
Tägliches Putzen ist das A und O für schöne und gesunde Zähne. Das lernen schon Kinder. Doch die richtige Zahnpflege zu finden ist gar nicht so leicht: Es gibt Dutzende verschiedene Zahncremes und ohne Ende Bürsten, Zahnseiden und Mundwässerchen. Aber was brauchen wir davon wirklich? VITAL hat die Kölner Zahnärztin Kerstin Brügelmann gefragt, Expertin im Bereich Zahnästhetik.
„Gute Zahncreme muss nicht teuer sein. Wichtig ist, dass man gerne damit putzt“
Nur rund 30 Cent pro Tag kostet eine optimale Zahnprophylaxe im heimischen Bad – verglichen mit mehreren tausend Euro Zuzahlung für Zahnimplantate ist das geradezu läppisch. Als Basispflege gilt: zwei- bis dreimal täglich 2 bis 3 Minuten die Zähne putzen. Die Zahncreme soll dabei reinigen, pflegen und vor Karies schützen. „Karies ist in letzter Zeit immer weniger ein Problem“, sagt Kerstin Brügelmann. „Dafür mit verantwortlich sind die fluoridhaltigen Zahncremes, die sich inzwischen komplett durchgesetzt haben.“ Als Richtwert gelten 1 bis 1,5 g Fluorid pro Kilo Zahncreme für Erwachsene, den die meisten Cremes auch erfüllen. Ob nun Aminfluorid, Natriumfluorid oder Natriummonofluorphosphat – über die beste Fluorverbindung streiten Fachleute und Zahncremehersteller seit Jahrzehnten. „Man kann wohl sagen, dass die Unterschiede zu vernachlässigen sind. Auch sehr preiswerte Zahncremes haben gute Putz- und Schutzeigenschaften. Am schlechtesten ist die Zahncreme, mit der man sich nicht die Zähne putzen mag“, erklärt die Zahnärztin. Erwachsenen rät sie, einmal wöchentlich abends ein hochdosiertes Fluorid-Gel zu benutzen: „Es versorgt die Zähne zusätzlich intensiv mit Fluor, härtet den Schmelz und schützt so langfristig vor Karies.“
Doch es gibt neue Produkte, die auf Fluorid verzichten. Sie enthalten Hydroxylapatit – den Stoff, aus dem der natürliche Zahnschmelz zu 98 Prozent besteht. „Diese Wirksubstanz soll die Zähne nicht nur aushärten wie das Fluorid, sondern auch reparieren“, beschreibt Kerstin Brügelmann die Vorteile. „Die Studien reichen aber noch nicht, um sagen zu können, dass dies unter normalen Zahnputzbedingungen wirklich funktioniert.“

Kritisch sieht die Zahnästhetin den Trend zu Zahnpasten, die strahlend weiße Zähne versprechen: „Ich rate von weißenden Cremes eher ab. Sie enthalten oft große grobe Putzkörper, die den Zahnschmelz regelrecht anschleifen. Wer zu starken Verfärbungen neigt, sollte wohl oder übel häufiger zur professionellen Zahnreinigung gehen.“ Besonders freiliegende Zahnhälse und empfindliche Zähne können durch die Weiß-Cremes geschädigt werden. Auch Zahnpasta, die bedenkliche Stoffe wie Tricolosan enthält, empfiehlt die Zahnärztin nicht. Der antibakterielle Wirkstoff kann die Schleimhäute schädigen und steht im Verdacht, Antibiotikaresistenzen zu begünstigen. Polyphosphate hemmen die Zahnsteinbildung, können bei empfindlichen Personen aber Reizungen hervorrufen. Die Expertin rät: „Unbedingt einen Blick auf die Liste mit den Inhaltsstoffen auf der Tube werfen!“
„Erst eine Stunde nach dem Essen putzen, sonst droht Zahnerosion“
Nicht nur Karies greift die Zähne an. Problematisch ist auch Zahnerosion: In vielen Lebensmitteln und Getränken lauern Säuren, die den Zahnschmelz schädigen. Z. B. Produkte mit dem Zusatzstoff Zitronensäure (E 330) in Weingummi und Marmelade, Getränken wie Limonade, Eistee oder Fruchtsaft. „Wenn man so etwas immer wieder zwischendurch nascht oder trinkt, ist das ein ganz großes Problem für die Zähne“, sagt Kerstin Brügelmann. „Nicht nur die Figur, auch die Zähne danken es, wenn man lieber auf Mineralwasser und ungesüßten Tee zurückgreift. Besonders gut ist grüner Tee, der zusätzlich leicht fluoridierend wirkt.“
Gleich nach dem Essen oder Trinken zur Zahnbürste zu greifen setzt dem säuregeschädigten Zahnschmelz zusätzlich noch mechanisch zu: „Am besten erst etwa eine Stunde nach dem Essen putzen, um der Zahnerosion nicht noch Vorschub zu leisten“, rät die Expertin. Lieber mit klarem Wasser nachspülen, um lose Essensreste zu entfernen und die Säure im Mund zu verdünnen. Auch Zahnpflegekaugummis sind in Maßen sinnvoll, um die Speichelproduktion anzuregen und die Säure im Mund zu neutralisieren. Aber: „Das Kaugummikauen nicht übertreiben! Im Übermaß neuen Favoriten unserer Kolleginnen werden Muskulatur und Kiefer zu stark beansprucht“, warnt sie.
„Die Zähne putzen, nicht schrubben – am besten fast ohne Druck“
Wer es besonders gut mit seinen Zähnen meint, erreicht damit oft das Gegenteil: „Die meisten Menschen putzen mit viel zu viel Druck“, berichtet die Zahnärztin. Das Zahnfleisch und der ohnehin dünne Oberkieferknochen leiden darunter.“ Langfristig droht gar ein Rückgang des Knochens. Kerstin Brügelmann empfiehlt daher, beim Putzen innen mit den unteren Backenzähnen zu beginnen. „So kann man den ersten, zu starken Druck abmildern.“ Den richtigen Druck kann man testen: Mit dem Finger oder der Zahnbürste auf eine Küchen- oder Briefwaage bis zur 100-Gramm-Marke drücken. Das ist der maximal erlaubte Druck beim Zähneputzen – und wirklich federleicht! Welche Zahnbürste ist die beste? „Ich empfehle elektrische Zahnbürsten. Sie geben einem das Gefühl, dass sie von alleine arbeiten. Handzahnbürsten hingegen verleiten zu stärkerem Druck, weil man schließlich ordentlich putzen will.“ Beim Bürstenkopf gilt: Kleiner ist besser. Kleine Aufsätze erreichen jeden einzelnen Zahn sogar an den Seiten. Ein großer Bürstenkopf putzt zwar mehrere Zähne gleichzeitig, aber nur der mittlere Zahn wird dabei gut gereinigt. Absolut tabu: Naturborsten. Bakterien fühlen sich darin pudelwohl, werden dann bei jedem Putzen erneut im Mund verteilt. Daher auch spätestens alle drei Monate, besser sogar alle vier bis sechs Wochen die Bürste wechseln. Besonders nach Krankheiten wie einer Erkältung ist eine neue fällig. Und bei Zahnbürsten gilt: Geteiltes Leid ist doppeltes Leid! „Zahnbürsten gemeinsam zu benutzen – selbst wenn die Liebe noch so groß ist – sollte absolut tabu sein“, sagt die Expertin.
„Das Problem sind oft nicht die Zähne, sondern die Zahnzwischenräume“
Besonders wichtig bei der täglichen Mundhygiene sind die Zahnzwischenräume. „Zahnseide und Interdentalbürsten sind ein tägliches Muss. Am besten sollte man mit seinem Zahnarzt ein Putzschema erarbeiten: jedem Zahnzwischenraum die richtige Bürstenstärke zuweisen und sich die Handhabung genau erklären lassen. Nur dann klappt das auch täglich zweimal“, rät Kerstin Brügelmann. Stehen die Zähne sehr eng zusammen, reicht oft schon Zahnseide. Bei größeren Zahnlücken müssen Interdentalbürsten ran. Einmal täglich ist auch die Zunge dran: „Sie ist großporig, feucht und weich – ein idealer Nährboden für Bakterien.“ Ein Zungenspatel kostet wenig und hält ewig, wenn man ihn immer wieder gut reinigt.
INFO
- Initiative proDente e. V.: Infos, kostenlose Broschüren zu Zahnpflege und Zahnersatz, mit Suchfunktion nach Zahnärzten, Beratungsstellen, Notdiensten. Tel. 02 21/17 09 97 40. www. prodente.de
- Forum Zahngesundheit der Zahnärztinnen und Zahnärzte Baden-Württemberg: Zahn-Infos vom ersten Zahn bis ins hohe Alter. Tel. 07 61/45 06-0. www.forum-zahngesundheit.de
- Deutsche Parodontose Hilfe e. V.: Spezielle Infos zu Zahnfleischentzündungen, Suchfunktion nach spezialisierten Zahnärzten. Tel. 0 23 23/96 59 05. www.parodontosehilfe.de
„Mundduschen oder Mundwasser sind im Prinzip unnötig“
Mundduschen hält die Expertin für überflüssig: „Der hohe Druck kann Speisereste gut rausspülen. Groß ist aber die Gefahr, dass man sie versehentlich noch tiefer in die Zahntaschen befördert.“ Wenn Putzen nicht möglich ist, z. B. nach Zahnoperationen, sollten kurzfristig lieber antibakterielle Mundspüllösungen verwendet werden. Die Expertin warnt aber, sie unter normalen Umständen regelmäßig zu benutzen: „Nur bei allzu hoher bakterieller Besiedelung des Mundraums sind Mundspülungen nach vorheriger Rücksprache mit dem Zahnarzt sinnvoll. Sie dürfen dann aber keinesfalls das Putzen ersetzen!“ Und wenn mal gar keine Bürste zur Hand ist, reicht in der Not auch klares Wasser zum Spülen.