
Ständig sehe ich diesen Berg Arbeit vor mir. Und egal, wie sehr ich mich abrackere, er wird nicht kleiner.“ Mich als Workshop-Leiterin erfasst ein beklemmendes Gefühl. Wie sie das sagt – mit einer Distanz, als habe dieses Bild so gar nichts mit ihr zu tun. Dabei beschreibt die zierliche Frau, die mit Ende 30 noch etwas Mädchenhaftes hat, gerade ihr eigenes Leben! Allein mit drei Kindern – zumindest unter der Woche, während ihr Mann auf Montage ist –, kümmert sie sich um Familie, Job, den Haushalt und um ihre kranke Mutter. Eine Belastung, die auf Dauer niemand erträgt. Sie muss sich ausgepowert fühlen. Aber da schwingt noch etwas anderes mit. Sie wird es irgendwann erzählen, wenn sie dazu bereit ist. Jetzt hört Karen erst einmal zu, was die anderen Seminarteilnehmerinnen bewegt. Jede hat ihre eigene Geschichte zu erzählen, doch es geht vor allem um einen Punkt: die Sorge, nicht mehr zu „funktionieren“.
Die Angst vor der totalen Erschöpfung, dem sogenannten Burn-out, erfasst vor allem Menschen, die sich chronisch überlastet fühlen. Weil die Vorgaben nahezu unerfüllbar sind, Unterstützung ausbleibt oder die Arbeit sie emotional stark belastet. Das passiert besonders in sozialen Berufen, in denen intensive Beziehungsarbeit geleistet werden muss.
Heike, Anfang 40, kennt das. Als Krankenschwester ist sie Tag und Nacht für ihre Patienten da. Je nach Schicht und oft dar über hinaus. „Ich habe zusätzlich Wochenenddienste übernommen, war Heiligabend im Krankenhaus und auch zu Silvester. Auf mich wartet ja keiner mehr.“ Sie hält inne, fügt dann hinzu: „Seit mein Mann mich verlassen hat.“ Ihre volle Stimme verliert an Kraft, während sie das sagt. Fast ein bisschen verunsichert schaut sie zur Seite. Dabei kennt jede hier im Raum das Gefühl, auf dem falschen Weg zu sein, wo jeder Schritt weiter wegführt vom eigenen Selbst. Von persönlichen Bedürfnissen. Kurz: von dem, was wirklich wichtig ist. Stattdessen steuern viele auf anderer Ebene gegen: Nachdem Heike ihre Schicht beendet hat, schenkt sie sich oft erst einmal ein Glas Rotwein ein, um „runterzukommen“. Das entspannt. Wenigstens für den Moment. Karen leidet unter Schlafstörungen und nimmt regelmäßig Beruhigungsmittel. Sie schläft dann „wie ein Stein“, doch morgens fühlt sie sich nicht fit. Dann trinkt sie extra viel Kaffee und nimmt manchmal Aspirin.
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Keine Schwäche zeigen!
Burn-out bedeutet „ausbrennen“ – und zwar so hochgradig, dass man sich irgendwann nicht mehr regenerieren kann. Geben wir langfristig mehr, als wir können, macht das krank. Körperlich und seelisch. Am Ende stehen oft Depressionen, Suizidgedanken, die immer häufiger auftauchen, und der Verlust des eigenen Identitätsgefühls. Warum lassen Menschen diese „Selbstverbrennung“ zu? Der Grund ist genauso simpel wie bedrückend: Sie erleben sie nicht als solche. Zumindest anfangs nicht. Da sind sie noch Feuer und Flamme, brennen für eine Sache – vor allem für den Beruf, den sie oft mehr als Berufung sehen. Sie geben alles, denn es tut gut, gebraucht zu werden. Überschreiten sie dabei ständig die eigene Belastungsgrenze, droht eines Tages das Burn-out.
„Auf mich muss Verlass sein, damit ich niemanden enttäusche“, sagt Karen. Diese Einstellung treibt sie immer wieder an, noch mehr zu leisten. Genau wie der Glaubenssatz „Ich darf keine Schwäche zeigen, muss perfekt sein“. Seit Kindheitstagen begleiten sie diese sogenannten „inneren Antreiber“, denn sie hat früh gelernt zu „funktionieren“: Als ältestes Kind der Familie unterstützte sie ihre chronisch kranke Mutter und wuchs in deren Rolle hinein. Sie tat das gern, scheute die große Verantwortung nicht, obwohl die Last sie bedrückte. Die anderen waren schließlich noch bedürftiger.
Dieses Muster hat sie aus der Ursprungsfamilie auf die eigene übertragen. Sie will ihren Mann nicht belasten in den paar Stunden, die der Familie am Wochenende bleiben. Er arbeitet doch die ganze Woche so hart. Das tut sie aber auch! Es gäbe einiges zu erledigen und vieles zwischen ihnen zu besprechen: die gemeinsame Erziehung zum Beispiel. Aber das birgt Zündstoff, und Karen sehnt sich nach Harmonie. Um eine Konfrontation zu vermeiden, nimmt sie lieber stillschweigend hin, dass ihr Mann am Wochenende die mühsam erarbeiteten Spielregeln über den Haufen wirft. Sie wird die Kinder montags schon wieder in die Spur bringen. Zwar mit doppeltem Kraftaufwand, aber: „Das muss ich dann eben schaffen.“ Davon ist sie überzeugt, obwohl sie sich völlig erschöpft fühlt.
Burn-out bedeutet „ausbrennen“
Burn-out-Kandidaten fordern sich selbst sehr hart und ignorieren häufig die Signale, die ihnen ihr Körper sendet. Heike zum Beispiel hat oft Herzrasen, ist innerlich aufgewühlt. Aber das merkt man ihr nicht an. Im Gegenteil: Sie strahlt eine gewisse Stärke aus. Durch ihre resolute Stimme, die Art, sich zu kleiden. Als ob sie die dunklen Töne ablehnte, in ihrer Garderobe wie im Leben. Und immer hat ihr die Arbeit geholfen, wenn es ihr nicht gut ging. Heike liebt das Gefühl, gebraucht zu werden. Daraus schöpft sie Kraft. Aber wirkliche Geborgenheit wird sie auf der Krankenstation nicht finden. Das weiß sie, und es macht ihr ihre Verletzlichkeit bewusst. Sie hat weniger Energie als früher und verliert ihre Gelassenheit. Manchmal reagiert sie schon wütend, wenn ein Patient klingelt: Wie viel Tee will der denn noch haben? Zynischer sei sie geworden, sagte eine befreundete Kollegin kürzlich. Das war ihr noch nicht aufgefallen. Früher hat sie sich nach dem Dienst oft mit ein paar Leuten auf ein Bier getroffen. Jetzt geht sie lieber schnell nach Hause.
Wer an Burn-out leidet, zieht sich mit der Zeit immer mehr zurück, denn soziale Kontakte belasten die Betroffenen zusätzlich. Gut gemeinte Zuwendung empfinden sie häufig sogar als persönlichen Angriff. „Vielleicht würde Heike eine Kur guttun?“, überlege ich laut im Workshop. Tapetenwechsel, mal raus aus der Tretmühle. Aber ich fürchte, vorher muss sie noch ein ganzes Stück Arbeit bewältigen. Genauer gesagt: Trauerarbeit. Was vor allem bedeutet, den Trennungsschmerz zuzulassen, statt ihn in Arbeit zu versenken. Das ist schwer. Vielleicht könnte ihr eine Therapeutin dabei helfen? Das bespreche ich aber später mit ihr, unter vier Augen. Jetzt, so mein Eindruck, würde es hier allen guttun, ein bisschen Energie zu tanken. In sich hineinzuspüren: Was gibt mir Kraft? In diesem Moment, heute Abend, nächste Woche – für die täglichen Herausforderungen.
Auf Warnsignale achten
KURZ-CHECK „Brenne ich aus?“
Sie fühlen sich ausgepowert und möchten wissen, ob möglicherweise ein Burn-out dahintersteckt? Dr. med. Dagmar Ruhwandl, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie in München, nennt drei wichtige Kriterien, die ein Burn-out von einer vorübergehenden Schwächephase unterscheiden: Dauer und Qualität des „Durchhängers“ sowie die Regenerationsfähigkeit. Mehr in ihrem Buch „Erfolgreich ohne aus zubrennen“ (Klett-Cotta, 131 S., 14,95 Euro)
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Dauert der „Durchhänger“ länger an als früher? Vergleichen Sie ihn mit anderen schwierigen (Arbeits-)Phasen in Ihrem Leben.
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Empfinden Sie diese Schwächephase anders als bisherige? Reagieren Sie zum Beispiel gereizt, kapseln sich ab und suchen nicht mehr die Unterstützung von Freunden, wie Sie das normalerweise tun würden?
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Gelingt es Ihnen nicht, sich zu regenerieren? Haben Sie überhaupt keine Zeit mehr für Erholungsphasen, oder entspannt Sie das, was Ihnen sonst gutgetan hat, nicht mehr?
Wenn Sie diese drei Fragen mit Ja beantworten, besteht die Gefahr „auszubrennen“. Betrachten Sie Burn-out als Warnsignal, das ernste Erkrankungen (z.B. Depressionen) zur Folge hat, und suchen Sie fachlichen Rat!
Warnsignale ... und wie Sie gegensteuern können
Aus Leistungswunsch wird Leistungszwang Oft bedingt durch erhöhte Erwartungen an sich selbst
Kipppunkt zwischen Leistungstreben und Leistungszwang erkennen, eigenes Tempo finden
Verstärktes Engagement Das Gefühl, alles selbst machen zu müssen, um sich zu beweisen, wird stärker
Delegieren üben!
Eigene Bedürfnisse vernachlässigen, auch sexuelle (scheinbar existieren diese nicht mehr). Stattdessen: mehr Kaffee, Alkohol, Nikotin oder Schlaf mittel. Spätestens jetzt treten Schlafstörungen auf Missverhältnis von Bedürfnissen und Anforderungen führt zu Energiemangel und Fehlleistungen (z. B. Terminverwechslungen)
Entspannungstechniken lernen, z. B. autogenes Training
Umdeuten von Werten Prioritäten verschieben sich, z. B. rücken Krisensicherheit des Arbeitsplatzes und festes Gehalt in den Vordergrund, emotionale Abstumpfung, soziale Kontakte werden fast nur noch als belastend erlebt
Probleme nicht auf Überlastung schieben, sondern auf den Energiemangel. Pausen zum Auftanken einlegen
Verdrängung, um zu funktionieren Betroffene reagieren aggressiv und zynisch auf ihre Umgebung. Der emotionale Rückzug schreitet voran. Deutliche Leistungseinbußen sowie körperliche und psychosomatische Probleme
Reaktivierung früherer Freundschaften, um Veränderungen festzustellen Ab hier bedarf es professioneller Hilfe!
Burn-out vorzubeugen
Die besten Strategien, um Burn-out vorzubeugen
Energiequelle oder Energiekiller? Ziehen Sie Bilanz! Was stärkt, was schwächt Sie, beruflich wie privat? Und dann: eine neue Balance zwischen beiden finden – und wieder mehr lachen
- Das Wichtigste zuerst: Gehen Sie achtsam mit sich selbst um! Achten Sie bewusst auf die Signale, die Ihr Körper sendet.
- Fragen Sie sich immer mal wieder: „Was ist mir in meinem Leben besonders wichtig?“ Das hilft Ihnen, Prioritäten zu setzen und Ihre Energie in das Wesentliche zu investieren.
- Gewinnen Sie Kontrolle über Ihre eigene Zeit. Sie müssen nicht immer und überall erreichbar sein und können z.B. selbst bestimmen, wann Sie ein zeit- und kraftraubendes Telefonat führen, indem Sie zurückrufen.
- Planen Sie Erholungsphasen ein. Erst recht, wenn Sie das Gefühl haben, dass Ihnen die Zeit dazu fehlt. Schon eine kurze Pause entspannt und inspiriert zu neuen Ideen! Am besten, Sie vereinbaren einmal am Tag einen verbindlichen Termin mit sich selbst, z.B. zum Musikhören, Yoga, Zeitunglesen – was immer Ihnen guttut. So reaktivieren Sie Ihre Energiequellen.
- Rufen Sie sich selbst zur Ordnung. Genügend Schlaf (mindestens sieben Stunden), möglichst viel Bewegung, eine ausgewogene Ernährung, selten Alkohol – ob Sie bekommen, was Körper und Seele wirklich brauchen, ist vor allem eine Frage der Selbstdisziplin.
- Lassen Sie sich sanft berühren. Gönnen Sie sich eine entspannende Massage oder zärtliche Streicheleinheiten, denn Hautkontakt beruhigt und harmonisiert die Körperfunktionen.
- Delegieren Sie mehr. Sie müssen nicht alles selbst erledigen. Verteilen Sie die Aufgaben, gerade innerhalb der Familie. Suchen Sie sich eventuell externe Unterstützung, z.B. eine Haushaltshilfe.
- Schauen Sie mit Stolz auf das Erreichte! Burn-out-Gefährdete sind oft rastlos und sehen häufig nur das, was noch alles erledigt werden muss – obwohl sie schon so viel geschafft haben. Ein Blick auf das Geleistete setzt neue Kräfte frei.