
Christiane Hörbiger hat es. Hillary Clinton auch. Beth Ditto versprüht es geradezu, Monica Bellucci sowieso: das gewisse Etwas. Die Auswahl dieser Frauen zeigt: Anziehungskraft hat weder etwas mit faltenfreier Haut noch mit einer Wespentaille zu tun. „Vor allem die Kombination aus Lebensfreude, Kraft und Ruhe verleiht diese Aura“, sagt die Psychologin und Buchautorin Dr. Claudia Enkelmann. Wer jetzt kurz im Kopf Persönlichkeiten nach diesen Kriterien abcheckt, gibt der Expertin recht. Test mit Simone Thomalla: Lebensfreude: ja, Kraft: ja, Ruhe: ja. Gegen-Check mit Anke Engelke: Lebensfreude: ja, Kraft: ja, Ruhe: nein. „Das zeigt sehr deutlich, dass es nicht genügt, die Menschen zu unterhalten. Man muss auch Motivator sein, dem andere folgen würden – zumindest theoretisch“, erklärt die Psychologin.
SOUVERÄNITÄT STATT DRAMA
Das untermauert auch der amerikanische Sozialpsychologe Professor Ronald Riggio, der das Thema intensiv erforscht hat. Er stellte fest, dass Charismatiker ihre Gefühle so ausdrücken können, dass sie ihre Zuhörer nicht nur ansprechen und begeistern, sondern tatsächlich auch zum Handeln motivieren. Und zwar nicht durch pathetische oder dramatische Gesten, sondern durch Synchronismus, fand Kollege und Persönlichkeitsforscher Professor Frank Bernieri heraus. Unterbewusst aktivieren diese Menschen bei uns eine sogenannte Mimikry, also eine Anpassung: Lehnt sich der Redner nach vorn, beugen wir uns ebenfalls in diese Richtung, lächelt er, lächeln auch wir – im optimalen Fall synchronisiert sich laut Bernieri sogar der Atemrhythmus der beiden Personen.
Kein Glanz ohne Reibung
KEIN GLANZ OHNE REIBUNG
Trotzdem garantiert der beneidenswerte Magnetismus keine 100-prozentige Beliebtheit. Laut Enkelmann lehnen immer mindestens 20 Prozent die Strahlemenschen auch ab: „Sie polarisieren stark und lösen blitzschnell die Entscheidung in uns aus, ob wir sie mögen oder nicht.“ Ist letzteres der Fall, akzeptieren sie diese Tatsache, sehen es sportlich oder auch philosophisch wie Konfuzius, der feststellte: „Die Perle kann ohne Reibung nicht glänzen.“ Denn auch das ist eine Prämisse für Authentizität: den Mut zum Scheitern zu haben und anschließend weiterzumachen.
DER FEINE UNTERSCHIED
Dr. Enkelmann kennt noch eine weitere Voraussetzung für eine erfolgreiche Außenwirkung: „Entscheidend ist, dass derjenige die Hoffnungen erfüllt, die er geweckt hat. Ohne Ziel und Richtung verpufft sogar die größte Ausstrahlung.“ Darin unterscheidet sich auch echtes Charisma von Blendertum oder sogar Narzissmus. „Menschen mit dem gewissen Etwas können sich Ideen und Idealen unterordnen und haben auch das Wohl der anderen im Blick, Narzissten sehen nur sich und ihren Vorteil“, erklärt die Psychologin.
Cordula O'Brien
CORDULA O’BRIEN, 42, Designerin aus Hamburg
„Ich glaube an mich und meine Idee, das spüren auch andere“

Das machen, was alle machen, Mainstream sein oder aussehen, wie alle aussehen – das will ich nicht. Ich bin ein Original, und mich gibt es so kein zweites Mal auf der Welt. Das zeige ich auch. An mir ist jeden Tag etwas Besonders: mal ist es eine große Blüte im Haar, mal knallbunte Fingernägel. Ich bin gerne Farbklecks im grauen Alltag. Deshalb mache ich auch beruflich mein Ding. Ich entwerfe ausschließlich Jungs-Mode und bedrucke meine ,Monster-in-your-Bed‘-Kollektionen per Hand – obwohl alle rationalen Gründe dagegen sprechen: zu zeitaufwendig und damit nicht rentabel, warnten mich viele. Im Grunde ist es mir aber egal, was andere sagen, weil ich spüre, dass diese Arbeit meine Berufung ist. Diese Überzeugung kann schnell einschüchternd wirken. Dabei bin ich überhaupt nicht der Ellbogentyp, sondern lebe meine Ideen einfach mit Haut und Haar. Dann gehe ich meinen Weg und entwickle ein mächtiges Tempo. Deswegen ist die Selbstständigkeit für mich absolut richtig. So kann ich genau das tun, was ich möchte.“ Styling-Expertin Astrid Rudolph unterstützt diese Haltung: „Für Frau O’Brien ist Mode nicht nur Styling, sondern auch Kommunikationsmittel. Denn durch ihren Kleidungsstil wird sie sicher oft angesprochen. Vorbilder für sie sind Frauen wie Björk und Beth Ditto, denen es nicht auf ein harmonisches Gesamtbild ankommt. Im Gegenteil: Sie arbeiten mit optischen Störern wie einer gewagten Farbkombination oder einer überdimensionalen Schleife. Das erfordert Mut und die Bereitschaft, sich mit der Umwelt auseinanderzusetzen, bringt aber auch jede Menge neuer Ein drücke und Impulse.“
Sabine Beer
SABINE BEER, 56, Gründerin und Geschäftsführerin von Santaverde
„Das Wissen, die Welt ein bisschen besser zu machen, gibt mir Kraft“

Als Unternehmerin bin ich leidenschaftlich, aber nicht missionarisch. In meinem Alltag dreht sich zwar alles um Natur und Nachhaltigkeit, trotzdem lebe ich nicht in Askese. Ich schminke mich gern und esse ein Stück Fleisch, wenn mir danach ist. Aber ich achte auf Bio-Qualität. Graue Haare färben? Klar, wenn sie mir nicht gefallen würden. Aber ich finde sie schön und bekomme viele Komplimente für sie. Beim Einkaufen achte ich darauf, dass meine Kleidung fair hergestellt wird, und unterstütze Firmen wie FTC Fair Trade Cashmere und Kuyichi Jeans. Es ist nicht immer einfach, für eine Vision zu leben, das habe ich oft zu spüren gekriegt. Als ich vor 25 Jahren meine Naturkosmetikfirma gründete, war ich eine Exotin, wurde belächelt und ironisch gefragt, ob ich jetzt Bäuerin werden wollte. Damals stand noch ausschließlich die Ökonomie im Vordergrund, Ökologie war nur etwas für Weltverbesserer. Diese Einstellung hat sich zum Glück verändert. Dar über bin ich sehr froh, denn ich brenne wie am Anfang für die Idee einer gerechteren Welt.“ Business-Coach Dr. Barbara Schneider erklärt Sabine Beers Erfolg so: „Menschen mit Visionen haben eine magnetische Wirkung, weil sie etwas bewegen und ihrem Leben einen Rahmen und Sinn geben – beruflich wie privat. Häufig geht dem eine genaue Auseinandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit voraus: Was kann ich gut? Was tue ich gern? Wie soll mein Erfolg aussehen, und welchen Preis bin ich dafür bereit zu zahlen? Das sind keine einfachen Fragen, aber wer die Antworten gefunden hat, wirkt klar und verlässlich und kann auch anderen Orientierung geben.“
Elisa Carrillo Cabrera
ELISA CARRILLO CABRERA, 30, Solotänzerin am Staatsballett Berlin
„Ich erlaube mir, einfach Elisa zu sein“

Tanzen ist mehr als mein Job, es ist meine Leidenschaft. ,Warum lachst du immer?’, fragen mich die Leute oft. Ganz einfach, weil ich glücklich bin. Als ich noch in Mexiko lebte, habe ich mir europäische Filme angeschaut. Ich habe die schönen Frauen mit den langen blonden Haaren bewundert und dachte, dass man mich als Ballerina mit dunklem Teint und meinem Indianerlook nicht akzeptieren würde. Doch Jahre später, da tanzte ich schon auf deutschen Bühnen, stellte ich überrascht fest, dass es sogar positiv ist, anders zu sein als andere. Dass ich Gott danken sollte für meinen Körper. Heute fühle ich mich wohl in meiner Haut und bin stolz auf meine Wurzeln.“ Dazu sagt Tiziana Bruno, Trainerin für Körpersprache: „Dass Elisa Tänzerin ist, erkennt man schon an ihrer Körperspannung. Dabei wirkt sie kein bisschen verkrampft oder künstlich inszeniert. Sie zeigt ihr Selbstbewusstsein durch ihre aufrechte und bewusste Körperhaltung, ihren stolzen, direkten Blick. Ihre ganze Erscheinung strahlt Kraft und zugleich Anmut aus. Grundsätzlich gilt: Wer mit Gesten und Bewegungen Raum für sich einnimmt, wirkt im wahrsten Sinne des Wortes einnehmend. So wie Elisa. Sie hat ein klares Bewusstsein dafür, wer sie ist und wie sie wirken will. Genießt sich selbst, lebt in Harmonie mit ihrem Körper und ihrer Persönlichkeit. Für sie als ganz spezieller Typ ist es völlig richtig, dass sie ihre Besonderheit betont und sich nicht versteckt. Denn wer sich selbst gut findet, wird auch von anderen gemocht. Das ist das Geheimnis von Frauen mit besonderer Ausstrahlung.“
Ingrid Martin-Zick
INGRID MARTIN-ZICK, 40, Geschäftsführerin Modelagentur MOS
„Mein Strahlen macht mich erfolgreich, nicht meine Körpermaße“
Wenn ich einen perfekten Körper hätte, wäre aus mir ein Model unter vielen geworden. Ich wäre schön, aber austauschbar. Schon zu Beginn meiner Karriere war ich molliger als die meisten anderen Mädchen. Trotzdem wurde ich für Shootings gebucht. Denn sogar im Modelbusiness kommt es nicht nur auf Körpermaße an. Sondern auf das, was eine Frau ausstrahlt. ,Man merkt dir an, dass du deinen Körper liebst‘, habe ich oft gehört. Wenn ich heute, mit 40, vor dem Spiegel stehe, sehe ich eine schöne Frau. Aber eine mit Bauch und Oberschenkeln. Trotz meiner weiblichen Rundungen habe ich keine Hemmungen. Warum auch? Ich bin, wie ich bin. Selbst wenn ich mal ein paar Kilo zu viel wiege, ziehe ich beim Sex weder den Bauch ein noch drapiere ich mich wie eine Kunstfigur in die Kissen, um mich vor meinem Mann ins beste Licht zu rücken. Erotisch ist, wer mit sich selbst im Reinen ist. Und: Ich hätte heute auch keine Plus-Size-Modelagentur, wenn ich gertenschlank wäre. Ich will andere Models ermutigen, sich als Individuum zu begreifen, statt auf die mit den längeren Beinen und der schmaleren Taille zu schielen. Am Ende zählt nicht das, was sich auf dem Maßband zeigt, sondern das Strahlen in den Augen.“ Das findet auch die Stylistin und Imageberaterin Astrid Rudolph: „Ingrid Martin-Zick ist ein Alphatier, sie steht aufrecht und selbstbewusst, schaut ihr Gegenüber direkt an und strahlt Schönheit und Lebenslust aus. Man denkt sofort: Wow, diese Frau mit der wunderschönen Haut ist zufrieden mit sich selbst! Sie weiß, dass sie weibliche Rundungen hat, und es gefällt ihr. Damit erfüllt sie die wichtigste Voraussetzung für Strahlkraft: Nur wer sich selbst liebt, kann andere lieben und wirkt liebenswert. Neid hingegen macht hässlich und grau. Sehr richtig ist, dass Sie ihre Kurven nicht unter einem schwarzen Kleid versteckt. Sie nimmt sich farblich nicht zurück, weil sie mit Aufmerksamkeit gut leben kann. Man wird sich trotzdem an sie als Person erinnern, weil sie für ihre Kleidung keine schrillen Töne wählt, sondern Farben, die zu ihr passen. Generell gilt: Man sollte Farben und Schnitte so einsetzen, dass man auf sich aufmerksam macht und ohne Scheu zeigt, wer man ist.“