
Ein bisschen wunderlich werden wir alle, wenn wir älter werden. Die meisten von uns eher früher als später. Besonders schön sieht man das im Urlaub, wenn wir endlich Zeit haben für unsere persönlichen Schrullen. Es gibt 35-Jährige, die dann um die halbe Welt fliegen, um dort kleine Bälle in genauso kleine Löcher zu bugsieren oder fluchend im Dickicht nach ihnen zu suchen. Und es gibt 40- Jährige, die klaglos wochenlang eine Schuhschachtel auf Rädern gegen ihr geräumiges Reihenendhaus tauschen und das noch als große Freiheit preisen.
Keine Sorge. Ich würde mich niemals über Golfer oder Wohnmobilfreunde lustig machen. Denn mein Urlaubshobby ist nicht minder skurril: Mein Mann und ich drücken uns am liebsten die Nasen am Schaufenster des örtlichen Immobilienmaklers oder der Kreissparkasse platt. Dabei beginnen wir augenblicklich, zu rechnen (er) und einzurichten (ich). Ein helles Sofa unter das Gaubenfenster in der Reetdachkate, eine Sechzigerjahre-Küche für die Loftwohnung in einem alten Kornspeicher, blaue Stühle für das Häuschen in der Heide. Ja, ich gebe es zu: Ich träume von einem eigenen Feriendomizil. Nicht gemietet, gekauft. Inklusive Grundbucheintrag.
Das war nicht immer so. Zweimal an den gleichen Urlaubsort fahren – oder gar jedes Wochenende? Menschen, die so etwas taten, waren mir noch vor zehn Jahren so suspekt wie monogame Paare einem 68er-Kommunarden aus Kreuzberg. Was mich beim Reisen am allerwenigsten interessierte, war die Unterkunft. Hauptsache, ein Dach, eine Tür und billig. Man sah das Zimmer ja ohnehin nur im Dunkeln, nach der Heimkehr vom letzten Absacker. Natürlich könnte ich meinen leicht ostalgischen Traum von der eigenen Datsche auf die Kinder schieben, die in der Zwischenzeit in mein Leben getreten sind. Sogar eingefleischte Stadtmenschen werden ja wohligsentimental, wenn der Nachwuchs im Wald nach Fuchsspuren sucht oder im Bauerngarten Tomaten erntet. Dabei bekomme ich nicht mal einen Ficus benjamina über den Winter und kann Fuchsspuren nicht von Karnickelspuren unterscheiden. Aber unseren kinderlosen Freunden geht es nicht anders. Susanne und Hartmut haben einen Geräteschuppen inklusive Streuobstwiese in Ostholstein in einen Ferien-Bungalow verwandelt, und sogar Boheme-Birgit hat inzwischen ihr eigenes Wochenend-Worpswede: Sie teilt sich eine zugige Ex-Erntehütte im Alten Land mit ihrer Künstlerclique.
Was bringt uns wider jede Vernunft zu solchen Käufen? Obwohl wir genau wissen, dass unser Urlaubsgeld künftig für Reetdachreparaturen draufgehen wird? Und dass wir spätestens am dritten Regentag im Juli nichts lieber hätten als eine Woche Last-Minute im Süden, Hauptsache, sonnig? Ich denke, es geht um diesen einen idealen Ort mit einem riesigen imaginären Warnschild für den Alltag: „Betreten verboten!“ Ein Ferienhaus, das ist ein Schutzraum für das Glück, in den man niemals seine Steuererklärung mitnehmen würde. Ein Stück von Bullerbü, wo sich noch mal das unbeschwerte Kindheitsglück aus der ersten von sechs Wochen Sommerferien einstellen soll. Eine eigene Hütte oder eine Wochenendwohnung, das heißt: ankommen nach den Jahren des Insel-, Job- und Beziehungshoppings. Und sei es nur auf 30 Quadratmetern Dachgeschossraum hinterm Deich.
Übrigens:
Wir suchen noch immer, bevorzugt Richtung Dithmarschen-Eiderstedt. Sollten Sie etwas wissen: vertrauliche Hinweise bitte im diskreten Umschlag an die VITAL. Nicht, dass jemand anderes schneller ist.