
Der Tag im Büro war die Hölle. Fast die Hälfte der Kollegen ist krank, der Chef unerträglich gereizt und das Pensum kaum zu schaffen. Wenn sie ihm gleich zu Hause davon erzählt, wird er bloß wieder sagen: "Du wolltest diesen Job doch unbedingt. Deinen Stress hätte ich gern.“ Dann kein Wort mehr. Auch ihn belastet etwas, das spürt sie. Versucht sie aber, ihn danach zu fragen, weist er sie brüsk ab. Streiten sie mal nicht, gehen sie fast wie Fremde miteinander um. „Wo ist die Liebe geblieben?“, singt Andreas Bourani aus dem Autoradio. „Wir gehn auf anderen Wegen.“
So oder ähnlich läuft es in vielen Beziehungen. Die Zahlen dazu liefert die neueste „Studie zur Stresslage der Nation“, erstellt von der Techniker Krankenkasse (TK) in Hamburg. Demnach fühlen sich 57 von 100 Deutschen regelmäßig gestresst. Unter den Berufstätigen sind es sogar 70 Prozent, von denen zwei Drittel angeben, dass die Arbeit sie heute mehr belastet als noch vor drei Jahren. Da überrascht es nicht, dass der Beruf in der TK-Studie bei den Stressauslösern auf Platz eins landet, dicht gefolgt von (zu) hohen persönlichen Ansprüchen und privaten Konflikten.
Die Schutzmauern der Liebe
Stress taucht in unserem Alltag also schon lange nicht mehr nur kurzzeitig auf. (In dieser Form, z. B. als Lampenfieber, hilft er uns sogar, im entscheidenden Moment zu glänzen.) Nein, er ist zum lästigen Dauergast mutiert. Und: Er stellt zwar zunächst ein individuelles Problem dar, weil ihn jeder subjektiv anders und meist außerhalb der Partnerschaft durchlebt. Doch Paarforscher wie Prof. Guy Bodenmann von der Universität Zürich sind überzeugt, dass mittlerweile auch immer mehr Liebesbeziehungen am chronischen Alltagsstress zerbrechen. „Er korrodiert Partnerschaften – schleichend und lange Zeit unbemerkt“, erläutert der Experte. Ein Patentrezept für die Liebe werden Bodenmann und seine Kollegen in aller Welt vermutlich nie finden. Doch einige „Schlüsselqualifikationen“ bestätigen sich in Studien immer wieder: Glückliche Paare akzeptieren es, dass das rauschartige Verliebtsein irgendwann verebbt, weil sie sich schlicht aneinander gewöhnen. Trotzdem und gerade deshalb reden sie regelmäßig, kontinuierlich, wertschätzend und ehrlich darüber, wo der jeweils andere gerade gefühlsmäßig steht und was ihm fehlt. Beide Partner verbringen ausreichend Zeit ohne den anderen und schaffen gleichzeitig genug Freiraum für gemeinsame Erlebnisse und körperliche Nähe.
Chronischer Stress lässt jedoch dieses Miteinander bröckeln. Der überlastete Partner igelt sich ein, reagiert gereizt, stur, streitlustig, wirkt kraft- und lustlos. Damit frustriert und verletzt er den anderen. Was vielleicht als Stress im Job begann, endet als Beziehungsstress. Stehen beide Partner unter Druck, beschleunigt das den Prozess noch. Entweder weil sie dann, unbewusst, darum wetteifern, wer mehr Stress aushält, oder weil sie sich gegenseitig vorwerfen, im Alltag nicht tough genug zu sein. Studien zeigen außerdem, dass wir vor allem sehr unangenehme, lange nachhallende Stresserlebnisse in unsere Partnerschaft hineintragen. Dadurch kann der „große Knall“ noch wahrscheinlicher werden.
Wie reagieren Sie und Ihr Partner auf Stress? Das wichtigste Ergebnis vorweg: Sie können den „Stress-Spieß“ umdrehen. Jederzeit. Und das sogar gleich doppelt. Jeder für sich sowie gemeinsam als Paar.
Ein relaxter Partner bleiben
Das wirksamste Mittel gegen Stress heißt Entspannung. Planen Sie jeden Tag fünf bis zehn Minuten ein, in denen Sie keiner stört, sodass Sie Zeit haben zum Meditieren oder z. B. für eine Atemübung. Pflanzliche Arzneimittel können zusätzlich helfen. Hinterfragen Sie auch ehrlich die Ansprüche an sich selbst: Woher rührt Ihr Perfektionismus? Was tun Sie nur für sich? Welche Aufgaben könnten Sie abgeben? Zu wem sollten Sie ab sofort klarer und öfter Nein sagen? Ziemlich viele Fragen. Mit ihrer Hilfe beleuchten Sie in einem ruhigen Moment den Hintergrund Ihres Verhaltens.
Doch in einer konkreten Stresssituation springt im Gehirn ein „heißes System“ an. Starke Gefühle wie Angst, Hilflosigkeit und Wut führen Regie, wir verkrampfen innerlich, Tunnelblick, Herzklopfen ... Stopp! Dann helfen andere Fragen, das „kühle System“ wieder einzuschalten, sich zu beruhigen, logisch(er) zu denken, sich und die Situation mit Abstand zu betrachten. Fünf Fragen empfiehlt Prof. Guy Bodenmann: 1. Lohnt es sich, jetzt Stress zu empfinden? 2. Kann ich die Situation so verändern, dass der Stress nachlässt/verschwindet? 3. Muss ich etwas tun oder wendet sich die Lage von selbst zum Guten? 4. Weiß ich genug darüber, was auf mich zukommt und von mir erwartet wird? 5. Weiß ich es wirklich oder stressen mich bloß Gerüchte und Vermutungen? Nach diesem Check lässt der Stress oft schon spürbar nach. „Und erst dann sollten Sie sich an Ihren Partner wenden, um die Beziehung nicht unnötig zu belasten“, rät Prof. Guy Bodenmann.
Beim Reden mit dem Partner löst sich der Stress durch ein paar Tricks endgültig auf: Gliedern Sie das Gespräch gedanklich in drei Phasen. In der ersten berichtet der belastete Partner sachlich, aber gefühlsbezogen von seinem Problem. Dabei helfen konkrete, auf die Gegenwart bezogene Ich-Botschaften, etwa: „Ich habe mich heute Mittag mit meiner Kollegin Tanja gestritten. Ich bin immer noch wütend.“ Der andere Partner hört aufmerksam zu, fragt nach, bewertet nicht – Stress ist subjektiv! – und bietet am Ende seine Unterstützung an, z. B.: in den Arm nehmen, beruhigen, eine andere Perspektive aufzeigen, den Rücken stärken. In Phase drei sagt der gestresste Partner, ob und wie gut die Unterstützung geholfen hat. Je länger Stress eine Beziehung bereits belastet, desto ungewohnter fühlt es sich an, (wieder) so miteinander zu reden. Wie bei allen Entspannungsmethoden gilt auch hier: Übung macht den Meister. Wichtig ist, sich für Fehler zu entschuldigen – und sich Zeit zu nehmen. Für die Liebe.
Sanfte Hilfe mit starker Wirkung
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Atemübungen: Die meisten von uns atmen zu flach. Innerlich verspannten Menschen fällt es schwerer, ihre Muskeln zu entspannen. Weil das Ausatmen „ein Vorgang des Lockerns und Loslassens“ ist, wie die Autorin Barbara Lutz beschreibt, pusten wir mit der Luft auch Stress und Anspannung aus.
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Lavendel: Die zarte lila Blüte schafft es, dass die Gedanken vor allem bei nervösen Angstzuständen zur Ruhe kommen und Betroffene sich entspannen können. Das ätherische Öl des Arzneilavendels (z. B. „Lasea“, in Apotheken) stoppt die Reizüberflutung, und die Botenstoffe im Nervensystem regeln sich wieder auf ein gesundes Maß herunter – das belegen zahlreiche Studien.
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Rosenwurz: Der Extrakt aus der Rhodiola rosea (z. B. in „Rhodiolan“, in Apotheken) gehört seit Langem zur Heiltradition Skandinaviens. Die Substanz steigert die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit und macht generell widerstandsfähiger gegen Stress. Und das schon nach der ersten Einnahme, wie Wissenschaftler aus Wetzlar kürzlich nachweisen konnten.
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Geführte Meditation: Anklicken und entspannen: Von unserer Webseite www.vital.de können Sie ein exklusives Entspannungshörbuch gratis herunterladen. Die 15-minütige geführte Meditation „Kraft der Ruhe“ hilft loszulassen und sich wieder wohlzufühlen – für tiefe Ruhe und Gelassenheit.
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Achtsam sein: Viele Dinge erledigen wir nur so nebenbei. Mit mehr Achtsamkeit bleiben Sie mehr bei sich. Chancen bieten sich überall: Essen Sie langsamer, schmecken Sie die Aromen Bissen für Bissen. Oder beim Haarewaschen: Wie fühlt sich das Shampoo in der Hand und der Schaum auf dem Kopf an, wonach duftet es?
- Aktiv entspannen: Die Progressive Muskelrelaxation (PMR) nach Jacobson beruhigt über sanfte Körperarbeit: In Gedanken wandern Sie durch den ganzen Körper und spannen in einer bestimmten Reihenfolge alle Muskelgruppen an. Nach einer Haltephase von etwa 8–10 Sekunden entspannen Sie sie wieder. Viele Krankenkassen tragen die Kosten für diese Kurse.