Laut Experte: Die häufigsten Beziehungsprobleme während Corona

Laut Experte: Die häufigsten Beziehungsprobleme während Corona

Nicht nur die finanzielle Situation ist während der aktuellen Pandemie für viele Menschen schwierig. Sie kann auch für die Partnerschaft eine große Belastung darstellen. Wir haben mit einem Experten gesprochen und herausgefunden, welche Probleme durch die Krise entstehen können und, wie Paare es schaffen, gestärkt aus der Pandemie herauszugehen.

Laut einer Studie des Portals parship.de sind sich rund 27 Prozent der Menschen in Deutschland, die in einer Partnerschaft leben, unsicher, ob ihre Beziehung die Krise unbeschadet übersteht. Bei Paaren mit schulpflichtigen Kindern sind es sogar 38 Prozent. Während der Corona-Pandemie können innerhalb der Partnerschaft Probleme auftreten, die es sonst nicht gäbe. Wir haben mit einem Experten gesprochen und herausgefunden, welche Probleme das sind und wie Paare es schaffen, unbeschadet oder sogar gestärkt aus der Krise herauszukommen.

Eric Hegmann© Kathrin Stahl
Eric Hegmann, Paartherapeut, Single-und Parship-Berater und Gründer der Modern Love School

Vital: „Während der aktuellen Pandemie halten wir uns überwiegend zu Hause auf, viele Menschen arbeiten im Home Office. Wie schafft man es als Paar, diese Hürde zu überstehen?“

Die meisten Paare klagen darüber, dass sie im Alltag zu wenig Zeit miteinander verbringen. Deshalb erleben viele Paare die „Paarantäne“ auch nicht als Belastung, sondern sind im Gegenteil froh darüber, dass sie die Krise nicht alleine durchstehen müssen. Sich daran immer wieder zu erinnern, hilft auch in jenen Situationen, in denen unterschiedliche Wünsche aufeinanderprallen. Um aus dem Angriffs-Modus auszubrechen und wieder Empathie zuzulassen, hilft oft ein Satz wie: „Lass uns bitte so streiten, dass ich merke, dass du mich liebst.“

Vital: „Von welchen Faktoren hängt es ab, ob eine Beziehung durch die Pandemie gefährdet ist oder nicht?“

Zahlen bestätigen, vor allem Paare, bei denen vor der Krise bereits ungelöste Konflikte die Beziehung belasteten, waren besonders gefährdet. Hinzu kommt: In einer Krise möchten Menschen noch mehr als sonst den Eindruck bekommen, sie wären nicht alleine, ihr Partner würde sie schützen und gemeinsam wären sie stärker. Wird das nicht eingelöst, erleben die Partner die Krise als doppelt belastend, hat die Beziehung offenbar diese wichtige Funktion nicht erfüllen können und wird dann in Frage gestellt.

Vital: „Welche Probleme können innerhalb einer Partnerschaft momentan entstehen, die es sonst nicht gibt?“

Ganz vereinfacht gehen sich manche Paare schlicht auf die Nerven. Viele klagen zwar, sie würden zu wenig Zeit im Alltag miteinander verbringen, aber es begehrt sich immer leichter, was man nicht hat und wenn man es bekommt, stellt man fest, dass es doch nicht so toll ist wie erhofft. Tiefer betrachtet geht es aber oft um einen Konflikt über das Bedürfnis nach Nähe und Distanz. Viel Nähe vertragen Menschen nicht, denen ihre Autonomie und ihre Selbstbestimmung wichtiger ist als ein Partner, der immer für sie da ist. Oft sind diese mit Partnern zusammen, die sich viel Nähe wünschen. In der Paarantäne konnte jedoch das Freiheitsbedürfnis mangels Rückzugsmöglichkeit nicht erfüllt werden.

Vital: „Besteht aktuell ein größerer Bedarf nach einer Paar-Therapie?“

Ich bin gut ausgebucht und KollegInnen sagen mir, dass es ihnen ähnlich geht. Allerdings ist das zum Jahresbeginn immer so, weil zu guten Vorsätzen oft auch gehört, etwas für die Liebe und die Beziehung zu tun. Was ich aber deutlich feststelle: Mein Onlinekurs zur Verbesserung der Paarkommunikation in meiner Modern Love School wird erheblich häufiger gekauft und abgerufen. Ich sehe also durchaus einen starken Anstieg an Bedarf an Unterstützung.

Vital: „Während des Lockdowns hat die Zahl der Fälle mit häuslicher Gewalt zugenommen. Wie geht man am besten mit Aggressionen und Unzufriedenheit in der Partnerschaft um?“

Die Zahl hat Meldungen zufolge zugenommen und leider muss auch von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden von Fällen, die nicht gemeldet werden, weil auch dafür die Rückzugsmöglichkeiten fehlen. In jeder Stadt und auch bundesweit gibt es Beratungsstellen, die telefonisch und anonym erreichbar sind, die helfen bei einer Anzeige oder auch bei der Suche nach einem sicheren Ort. Sich selbst und vielleicht die Kinder in Sicherheit zu bringen, muss der erste Schritt sein. Die Beziehung zu retten versuchen, falls der gewalttätige PartnerIn bereit ist, bspw. eine Aggressionstherapie zu machen, lässt sich dann im zweiten oder dritten Schritt angehen.

Vital: „Welche Tipps würden Sie Paaren in der momentanen Situation geben?“

Legen Sie den Fokus auf die Möglichkeiten, die Sie haben und beschränken Sie sich nicht mit Gedanken, was Ihnen fehlt. Seien Sie dankbar dafür, dass Sie in einer Krise den geliebten Menschen an Ihrer Seite haben und als Team gemeinsam alles durchgestanden haben, was da kam und alles durchstehen werden, was noch kommt. Romantik ist vor allem Dankbarkeit für den gemeinsam erlebten Moment. Nichts ist wertvoller als Zeit. In diesem Sinn: verabreden Sie sich zu einer Date Night und machen Sie es sich schön.

Vital: „Eine unterschiedlich ausgeprägte Vorsicht in Bezug auf das Coronavirus birgt Streitpotential – wie können Paare damit umgehen?“

Krisen sind wie ein Brennglas für Verbindungen und Beziehungen. Hier wird anders gewertet, was wichtig ist und manche Konflikte anders gesehen. Da wird klar, es geht nicht um die Sachebene, sondern darum: Kann ich mich auf dich verlassen? Sind wir uns ähnlich genug? Nimmst du mich wahr? In einer solchen Situation, die ja von Angst geprägt ist, wird bewusst und unbewusst Bilanz gezogen. Macht mein*e Partner*in mir mit seiner Haltung Angst? Drücken seine Verhaltensweisen aus, dass er sich um andere Menschen sorgt und auch um mich? Oder erlebe ich sie als egoistisch und solidaritätsfern? Das bedeutet, die Krise zeigt ganz tiefe Emotionen – wenn die nicht zueinanderpassen, dann bereitet das große Sorge um eine gemeinsame Zukunft. Schließlich werden wir alle mal auf Unterstützung angewiesen sein. Habe ich den Eindruck, die wird mein*e Partner*in mir verweigern, dann geht das an die Grundfesten der Beziehung und kann nicht auf der Sachebene mit Argumenten, sondern nur auf der emotionalen Basis geklärt werden.

Vital: „Können Paare etwas Positives aus dieser Situation ziehen?“

Paare ohne ungelöste Konflikte sind durch die Krise sogar zusammengewachsen und ihre Verbindung wurde stärker und sicherer. Das ist wenig verwunderlich, denn gemeinsam durchgestandene, sehr bedrohliche Situationen schweißen zusammen, denn das Paar weiß, diese wurde gemeinsam bewältigt und das macht hoffnungsvoll, auch künftige Herausforderungen bestehen zu können. Machen Sie sich das bewusst und zeigen Sie einander Dankbarkeit.

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