
Wir sperren sie ein, gönnen ihnen die meiste Zeit des Jahres kaum Luft zum Atmen, foltern sie mit High Heels: Füße sind im Dauerstress. Mit dramatischen Folgen für ihre je 26 Knöchlein, 27 Gelenke, 20 Muskeln und 107 Bänder. Eine Studie von Prof. Dr. Nicola Mafulli, Orthopäde an der Keele University in Mittelengland, wies bei 60 Prozent der in mehr als 16 europäischen Ländern untersuchten Personen mindestens an einem Fuß eine Fehlstellung nach.
„Keinem Menschen käme es in den Sinn, mit einem platten Fahrradreifen weiterzuradeln“, kritisiert Physiotherapeut Thomas Rogall, Leiter der Fußschule in München. Die meisten Erwachsenen aber laufen schon „auf den Felgen“, mit Knick-, Senk-, Hohl- oder Spreizfüßen, mit Schmerzen. Eine schwere Belastung für Kniegelenke, Wirbelsäule und Zehen. Um das zu verhindern, entwickelte der 50-jährige Fußspezialist ein ganzheitliches Therapiekonzept für gesundes Gehen.
Schon einfache Tests verraten, ob die Füße überfordert sind
Die Eckpfeiler der Neuen Münchner Fußschule sind die Analyse des Ganges und gezielte Übungen, um eingeschliffene, falsche Bewegungsmuster zu verändern und eine gesündere und dynamischere Art des Gehens zu entwickeln. Die Analyse beginnt mit einigen Beobachtungen im Stehen: Wie belaste ich meine Füße, wie verteilt sich mein Gewicht auf ihnen?
Diese Übungen für die Füße können Schmerzen vertreiben
Physiotherapeut Rogall: „Die Fläche der Füße ist im Vergleich zum gesamten Körper äußerst klein. Daher sollte sich das Gewicht möglichst gleichmäßig verteilen.“ Immerhin wirkt beim Gehen das 4,5-Fache des Körpergewichts auf den Hinterfuß ein. Beim Joggen erhöht sich dieser Wert sogar auf das 9-Fache. Trägt eine Frau von 60 Kilo Stilettos, setzt sie ihre Ferse einem 28-mal so hohen Druck aus wie ein 2,6 Tonnen schwerer Elefant jeden seiner vier XXL-Füße. Ein Blick nach unten zeigt, ob die Zehen auf dem Boden liegen (wo sie hingehören), oder ob sie sich auf der Suche nach mehr Halt in den Boden krallen. „Beim Gehen wackelt dann oft die Ferse hin und her. Die Folgen reichen von einem Fersensporn über eine Entzündung der Achillessehne bis hin zum Hallux valgus (Schiefzehe)“, erklärt der Physiotherapeut. Auch ob die Füße geradeaus zeigen und ob die Kniegelenke elastisch und federnd reagieren, sollte gecheckt werden. Ein guter Test ist zudem der Einbeinstand: Bei guter Balance zeigen Fuß und Knie des Standbeins geradeaus.
Kleine Punkte auf den Knien verraten eine Fehlbelastung
Weitere Aufschlüsse ermöglicht das Beobachten in Bewegung. Rogall: „Vor allem die Knie bieten während des Bewegungsablaufs einen sehr guten Orientierungspunkt.“ Um den Test zu erleichtern, malt man mit Filzstift einen Punkt auf die Mitte jeder Kniescheibe. Dann geht man auf einen hohen Spiegel zu.
Zeigen die Kniepunkte immer nach vorn? Oder drehen sie sich bei jedem Schritt stark nach innen oder außen? Das würde auf eine ständige Fehlbelastung hindeuten, die zu Schäden im Kniegelenk, den Hüften oder der Wirbelsäule führen kann. Und eskostet Kraft: „Wenn Sie geradeaus gehen wollen und Ihre Füße nicht in Gehrichtung zeigen, erhöht das Ihren Energieaufwand“, erklärt FußexperteRogall. Weitere Checks: Schwingen Becken und Brustkorb mit, bleibt die Ferse beim Abbremsen stabil oder dreht sie sich nach innen, rollen die Füße richtig ab? Falls nicht, kann dies eine Schiefstellung der Zehen bewirken. Im Zweifel sollte ein Physiotherapeut alles überprüfen.
Gezielte Übungen kräftigen die strapazierte Fußarchitektur
Der zweite Teil der Neuen Münchner Fußschule besteht aus Übungen, die Bewegungsstörungen korrigieren: So können Beschwerden und Fußfehlstellungen schon nach drei Monaten nicht nur spürbar gebessert, sondern sogar vermieden werden. Die Übungen trainieren die Muskulatur der Füße, kräftigen ihre Gewölbe, fördern federnde Elastizität und kraftvolle Stabilität. Davon profitieren alle Gelenke – bis hoch zu den kleinen in der Halswirbelsäule.
SOS-Blitzgymnastik für müde und schmerzende Füße
Eine wichtige Basis- und schnelle Erste-Hilfe-Übung bei Überlastungsschmerzen ist die „Spirale“: Auf den Boden setzen, den rechten Fuß so weit vor sich hinstellen, dass die Hände ihn gerade noch umfassen können. Dabei berührt die gesamte Fußsohle – von der Ferse bis zu den Zehenspitzen – den Boden. Jetzt das Bein zur Seite kippen, sodass der Fuß auf der Außenkante aufliegt. Vierte und fünfte Zehe haben noch Bodenkontakt. Zeige- und Mittelfinger der linken Hand von unten mittig an den Großzehenballen legen. Erhöhen Sie den Druck der Finger so lange, bis das Großzehen-Grundgelenk nach oben und die Zehe Richtung Boden ausweicht. Druck kurz halten. Dann den Großzehenballen weiter innen, Richtung zweite Zehe, drücken, sodass sich das Grundgelenk wieder etwas absenkt. 10-mal wiederholen. Die Seite wechseln.
Info
- Fußschule München, Tegernseer Landstraße 37a, 81541 München, Tel. 0 89/62 06 09 06, fussschule.com
- Buchtipp: „Die Kunst des Gehens“ von Thomas Rogall, Nymphenburger, 122 Seiten, 17,99 Euro