Die Watsu-Therapeutin

Die Watsu-Therapeutin

VITAL besucht Frauen, die fernab der Schulmedizin kaum bekannte Verfahren gewählt haben, um zu helfen. Hier sagen sie, wie es dazu kam – und wie sie behandeln. Diesmal: Sibylle Schütz.

Sibylle Schütz© jalag-syndication.de
Sibylle Schütz

Der beruhigende Klan g indischer Sitarmusik schwingt durch die kleine Schwimmhalle – begleitet vom leisen Gurgeln des Wassers. Ohne Katharina aus den Augen zu lassen, führt Sibylle Schütz den im Wasser schwebenden Körper der jungen Frau sanft durch den Pool. Die Therapeutin hält und stützt, dehnt und massiert, lockert und streicht mit achtsamen, fließenden Bewegungen, während sich Katharina mit geschlossenen Augen der Choreografie ihrer Heilerin hingibt.

Nach der einstündigen Behandlung im 35 Grad warmen Wasser erzählt Katharina, dass sie sich leicht und frei fühle. Als habe das Wasser allen Stress buchstäblich aus ihr heraus - gelöst und weggewaschen. Sie sucht nach Worten, um das Geborgenheitsgefühl zu beschreiben, das sie empfunden hat – da lächelt Sibylle Schütz wissend, während sie ein paar Wassertropfen aus ihren blonden Locken schüttelt. Die 51-jährige Körpertherapeutin kennt die Mischung aus Ergriffenheit und Begeisterung, wenn ihre Klienten in die Tiefenentspannung abdriften und sich anschließend wie neugeboren fühlen. „Das ist für mich immer das schönste Kompliment“, sagt sie, „und auch der tiefere Sinn einer Watsu-Session: dass man gelöst und gelassen wird.“

Sibylle Schütz© jalag-syndication.de
Sibylle Schütz

Wasser-Shiatsu, kurz Watsu, ist eine bei uns noch wenig bekannte Form der Hydrotherapie, die der Amerikaner Harold Dull in den 80er- Jahren entwickelt hat. Der Shiatsu-Meister verlegte die asiatische Behandlungsmethode, bei der die Energieleitbahnen des Körpers durch Fingerdruckmassagen aktiviert werden, kurzerhand ins Wasser. Zum einen, weil der Auftrieb Gewicht nimmt und dadurch Bewegungen erlaubt, die auf dem Trockenen unmöglich wären. Zum anderen, weil man im warmen Wasser – ähnlich wie in einer Badewanne – ideal abschalten kann. „Das Wunderbare an Watsu ist, dass seelische Sorgen in den Hintergrund treten. Das trägt dazu bei, auch körperliche Blockaden leichter zu lösen. Die Atmung wird tiefer, der Lymphfluss verbessert und die Durchblutung der Muskeln, des Bindegewebes und der Haut angeregt“, erklärt Sibylle Schütz und lässt dabei ihre schönen schmalen Hände gestenreich miterzählen.

Sich fallen lassen in die Schwerelosigkeit

Wie ganzheitlich heilsam die Warmwassertherapie ist, erfuhr die in München lebende, studierte Theaterwissenschaftlerin am eigenen Leib. „Mir ging es in einigen Phasen meines Lebens gesundheitlich nicht gut. Und ich war immer auf der Suche nach etwas, das mich stärkt“, sagt sie nachdenklich, und ein kleine Falte gräbt sich bei dieser Erinnerung in ihre Stirn. „Weil ich sehr neugierig bin und mich schon immer für Körpertherapien, Persönlichkeitsentwicklung und esoterische Trends interessiert habe, probierte ich so einiges aus. Vom viel belächelten Seidenmal- Selbstfindungskurs in der Toskana über Bioenergetik bis zu den Fünf Tibetern“, erzählt sie weiter. Alles blieb jedoch ohne Nachhall – bis sie im Jahr 2000 einen Watsu-Einführungskurs belegte: „Getragen von den Armen des Therapeuten, schwebte ich im warmen Wasser und wusste: Das ist es! Diese Entspannung will ich anderen Menschen schenken.“ Denn obwohl Sibylle Schütz damals noch in der Presseabteilung eines Münchner Buchverlags arbeitete, spürte sie tief in ihrem Inneren schon lange den Wunsch, etwas völlig anderes zu machen.

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Den Körper strecken, dehnen, massieren

Parallel zum Job absolvierte sie eine zweijährige Ausbildung am Institut für Aquatische Körperarbeit in Freiburg. „Ich lernte alles Nötige über Anatomie und medizinische Grund - lagen, über Shiatsu, die Arbeit im Wasser und mit den Klienten“, erzählt sie und betont, wie wichtig das Einfühlen in andere sei. „Nur wenn ich im Vorgespräch erfahre, wo Schwachpunkte liegen und was den Klienten wichtig ist, kann ich im Wasser gezielt darauf eingehen.“

Weil sich Klientin und Therapeutin beim Watsu sehr nah kommen und es die Bereitschaft zum Loslassen erfordert, arbeitet Sibylle Schütz zu Beginn einer Stunde mit Floats und Pool-Noodles. Diese beiden Auftriebhilfen ermöglichen es dem Klienten in der „Aufwärmphase“, sich ohne viel Körperkontakt an das schwebende und passive Gefühl im Wasser zu gewöhnen. „Durch dieses Relaxen baut sich langsam Vertrauen auf, und ich kann mit der eigentlichen Therapie beginnen: den Körper strecken, dehnen, massieren und in meinen Armen durchs Wasser führen.“

Was steckt dahinter?

Sibylle Schütz
INFO:       Was steckt dahinter? Sibylle Schütz machte ihre Watsu-Ausbildung am renommierten Institut für Aquatische Körperarbeit. Infos: www.watsu.de, www.bewegende-beruehrung.deUnd die Forschung? Klinische Studien zur Wirksamkeit wurden bisher nicht erbracht. Untersuchungen der Universität Leeds belegen aber, dass Shiatsu Stress reduziert und Rückenbeschwerden bessert. Wem hilft die Methode? Menschen mit chronischen Schmerzen, Burn-out, Tinnitus, Kopf- und Rückenschmerzen.

Seit rund acht Jahren arbeitet Sibylle Schütz als Therapeutin, bietet neben Watsu auch das klassische Shiatsu sowie Rebalancing und Tibetische Massagen in einem Münchner Zentrum für Bodywork an: „Die Ausbildungen habe ich nach und nach gemacht, bis ich mich so weit fühlte, um den Sprung in die Selbstständigkeit zu wagen.“ Weil sie auch „ein bisschen was für den Kopf“ tun und ihr über die Jahre gewachsenes Netzwerk pflegen will, macht sie zusätzlich etwas Pressearbeit. Ihr Herz schlägt allerdings für Watsu, „weil ich es toll finde, wie wohl sich andere danach fühlen“. Und auch sie profitiert davon: „Während einer Behandlung merke ich jedes Mal, wie ich selbst runterkomme, auch wenn ich vorher noch so viel Hektik hatte.“ Für Sibylle Schütz ist Watsu „das Schönste, das es auf der Welt gibt“ und immer wieder aufs Neue ein Geschenk.

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