Die Grenzen der Emanzipation

Die Grenzen der Emanzipation

Frauen parken Autos in Mini-Lücken, Männer lesen Kochzeitschriften. So weit, so emanzipiert. Doch irgendwo hört der Spaß auf, findet Vital-Kolumnistin Verena Carl – spätestens im Schuhregal.

Frau Emanzipation© Gisela Goppel
Frau Emanzipation

Es steht 15 zu 14 in unserem Schuhregal. Für meinen Mann. Schwarze Chucks, schwarze italienische Straßenschuhe und schwarze Boots gegen lila Loafer, bordeauxrote Stiefel und beige Stiefeletten. Ich könnte schwören, sie reden heimlich miteinander. Rückt rüber, Jungs, meckern meine Riemchenpumps, ihr stehlt uns den Auftritt! Bella Signorina, pampt ein blank polierter Halbschuh zurück, isse 21. Jahrhundert, no?

Stimmt schon: Frauen mögen in Führungsetagen unterrepräsentiert sein und Männer in Kindergärten. Aber im Alltagsleben herrscht längst das große Rollen-Patchwork. Nehmen Sie uns, ein hinlänglich modernes Paar in den frühen Vierzigern. Manchmal benehmen wir uns wie der Traum einer Gleichstellungsbeauftragten: Nicht nur, dass wir uns Geldverdienen und Kinderbespaßen partnerschaftlich teilen, manchmal kippt die Rollenverteilung sogar ins Gegenteil. Ich kann ein ganzer Kerl sein. Er ein echtes Mädchen.

Mein Liebster schleift mich in Venedig von Schuhladen zu Schuhladen, kann aus einer alten Zeitung und einer Rolle Tesafilm Hexenhüte basteln, und seine Spaghettisoße schmeckt um Längen besser als meine – egal ob ich mich mit Jamie Oliver in der Küche einschließe oder ein Fertig produkt in die Pfanne haue. Ich kann zentimetergenau einparken und unsere Belege so ordnen, dass der Steuerberater mir Dankes-E-Mails schickt. Dann wieder benehmen wir uns wie in einem 60er-Jahre-Werbespot: Ich starre blicklos in den Werkzeugkasten und frage mich, wie ein Phasenprüfer aussieht (klein, elektronisch,welche Phase überhaupt?), während er in anderthalb Stunden einhändig eine Bücherwand zusammenbaut. Und er kann einen vertrockneten Blumenstrauß mitten auf dem Esstisch übersehen. Wochenlang.

Dasselbe Rollenspiel bei unseren Freunden. Zum Beispiel diese: Er erfolgreicher Kaufmann, sie Mama in Teilzeit. Aber sobald Gäste zum Essen kommen, benimmt er sich wie eine Kreuzung aus zwanghafter Hausfrau und Meister Proper: Er wischt schon feucht unter dem Tisch, wenn gerade mal der Nachtisch obendrauf steht. Sollen die Gäste halt ihre Füsse hochheben. Seit Neuestem sperrt seine Frau an solchen Abenden den Putzschrank ab. Oder das Boheme-Paar mit seinem zweigeteilten DVD-Regal. Schwarzweiße asiatische Kunstfilme versus Holly wood-Actionthriller. Ihm sind ihre Filme zu laut, ihr seine zu leise.

Und: Der schlimmste Macho, den ich kenne, ist eine Frau. Sie verdient mehr, er kümmert sich mehr um die Kinder, aber über Urlaubsziele, Sofas oder Klamotten bestimmt sie im Alleingang: „Wer bringt denn hier die Kohle nach Hause, hä?“ So einen Spruch hätte ihr eigener Vater sich nicht getraut. Manchmal, das gebe ich zu, wünsche ich mich zurück in die Fünfzigerjahre. Als der Förster vom Silberwald noch fürs Holzhacken zuständig war und Piroschka niemals eine eigene Karriere als Bahnwärterin angestrebt hätte. Aber diese Momente dauern nie lange. Denn ich weiß: In einem solchen Leben hätte ich vermutlich keine Zeitschriftenkolumne, meine ganze Familie müsste meine fade Spaghettisoße essen, und der Kindergarten würde besorgt anrufen, wenn mein Söhnchen wieder die rosa Haarspangen seiner Schwester trüge. Trotzdem sollte ich mir mal wieder ein Paar Schuhe kaufen. Oder besser zwei. Irgendwo gibt es Grenzen.

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