
Warm und schwer liegen die gehämmerten Kupferkugeln in den Händen. Es scheint, als würden sie mit jeder Bewegung wärmer, wie aufgeladen mit Energie: „Wer berät langen Rat, kommt zu spät mit der Tat. Wer geschwind sich besinnt und beginnt – der gewinnt.“ Ein Lächeln liegt auf Laura Monserrats Lippen, während sie das Goethe-Zitat leise und rhythmisch wiederholt und die Kugeln im Takt ihres Sprechgesangs zwischen ihren Händen und denen der Reporterin hin- und herwandern.
Wie ein Mantra klingt das, und das scheinbar so einfache Kugeln-Nehmen und -Geben verlangt volle Konzentration. „Das ist reine Übungssache“, erklärt die zarte Frau mit charmantem spanischem Akzent, „und klappt am besten, wenn man den Kopf ausschaltet. Wichtig ist, dass Sie mit der Aufmerksamkeit bei sich und ein bisschen auch bei mir sind.“ Laura Monserrats braune Augen leuchten aufmunternd, und man glaubt der Heileurythmistin aufs Wort, wenn sie sagt: „Mein Weg sind die Gefühle.“

Vor allem über Emotionen erspürt die 50-jährige Argentinierin – sie lebt seit knapp 13 Jahren in Deutschland – den Zugang zu ihren Schülern und Patienten. Als angestellte Heileurythmistin an der Rudolf-Steiner-Schule in München-Schwabing arbeitet Laura Monserrat tagtäglich mit Kindern und führt zusätzlich eine kleine Praxis im Münchner Osten, in der sie die anthroposophische Bewegungstherapie anbietet. „Was fehlt dir? Was bringt dich wieder in Balance?“ Diese Fragen richtet sie an ihr Gegenüber, ohne sie wirklich zu stellen. „Ich lasse erst mal mein Herz fühlen, was los ist – und natürlich achte ich auf die Diagnose des Arztes oder das Problem, das mir die Lehrer schildern“, sagt sie und nippt am Kaffee.
Hilfe für Körper, Geist und Seele

Wir sitzen zu Hause in ihrem Garten, während Laura Monserrat nach den passenden Worten sucht, um das Wesen der Heileurythmie zu erklären. „Obwohl ich mich seit Jahrzehnten damit befasse, ist es nicht leicht. Denn die anthroposophische Medizin, aus der die Heileurythmie stammt, ist sehr komplex. Ein ganzer Lebensentwurf steckt dahinter, ein menschenfreundliches Menschenbild“, sagt sie und beginnt dann mit Leidenschaft zu erzählen. „Ich spreche den Kopf, das Herz und die Hand an – es ist ideal, wenn Denken, Fühlen und Wollen im Einklang sind. Denn darum geht es: den Patienten wieder in Harmonie zu bringen.“
Hilfe für Körper, Geist und Seele
Wenn Kinder dauernd unkonzentriert sind oder sehr in sich gekehrt, wenn jemand unter häufigen Kopfschmerzen leidet oder Burn-out: Dann stimmt nach dieser Heillehre etwas nicht im Kräftegleichgewicht von Körper, Seele und Geist. Im Sinne der ganzheitlichen Medizin versuchen Heileurythmisten, die fehlende Balance wieder herzustellen: mit Tanzschritten, Gebärden, Musik, Sprache und Farben. Jeder Buchstabe und jeder Ton haben eigene Bewegungsabläufe. „Je nach Indikation wählt der Therapeut passende Laute und Bewegungen, die das Gleichgewicht schulen, die Koordination und Geschicklichkeit trainieren – was vor allem bei Kindern wichtig ist“, so Laura Monserrat. Aber es werden auch Organfunktionen angeregt, Stoffwechsel und Kreislauf in Schwung gebracht. „Man lernt kreative Wege kennen, um mit sich und der Umwelt besser klar zu kommen, um letztlich Krankheiten und seelische Probleme zu bewältigen“, erklärt sie und führt mit fließenden Bewegungen Buchstaben vor.

Leicht und graziös sieht das aus, und plötzlich wird ihr eben noch sprudelndes Temperament abgelöst von großer innerer Ruhe. Man spürt, wie sehr Laura Monserrat aufgeht in dem, was sie tut. Und sie sagt denn auch: „Mein Beruf ist meine Berufung.“
Als 24-jährige Grundschullehrerin und Schulpsychologin hörte sie in ihrer Heimatstadt Mendoza bei einem Vortrag zum ersten Mal von der Ideenwelt des Philosophen Rudolf Steiner: „Ich war fasziniert vom Gedanken der Ganzheitlichkeit und wollte mehr darüber erfahren.“
Glücklich durch Liebe und Weisheit

Kurz darauf zog Laura Monserrat der Liebe wegen nach Buenos Aires, fand eine Stelle als Lehrerin in einer Waldorfschule und kam direkt mit der steinerschen Pädagogik in Kontakt. „Ich wuss te: Das ist mein Weg und meldete mich auf der Eurythmieschule in Buenos Aires an“, erinnert sie sich. Doch sie wollte mehr und entschloss sich zu einem Eurythmiestudium in der Schweiz: „Ich konnte zwar kein Wort Deutsch, hatte aber großes Gottvertrauen.“ Als sie alle Diplome in der Tasche hatte und zurück in die Heimat wollte, lernte sie Andreas kennen, einen deutschen Ingenieur. Laura Monserrat heiratete ihn und ging nach München. „Seitdem freue ich mich jeden Tag auf meine Arbeit. Mein Deutsch ist aber immer noch nicht gut“, sagt sie augenzwinkernd und fügt hinzu: „Das Wichtigste im Leben sind ohnehin Weisheit und Liebe.“
INFO:
- Was steckt dahinter? Wer sich für die Heileurythmie interessiert, findet weitere Informationen beim Dachverband Anthroposophischer Medizin (www.damid.de) oder dem Berufsverband der Heileurythmisten (www.berufsverbandheileurythmie.de).
- Und die Forschung? Internationale Studien belegen eine signifikante Therapiewirkung vor allem bei Depressionen, Erschöpfung, Angststörungen und Muskel-Skelett-Leiden.
- Wem hilft die Methode? Heileurythmie ist eine universelle Therapie, die bei allen akuten und chronischen Erkrankungen des Nervensystems, Bewegungsapparates oder Stoffwechsels eingesetzt wird. Auch bei ADHS-Kindern. Sie wird vom Arzt verordnet, die Kassen zahlen meist