Kampf gegen Viren und Bakterien

Kampf gegen Viren und Bakterien

Sie sind mit bloßem Auge nicht zu erkennen, tricksen unser Immunsystem aus. Doch im Kampf gegen Viren und Bakterien holt die Forschung immer mehr auf.

Im Reich der Winzlinge© yummy-Fotolia
Im Reich der Winzlinge

Erinnert sich noch jemand an die Schweinegrippe? Ein Jahr ist es her, dass das neue H1N1-Virus zum ersten Mal in Mexiko und den USA auftrat. Eine Horrormeldung jagte die andere. Zu spät, heißt es, kam ein Impfstoff auf den Markt. Dann gab es ihn, und plötzlich sprach man vom größten Menschenversuch aller Zeiten. Die Regierungen bestellten trotzdem Millionen Impfdosen – und blieben am Ende darauf sitzen, da die neue Grippe viel milder verlief als prophezeit. Außer Spesen also nichts gewesen?

Schön wär’s. Wissenschaftler gehen weltweit aber davon aus, dass ein Ereignis wie H1N1 möglicherweise nur der Auftakt zu einer ganzen Welle von neuen Infektionskrankheiten war. „Ein Grund dafür ist, dass immer häufiger ursprünglich nur bei Tieren beheimatete Krankheitserreger durch Mutation die sogenannte Artenbarriere zum Menschen überwinden“, sagt Prof. Helge Karch, Direktor des Instituts für Hygiene der Uni Münster.

Keine andere Lebensform ist so wandlungsfähig

Immer mehr Viren und Bakterien, die bislang lediglich Tiere krank machen, werden sich und ihre Strategie so verändern, dass sie am Ende auch unsere Abwehr austricksen können. Das hat nichts mit Schwarzmalerei zu tun. Keine andere Lebensform passt sich so schnell und perfekt an wie diese Winzlinge. Das neue Schweinegrippe- Virus veränderte sich so rasant, dass es bereits im Juni 2009, nur zwei Monate nach seinem ersten Auftreten, Fälle gab, bei denen das Grippemedikament „Tamiflu“ nicht mehr half. H1N1 war schon dagegen resistent geworden, wie Fachleute sagen. Das Gleiche stellen Ärzte auch zunehmend bei Bakterien fest. „Schon in ein bis zwei Generationen werden alle bekannten Antibiotika nichts mehr ausrichten können, weil bis dahin alle Erreger resistent sind“, warnt Prof. Martin Krönke, Direktor des Instituts für medizinische Mikrobiologie der Uni Köln. So taucht in Kliniken vermehrt der Keim MRSA auf, gegen den fast kein Antibiotikum mehr hilft. Der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) in Berlin kündigte zwar 2009 an, dass fünf neue Antibiotika gegen MRSA helfen werden. vfa- Geschäftsführerin Cornelia Yzer sagt jedoch auch: „Wichtig ist der verantwortungsvolle Umgang mit vorhandenen Präparaten.“ Das sagt sie nicht ohne Grund: 75 Prozent aller ambulant verordneten Antibiotika werden hierzulande allein bei Atemwegsinfekten eingesetzt. Tatsächlich haben aber 80 Prozent dieser Infekte keine bakterielle Ursache, zeigen Studien. Antibiotika sind da wirkungslos. Dazu kommt, dass viele Patienten Antibiotika nicht korrekt einnehmen. Die Folge: Weitere Resistenzen entstehen. Und das rasend schnell. Denn Bakterien verdoppeln ihre Biomasse innerhalb einer halben Stunde. Überlebensvorteile entstehen da im Minutentakt.

Weltweit suchen Forscher deshalb neue Wege, die raffinierten Winzlinge zu bekämpfen. Einerseits mit Wirkstoffen, die, anders als bislang, verhindern, dass sie unsere Zellen befallen. Andererseits mit Präparaten, die Teile unserer Abwehrkräfte gezielt stärken.

Fremdlinge bekämpft unser Immunsystem zweigleisig

Dazu gehört zum einen unser angeborenes Immunsystem: Fresszellen, die Krankheitserreger erkennen und vernichten. Zum anderen gibt es das adaptive Immunsystem, eine Art Erreger-Gedächtnis, das im Laufe des Lebens dazukommt. Lange vermutete man, dass es zwischen angeborener und adaptiver Abwehr keine Verbindung gibt. Jetzt fanden deutsche Forscher heraus: Unsere Fresszellen reichen mithilfe von sogenannten Toll-Like-Rezeptoren, kurz: TLR, Teile von unschädlich gemachten Erregern quasi weiter, um die adaptive Abwehr zu alarmieren. Erste neue Medikamente auf TLR-Basis gibt es bereits. Neuartige Impfstoffe, die sie gezielt anschubsen, werden erprobt.

Auch Viren und Bakterien haben eine Achillesferse

Ähnlich vielversprechend ist ein Weg, den Mitarbeiter des Berliner Max- Planck-Instituts für Infektionsbiologie entdeckten. Sie spürten unter den etwa 24 000 Genen des Menschen die 287 „Schalter“ auf, die Grippeviren brauchen, um sich in ihrer Wirtszelle zu vermehren. Auch diese „Schalter“ könnte man mit neuen Arzneimitteln gezielt hemmen. „Diese Strategie wird in Zukunft eine wichtige Rolle spielen“, sagt Prof. Thomas Meyer, Leiter des Berliner Forscherteams.

Bei Bakterien hat Prof. Thisbe Lindhorst vom Institut für organische Chemie der Uni Kiel eine vergleichbare Achillesferse aufgespürt. Dabei geht es um einen Prozess, den Fachleute Adhäsion nennen. Damit ist gemeint, dass sich Bakterien mit winzigen Fäden an der zuckerhaltigen Außenhülle ihrer Wirtszelle festhalten. Wie das geht, war lange ein Geheimnis. Jetzt ist zumindest klarer, wie der Zucker beschaffen sein muss, damit das Bakterium mitreisen kann, und – viel wichtiger! – wie man ihn z.B. medikamentös verändern müsste, damit das nicht passiert. „In Zeiten von Antibiotikaresistenzen ist das ein vielversprechender Ansatz“, sagt Prof. Lindhorst.

Die Forscher haben also aufgeholt. Das beruhigt. Doch bis all die neuen Medikamente marktreif sind, wird sicher noch Zeit vergehen. Gibt es nicht schon jetzt etwas Besseres als Antibiotika und Neuramidasehemmer wie „Tamiflu“? Gibt es! Vorbeugen und gezielt( er) behandeln. Das fängt damit an, mal wieder einen Blick in seinen Impfpass zu werfen und den Hausarzt zu fragen, welche Impfungen aufgefrischt werden müssen. Denn Krankheitserreger, die unsere adaptive Abwehr nach dem „kleinen Piks“ bereits kennt, sind keine Gefahr mehr. Vorbeugen bedeutet aber auch: wenn die nächste Grippewelle Deutschland erfasst, ein paar Hygieneregeln beachten. Alles mit scharfen Desinfektionsmitteln zu schrubben, ist damit nicht gemeint. Händewaschen mit Wasser und Seife reicht oft schon aus (siehe Tipps zur Hygiene) und stört auch nicht die gesunde Mikroflora auf unserer Haut. Dort sind Bakterien nämlich mal kein Fluch, sondern ein Segen, wie jetzt eine Studie der University of California belegt: Staphylokokken auf der Haut, fand ein Team um Dr. Richard Gallo heraus, verhindern gefährliche Entzündungen. Bei übertriebener Sauberkeit versagt dieser wichtige Schutzmechanismus jedoch. Neben ausreichendem Impfschutz und angemessener Hygiene kommt es in Zukunft aber vor allem darauf an, gerade Antibiotika nur dann einzusetzen, wenn es sinnvoll ist. Ein Bluttest (ca. 28 Euro) kann bei dieser Entscheidung helfen. Er erfasst die Konzentration von Procalcitonin (PCT), einem Entzündungsmarker, den der Körper freisetzt, falls Bakterien ihr Unwesen treiben. Je niedriger der PCT-Wert ist, desto sinnloser ein Antibiotikum. Fragen Sie Ihren Arzt danach!

Gegen pure Pflanzenkraft haben Viren keine Chance

Oder verlangen Sie gleich eine pflanzliche Alternative. Denn die Winzlinge machen vor der Flora nicht halt. Mit Schutzstoffen wehren sich viele Pflanzen dagegen. Und die, das zeigen immer mehr Studien, helfen auch uns. Dazu gehört z.B. ein Extrakt aus der südafrikanischen Kapland-Pelargonie. Er steigert die Interferon-Produktion. Das wiederum aktiviert unsere Killerzellen. Der Clou: Bislang ist noch kein Virus dagegen resistent. Auch gegen amerikanischen Wasserdost und den inzwischen standardisierten Pflanzenstoff Myrtol sind Bakterien und Viren noch immer chancenlos.

Daneben werden vor allem Kreuzblütler wie Meerrettich und Liliengewächse wie Aloe vera verstärkt unter die Lupe genommen. Sie enthalten sogenannte Glucosinolate, Senföle, die das Wachstum von Viren, Bakterien und Pilzen massiv hemmen. Resistenzen? Fehlanzeige! Und Nebenwirkungen wie Durchfall treten bei pflanzlichen Antibiotika ebenfalls nicht auf. Gegen Infektionen ist also tatsächlich mehr als ein Kraut gewachsen.



WIE VIEL HYGIENE IST SINNVOLL?

Bakterien und Viren sind hart im Nehmen. Sie vollständig zu entfernen – unmöglich. Sinnvolle Hygiene heißt deshalb: ihre Zahl auf ein gesundes Maß senken und ihre Ausbreitung vermeiden.

  • Öfter und mindestens 30 Sekunden lang Hände waschen. Wasser und einfache Seife reichen dabei völlig aus. Fingerkuppen und -zwischenräume nicht vergessen! Tipp: beim Waschen einfach eine Strophe „Alle Vögel sind schon da“ summen.
  • Wohn- und Büroräume regelmäßig lüften. Krankheitserreger bevorzugen es warm und feucht.
  • Beim Duschen und Baden eine schonende Waschemulsion mit einem pH-Wert von 5,5 verwenden. So wird der Säureschutzmantel der Haut nicht zerstört. Wichtig: nicht zu heiß (max. 37 Grad) und nicht täglich duschen.
  • Unterwäsche, Waschlappen, Dusch- und Badehandtücher bei 60 Grad waschen.
  • Nicht in die Hand, sondern in den Oberarm niesen oder husten.
  • Mit Erkältung oder Grippe zu Hause bleiben und auskurieren.

WELCHE IMPFUNGEN WERDEN EMPFOHLEN?

In Deutschland gibt es keine Impfpflicht. Das heißt: Jeder sollte mit seinem Arzt individuell besprechen, welche vom Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin empfohlenen Impfungen bei ihm wirklich nötig sind. Folgende Impfungen sollten Erwachsene ab 18 aber auf keinen Fall versäumen (weitere Infos unter www.impfen-aktuell.de oder www.rki.de):

  • Wundstarrkrampf (Tetanus): alle zehn Jahre auffrischen. Es gibt Kombi-Impfstoffe gegen Tetanus, Diphtherie, Keuchhusten und – bei Bedarf – gegen Kinderlähmung.
  • Diphtherie (bakterielle Infektion der Atemwege): alle zehn Jahre auffrischen. Es gibt kombinierte Impfstoffe (s. Tetanus).
  • Pertussis (Keuchhusten): alle zehn Jahre auffrischen. Das gilt besonders für Erwachsene mit Kinderwunsch bzw. engem Kontakt zu Kindern (z.B. Eltern, Großeltern).
  • Pneumokokken (Lungenentzündung): einmalige Impfung. Empfohlen ab 60 und bei Personen mit chronischen Krankheiten.
  • Influenza (echte saisonale Grippe): jährlich mit aktuellem Impfstoff. Empfohlen ab 60 und bei chronisch Kranken (z.B. Asthma).

Wichtig: Die Impfungen werden in der Regel von allen Krankenkassen bezahlt.

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