

Verschwommenes Sehen, Doppelbilder, schmerzende Augenbewegungen – mit Symptomen wie diesen drückt Ihnen der Augenarzt wahrscheinlich eine Überweisung zur Neurologie in die Hand. Im ersten Moment denken Sie vielleicht, Moment, ein Psychiater? Doch das Fachgebiet beschäftigt sich mit den Erkrankungen des Gehirns und Nervensystems. Netzartig durchziehen die Nervenbahnen den Körper. Sie steuern zusammen mit dem Gehirn unsere Bewegungsabläufe, Gefühlswelt und Sinne – ohne sähe das Leben düster aus. Daher fürchten wir die Diagnose einer unheilbaren neurologischen Erkrankung wie Multiple Sklerose (MS) oder Parkinson, die u. a. Sehstörungen oder Bewegungsprobleme mit sich bringt. Doch natürlich steckt nicht immer hinter solchen Symptomen gleich eine schwere Krankheit. Und falls doch können heute moderne Therapien den fortschreitenden Verlauf hinauszögern und nicht nur Beschwerden lindern. Je schneller aber die Therapie beginnt, desto besser die Erfolgsprognose.
Multiple Sklerose: bloß nicht täglich daran denken müssen
Morbus Parkinson: alles zwischen Zittern und Starre

Notfall Schlaganfall: wenn jede Sekunde zählt
Migräne: Gewitter im Kopf gar nicht erst aufziehen lassen
Diabetes: Zu hohe Blutzuckerwerte schädigen die Nerven
Rat & Hilfe
Früh erkennen und behandeln – etwa jeder dritte Mensch mit Diabetes leidet unter Nervenschäden, die unbehandelt zum diabetischen Fußsyndrom führen. Eine von der Deutschen Diabetes Stiftung DDG und Wörwag Pharma gegründete Aufklärungsinitiative bietet zahlreiche Informationen und Tipps, wie Sie Beschwerden richtig deuten, behandeln und letztlich Ihre Füße vor gefährlichen Folgen schützen (nai-diabetische-neuropathie.de).
Datum: 15.09.2020
Autorinnen: Andrea Berning, Marnie Aschpurwis
"365 Tage therapiefrei" – Interview mit Neurologin Dr. Hela-F. Petereit
Über Dr. Petereit
Dr. Hela-F. Petereit, Fachärztin für Neurologie, Neurologische Labor- und Intensivmedizin. Sie lebt in Köln und behandelt seit ca. 25 Jahren MS-Patienten.
vital: Worauf zielt die Therapie bei MS ab?
Dr. Hela-F. Petereit: Verläufe verlangsamen bzw. stoppen und Schübe vermeiden. Denn keine neuen Schübe bedeuten auch keine neuen Symptome.
Wie gelingt das?
Statt Kortison bei akuten Schüben verabreichen wir vorbeugend Antikörper per Infusion. Es ist die einzige Möglichkeit, auch die schwere Form PPMS zu behandeln, denn die Therapie richtet sich gezielt gegen fehlgeleitete Immunzellen, wodurch Entzündungsprozesse der MS unterdrückt werden.
Ein großer Fortschritt.
Der Vorteil für Betroffene liegt auch darin, dass die Therapie nur zweimal im Jahr durchgeführt wird. An den restlichen 363 Tagen müssen sie nicht an die tägliche Tabletteneinnahme denken. Das erhöht die Lebensqualität enorm und ermöglicht ein aktiveres, freieres, unabhängigeres Leben.
Wie können Betroffene Schübe noch vorbeugen?
Zur Prophylaxe müssen sich Betroffene vor Infektionen schützen, die ja das Immunsystem aktivieren und damit das Schubrisiko erhöhen. Deshalb empfehle ich Impfungen, u. a. jährlich gegen die Grippe. Auch Sonnenbrände und starke Sonneneinstrahlung sind zu vermeiden, denn sie führen zu Entzündung in der Haut, die einen Schub begünstigen.
Was empfehlen Sie für den Alltag?
Soweit möglich, viel Bewegung, z. B. Ausdauersport, Yoga, gesunde Ernährung mit viel Obst, Gemüse, Fisch und wenig Fleisch sowie eine hoch dosierte Vitamin-D-Einnahme, um das Immunsystem zu stärken. Wichtig: nicht den Mut verlieren, wenn die Diagnose kommt. Die Prognose ist heute besser. Und bei frühem Therapiebeginn sind eine Schubfreiheit und die Verlangsamung des Fortschreitens realistische Ziele.