Frauen und ihre Heimat

Frauen und ihre Heimat

Wir alle gestalten uns unsere eigene kleine Welt. Im Mittelpunkt: individuelle Glücksvorstellungen, Wünsche und Sehnsüchte – ein Stückchen Heimat. Doch das klappt nicht immer reibungslos. Drei Frauen erzählen, wo ihr Ich zu Hause ist. Und wo nicht.

Rosa Bucheli, 52,lebt seit drei Jahrzehnten in einem Dorf am Rhein
„Vor 30 Jahren habe ich meine Wurzeln im Schwarzwald ausgegraben und nur 100 Kilometer weiter in Gailingen am Hochrhein neuen Boden für sie gefunden“, erzählt Rosa Bucheli.„Zwei Jahre später, ich war 24, haben mein Mann und ich auf unserem Hof unser eigenes Haus gebaut, unser Daheim. Diesen Ort könnte ich niemals mehr verlassen.“ Denn dieser Ort gibt ihr Ruhe, Kraft und Geborgenheit. Über die Jahrzehnte haben sie ihn gemeinsam geprägt und gestaltet, und das schafft tiefe Verbundenheit. „Unseren Biobauernhof erlebe ich als Gemeinschaft, in Harmonie mit Menschen, Tieren und Pflanzen. Es ist der Ort, an dem mein Herz sich wohlfühlt.“ Heimat – ein sehr großes Gefühl, das für Rosa Bucheli auch eine wichtige spirituelle Bedeutung hat. „Heimat heißt für mich Leben, Glaube und Hoffnung. Natur, aber auch Fantasie und Kunst.“ Und diese Heimatgefühle lebt die 52-Jährige nicht zuletzt in ihrem Garten aus: „Der beinhaltet viele Geschichten. So haben zum Beispiel etliche Steine aus der Umgebung bei mir im Garten eine neue Heimat gefunden.“ Eingebettet in Heilpflanzen, Blumen, Sträucher und Bäume. Dieser spezielle Ort auf ihrem Bauernhof bedeutet für sie auch, „der Seele Raum geben, sich treiben lassen“.

Heike Berdos, 39, Hoteldirektorin auf einem Kreuzfahrtschiff
„Meine Heimat? Das ist für mich die Weite des Meeres, die Menschen aus aller Welt“, sagt Heike Berdos. Seit 1994 verbringt sie zehn Monate des Jahres auf dem Schiff. Auch ihren Festlandswohnsitz hat sie am Mittelmeer gewählt: in Athen. Nach dem Fachabitur hatte die heutige Direktorin eines schwimmenden Luxushotels für ein Jahr auf einem Kreuzfahrtschiff als Hostess angeheuert – und entdeckt: Zu Hause ist da, wo die Wellen gegen den Bug klatschen, wo jeder Morgen einen neuen Hafen bringt. „Das Schiff, das einem ans Herz wächst.“ Die Kabine, das Team, mit dem man rund um die Uhr zusammen ist. Der kurze Weg ins Büro, „sieben Etagen mit dem Aufzug nach unten“. Die gebürtige Bonnerin, die in Algerien aufwuchs und später mit den Eltern in Kanada lebte, bevor sie in Deutschland eine Hotelfachschule absolvierte, liebt ihre Unabhängigkeit. „Familie gründen, sesshaft werden, das ist nicht mein Ding.“ Niemals Heimweh? „Nur ein bisschen, wenn ich an Weihnachten nicht zu meinen Eltern kann.“ Ein winziger Anflug von Wehmut, wäre da nicht die nächste Verlockung, die Aussicht auf Silvester in Rio.

Heimat erleben

1 Handspinnen lernen Kurse etwa in Bochum z. B. an jedem 2. und 3. Samstag im Monat. Infos: www.handspinnen.info oder Tel. 02 34/86 42 17. Preis: 50 Euro pro Person.

2 Altes Handwerk Die Domäne Dahlem, ein Freilandmuseum im Südwesten Berlins, bietet Kurse für Blaudrucken (täglich), Weben und Klöppeln (jeweils dienstags und donnerstags). Infos: www.domaene-dahlem.de oder Tel. 0 30/ 6 66 30 00. Preis: z. B. 200 Euro (Blaudruck-Kurs).

3 Bronzegießen, Kupfertreiben Das Haus für historisches Handwerk in Kempten/ Allgäu bietet ganzjährig Kurse an. Infos: www.haus-fuer-historisches-handwerk.de oder Tel. 08 31/5 12 16 47. Preis: ab 20 Euro pro Person.

4 Schwarzbrotbacken im Steinofen Das lernt man zum Beispiel im Museumsdorf in Cloppenburg. Infos: www.museumsdorf.de oder Tel. 0 44 71/94 84 48. Preis: Eintritt ins Museum 6 Euro, Backkurs 8 Euro.

5 Traditionelle Goldschmiedekunst

Fachfrau Ines Richter bietet in ihrem „Argentum Eisenach“ ganzjährig Kurse an. Gearbeitetwird mit klassischen Werkzeugen. Infos unter www.argentum-eisenach.de oder Tel. 0 36 91/

Aneta Mielczarek, 31, verließ ihre polnische Geburtsstadt
„Ich bin viel verschlossenerals früher.“ Immer schwingt dieser traurige Unterton mit, wenn Aneta Mielczarek von sich erzählt. Vor acht Jahren kam sie aus Mazury im Norden Polens nach Deutschland. So wie schon ihre Mutter, die ihr Heimatland ebenfalls verließ, weil sie in der Kleinstadt keine Arbeit fand. Damals war Aneta erst 13. Später studierte sie Informatik und wollte ihre Mutter in den Semesterferien 2003 besuchen. Doch es kam anders: „Ich habe mich verliebt“, erzählt die 31-Jährige. Alles ging sehr schnell. Aneta zog zu ihrer neuen Liebe, einem in Deutschland geborenen Polen. Sie belegte einen Deutschkurs. „Mein Plan war, die Prüfung zu bestehen und dann hier mein Studium zu beenden.“ Doch dazu kam es nie. Den Sprachkurs brach sie ab, aus Angst, es nicht zu schaffen. Das Geld für den Abschluss fehlte. Aneta ging putzen und belegte schließlich einen Manikürekurs. 2007 heiratete sie ihre „Deutschland-Liebe“, ein Jahr später bekam das Paar einen Sohn. „Ich bin dankbar für alles“, sagt Aneta. „Aber oft fühle ich mich verloren. In Deutschland bin ich fremd. Ich vermisse meine Heimat, die Natur, das Essen, die Herzlichkeit. Aber dort hat sich natürlich auch viel verändert. Ich bin nirgends richtig zu Hause."

Warum haben wir Heimweh?
„Wir brauchen ein Gefühl von Heimat“, sagt der Berliner Psychologe Dr. Uwe Langendorf. „Menschen, die sich heimatlos fühlen, sind ruhelos, ständig auf der Suche, ohne zu wissen, wonach.“ Kein Wunder, dass wir uns nach Heimat sehnen und sie vermissen, wenn sie fehlt. Dann verspüren wir dieses bittersüße Gefühl – Heimweh. Als Kinder empfinden wir das Getrenntsein von unserer heimischen Umgebung wie einen körperlichen Schmerz. „Das Elternhaus ist ja so etwas wie unser erster Seelenzustand. Dieser Ort mit all seinen Facetten prägt uns. Er ist der Boden, auf dem wir wachsen“, erklärt Langendorf. Später dehnen sich unsere Heimatgefühle aus: auf neue Städte, auf andere Menschen, Gegenstände oder Gewohnheiten. Heim- und Fernweh gehen dann Hand in Hand. Neugier, der Drang, Neues zu entdecken, und die große Sehnsucht nach der Fremde würden ihren Reiz verlieren, wenn es nicht irgendwo einen Ort gäbe, an dem wir uns fast blind bewegen können – eine Art Basislager, das uns Sicherheit schenkt.

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