motiviert.
Bleiben Sie bei der Sache! Überlegen Sie: Was will der andere? Was wollen Sie? Wir neigen dazu, unser Gegenüber abzuwerten, so fällt es uns leichter, Nein zu sagen. Das ist menschlich, aber nicht förderlich. Der andere darf fragen, Sie dürfen Nein sagen. Bleiben Sie hart in der Sache, aber weich in der Formulierung.
Gewinnen Sie Zeit! Sagen Sie nicht sofort Nein, sondern hören Sie dem anderen zunächst aktiv zu. Das heißt: Fassen Sie sein Anliegen in Ihren Worten zusammen. So zeigen Sie ihm, dass Sie ihn verstehen, es Ihnen um die Sache geht und Sie ihn nicht als Person infrage stellen. Bitten Sie um Bedenkzeit. Nennen Sie einen konkreten Zeitpunkt – in fünf Minuten, in einer Stunde, morgen früh –, wann Sie sich äußern werden. Extrem selten geht es wirklich um Leben und Tod. Sie haben immer einen Spielraum.
Verpacken Sie den Widerspruch! Benutzen Sie wirklich das Wort Nein und formulieren Sie in einem Ich-Satz, warum Sie ablehnen und was Sie stattdessen als Alternative wollen. Hilfreich ist auch die Ja-nein-ja-Strategie: „Unsere Freundschaft ist mir wichtig.“ (Ja.) – „Aber nein, ich kann morgen nicht zur Feier kommen.“ (Nein.) – „Nächste Woche können wir gern zusammen ausgehen.“ (Ja.) Sie können auch auf andere Personen verweisen, sofern Sie nicht flunkern: „Ich hätte dir gern geholfen, aber ich habe schon X, Y, Z versprochen, dass ich sie heute unterstütze.“
Stoppen Sie das Karussell im Kopf. Immer wenn wir vor etwas Angst haben, hypnotisieren wir uns selbst in eine Art Problem-Trance: Wenn ich jetzt Nein sage – werde ich entlassen/verlässt er mich/redet sie nie wieder mit mir... Stopp! Machen Sie den Realitäts-Check. Wie oft ist das in der Vergangenheit wirklich passiert? In 99 von 100 Fällen geschieht – gar nichts. Im Gegenteil. „Ein gesundes und regelmäßiges Nein fördert die Beziehung. Wir werden ernster genommen“, sagt Ute Zander. Ihr Tipp: in eine Tabelle die kurzfristigen negativen und die langfristigen positiven Folgen eines Neins eintragen. Das ändert den Blickwinkel. „Es hilft auch, eine kurze Atemübung zu machen.“ Zum Beispiel: Augen schließen und fünf Züge tief in den Bauch atmen.
Lassen Sie sich nicht abbringen, auch wenn der andere ein Nein partout nicht hinnehmen will. „Je stärker der Wider- stand, desto sparsamer müssen Sie mit Ihrer Kommunikation werden“, rät Zander. „Wiederholen Sie Ihre erste Begründung wie eine Schallplatte mit einem Sprung. Im Notfall sagen Sie gar nichts mehr und brechen das Gespräch ab. Warten Sie damit nicht zu lange.“