Regen oder Hitze - egal, uns geht es heiter

Regen oder Hitze - egal, uns geht es heiter

Alle reden über das Wetter. Nicht nur aus Verlegenheit, sondern mit gutem Grund: Der Wechsel von Sonne und Wolken beeinflusst unseren Alltag, unsere Stimmung und sogar unsere Gesundheit.

© istockphoto

Mal angenommen, wir könnten ab sofort das Wetter bestimmen. Mit allem Drum und Dran. Am besten per Handy: „Schicke SONNE oder WOLKENLOS an 9999!“ Fertig. Auf den ersten Blick ein faszinierender Gedanke. Nur: Wessen Wetterwünsche gingen dann in Erfüllung? Was wäre, wenn wir Sonne für unsere Grillparty wollen und der Bauer in der Nachbarschaft Regen für seine Ernte braucht? Am Ende bliebe wohl nur die Mehrheitsentscheidung. Aber wie solche Abstimmungen ausgehen und wie zufrieden wir dann damit sind, wissen wir ja. Nichts würde sich ändern. Auch das „Wetter 2.0“ bliebe Zankapfel und Small-Talk-Thema Nummer eins. Weil sie uns nun mal umtreibt, die Frage, ob es heute regnet oder nicht. Riemchensandalen oder Regencape? Kein Tag beginnt ohne eine solche Entscheidung. „Wir sind Kinder der Natur. Über 99 Prozent seiner Entwicklungsgeschichte hat der Mensch in freier Natur verbracht“, erklärt der Bio-Psychologe Prof. Peter Walschburger von der Freien Universität Berlin.

Hängt unsere Stimmung vom Wetter ab?

„Wir stammen von Überlebenskünstlern ab, die sich an Tagund- Nacht-Schwankungen sowie an gute und schlechte Wetterlagen anpassen mussten. Unsere Stimmungen wurzeln in der Natur.“ Dr. John Sharp, Psychiater an der renommierten Harvard Medical School in Boston/USA, geht sogar noch weiter: „Jeder von uns hat sehr persönliche und emotionale Verbindungen zu den Jahreszeiten.“ Und die, davon zeigt sich der Experte überzeugt, gehen weit über die alltagspsychologische Erfahrung hinaus, dass wir an einem heißen Sommertag im August „besser drauf“ sind als an einem trüben Oktobertag. „Unser Psyche wird jedoch nicht nur durch die Wetterbedingungen beeinflusst“, erklärt Sharp. „Zu jeder Jahreszeit existieren auch gesellschaftliche und kulturelle Erwartungen, die uns lenken. Thanks giving (das amerikanische Erntedankfest; Anm. d. Red.) und Weihnachten beispielsweise finden Kinder aufregend, Erwachsene dagegen häufig stressig.“

Ereignisse lösen Emotionen aus

Darüber hinaus, so Sharp, trage jeder Erinnerungen an Lebensereignisse in sich, die emotional und zeitlich ebenfalls mit einer der vier Jahreszeiten verknüpft seien. „Wenn wir die spüren oder im Winter der Schnee unter den Füßen knirscht, ruft das bestimmte Bilder in uns wach, die wie der um unsere Gefühle, Erwartungen und unseren Blick in die Zukunft verändern können.“ Kein Wunder also, dass wir dem Wetter für alles Mögliche die Schuld geben – Kopfschmerzen, miese Laune,Heißhungerattacken, Streitsucht, Schlafstörungen, Aggressionen am Lenkrad, Stau auf dem Heimweg, Verspätungen bei der Bahn … Es ist ein willkommener Sündenbock, ein zuverlässiges Frustventil.

Die Erinnerungen spielen uns einen Streich

Das Wetter ist gar nicht immer Schuld

Zuweilen scheint uns das Wetter so vertraut, dass wir uns einbilden, wir könnten es beeinflussen: „Natürlich regnet es heute nicht. Ich habe ja einen Schirm dabei.“ – „Morgen wird tolles Wetter. Ich habe heute brav alles aufgegessen.“ Psychologen sprechen in solchen Fällen vom „magischen Denken“, das eigentlich typisch für Kinder ist und von einer Kontrollillusion. Wir haben eben gern alles im Griff, wollen uns sicher und nicht ausgeliefert fühlen – und schießen unbewusst übers Ziel hinaus. Grundsätzlich ist das menschlich und nicht weiter tragisch. „Wir Deutschen sind aber ziemlich verwöhnt, wenn es ums Wetter geht“, sagt Prof. Jürgen Kleinschmidt, Physiker und Mediziner an der Ludwig-Maximilians-Universität in München.

Blumenbeet© istockphoto
Blumenbeet

Das Wetter, Wetter sein lassen

„Wir haben hohe Erwartungen daran, wie es auszusehen hat.“ Zu hohe. Dabei haben wir in Deutschland ziemlich gut: Im Schnitt könnten wir uns jedes Jahr über 1550 Sonnenstunden freuen. Doch genau das tun wir viel zu selten. Stattdessen schielen wir neidisch nach Kalifornien oder Kreta (300 Sonnentage pro Jahr). Obendrein neigen wir zum Schwarz-Weiß-Denken. Ein Sommer, der nicht das Prädikat „Jahrhundertsommer“ verdient, ist keiner. Und ein Winter, der nicht spätestens Anfang März vorbei ist, wird dank „Bild“ zum „Russen-Stiefel“, zum „arschkalten Tritt“, der Europa bibbern lässt. Um in der Metapher zu bleiben: Dem Wetter selbst geht das alles am Gesäß vorbei. Wetter bleibt Wetter, ganz gleich, was wir denken oder hoffen. Zwar haben Wissenschaftler für den Homo sapiens eine durchschnittliche Wohlfühltemperatur zwischen 20 und 25 Grad errechnet. „Aber wer viel draußen arbeitet oder Sport treibt, findet vielleicht selbst das schon zu warm“, sagt Prof. Kleinschmidt und zeigt so, wie sinnlos solche Statistiken sind.

Machen Sie aus jeder Jahreszeit das Beste

„Umgekehrt können Sie bei 20 Grad frieren, wenn Sie müde sind oder sich kaum bewegen.“ Heißt im Klartext: Es liegt an uns, was wir aus den Gegebenheiten machen. Jedes Wetter hat seine Vorzüge. Dabei hilft ein Grundgedanke der sogenannten Positiven Psychologie: den Blick auf das richten, was bereits gut ist. Ja, die Wolken lassen kaum ein blaues Loch. Es regnet aber nicht. Ja, es ist heiß. Die Hitze lässt sich aber austricksen. Die Macher der „Sesamstraße“ fanden diesen Perspektivwechsel so wichtig, dass sie ihn gleich in der ers ten Folge von 1969 thematisierten: Ein kleiner Junge guckt aus dem Fenster. Es nieselt. Er zieht sich an und überzeugt den Vater, mit ihm rauszugehen. Gemeinsam lachen sie dann über die lustigen Scheibenwischer und beobachten die Kreise, die Regentropfen überall zaubern. „Regen macht Spaß“, sagt der Junge am Ende. „Besonders, wenn man das richtige Zeug angezogen hat.“ So einfach ist das. Mal ehrlich: Immer Sonne würde auch nerven. Jeder Kuschelabend auf dem Sofa würde uns madig gemacht. Und was würde erst aus dem neuen Wintermantel und den hippen Overknee- Stiefeln werden? Eben.

Damit Ihnen das Wetter nicht die Laune verdirbt

Brütende Hitze? Cool bleiben

  • Setzen Sie sich guten Gewissens in den Schatten oder gleich drinnen vor den Ventilator. Wagen Sie sich erst am späten Nachmittag mal raus. Die laue Luft eines Sommer abends genießen Sie übrigens ausgeruht am besten.
  • Um nicht ins Schwitzen zu geraten, Arme und Beine regelmäßig mit kaltem Wasser direkt aus dem Hahn kühlen. Auch ein lauwarmes Fußbad bringt Erleichterung.
  • Salbeitee vermindert die Schweißbildung. Rezept: 1–2 TL ein geschnittene Salbeiblätter in einer großen Tasse mit siedendem Wasser übergießen, 10 Minuten ziehen lassen, abseihen, abkühlen lassen und schluckweise trinken.
  • Studien zeigen: Bei Hitze kommt es vermehrt zu Verkehrsunfällen, weil mit der Temperatur auch der Aggressionspegel steigt. Der Bio-Psychologe Prof. Peter Walschburger warnt: „Gerade Berufstätige, die ohnehin im Stress sind, sollten jetzt das Fahrrad oder die Bahn nehmen.“
Gummistiefel in Rosa© istockphoto
Gummistiefel in Rosa

Wetterwechsel? Kein Problem

  • Schnelle Temperatur wechsel schlagen leicht auf die Stimmung, weil sie den Blutdruck aus seiner Balance bringen. Er sinkt bei plötzlicher Wärme, dadurch fühlen wir uns schlapp, und er steigt bei einem Kälteein bruch: Jetzt reagieren wir nervöser als sonst, sind angespannt.
  • Langfristig hilft ein Saunagang einmal pro Woche, Wetterschwankungen besser zu veretragen. Der Wechsel von heiß und kalt regt die Durchblutung an. Zu diesem Zweck lieber für kürzere Zeit in die 90 Grad heiße Sauna als längere Zeit in die 60-Grad-Bio-Sauna.

Dauerregen? Lächeln Sie klein

  • Schauen Sie nicht aus dem Fenster, sondern genießen Sie Ihr Zuhause! Aromathera pie bringt sonnige Stimmung: In eine Duftlampe 20 Tropfen Bergamotte-Öl mit Wasser geben und die aufsteigenden ätherischen Öle einatmen.
  • Streichen Sie sich gute Laune an die Wand! Farbpsychologen raten zu Gelb. Scheint künstliches Licht darauf, fühlen wir uns wie von der Sonne beschienen. Auch toll: roséfarbene Wände, denn die beruhigen. In den USA und neuerdings auch in Nordrhein Westfalen werden sogar Gefängnis zellen in der sanften Farbe angemalt.
Lade weitere Inhalte ...