Die Vier-Elemente-Medizin

Die Vier-Elemente-Medizin

Eine mehr als 2500 Jahre alte Theorie erlebt jetzt in der Medizin ein Comeback: Immer mehr Studien belegen, wie sanft und wirksam die vier „Urstoffe“ Erde, Feuer, Luft und Wasser viele Beschwerden lindern.

Vier-Elemente-Medizin© thinkstock
Vier-Elemente-Medizin

Patienten, die über einen zu niedrigen Blutdruck klagen, reicht Prof. Jens Jordan von der Medizinischen Hochschule Hannover ein großes Glas Leitungswasser. 500 Milliliter sollen sie in einem Zug trinken. Wenig später steigt ihr Blutdruck um bis zu 50 mmHg. Warum, fand Jordan jetzt mit Kollegen aus Berlin heraus. Sie spürten in der Leber bislang unbekannte „Antennen“ auf, die den Wasserhaushalt überwachen und so indirekt den Blutdruck beeinflussen. Im kanadischen Burnaby ließ Dr. Ryan Allen in 25 Haushalten Schwebstoffluftfilter einbauen, ohne den Bewohnern zu verraten, ob und wann sie in Betrieb gingen. Nach 14 Tagen checkte Allens Team die Gefäßfunktion der Testpersonen. Hatte der Filter die Raumluft gesäubert, verbesserte sich der Blutfluss um zehn Prozent, und der Entzündungsparameter CRP (C-reaktives Protein) ging um fast 33 Prozent zurück.

Das heißt im Klartext: Je sauberer die Luft, desto gesünder sind unsere Blutbahnen. Gegen Übergewicht veröffentlichten Forscher des University College London gerade ein ähnlich simples Mittel: weniger Feuer, also die Heizung drosseln. Seit den 70er-Jahren stieg die Durchschnitts-Raumtemperatur in Europa von 18 auf 21 Grad Celsius. Die Folgen: Unser Körper setzt weniger Energie um, und seine Fähigkeit, ungesundes Fett abzubauen oder umzuwandeln, lässt nach. Kurz: Wir nehmen zu. Als Gegenmaßnahme empfehlen die Forscher eine Raumtemperatur mit Brrrr-Faktor: 16 °C. Dann verbrennt der Körper in 18 Tagen 3600 Kalorien mehr.

Adressen

Deutscher Heilbäderverband e. V., Reinhardtstr. 46, 10117 Berlin, Tel. 0 30/24 63 69 20, www.deutscher-heilbaederverband.de
Deutscher Heilstollenverband, Marktplatz 2, 73470 Aalen, Tel. 0 73 61/52 23 62, www.deutscher-heilstollenverband.de
Verband Deutscher Thalasso-Zentren e. V., Neustrelitzer Str. 9, 18109 Rostock, Tel. 03 81/ 77 74 05, www.thalasso-verband.de
Interdisziplinäre Arbeitsgruppe Hyperthermie, Münchner Str. 23–29, 82335 Berg, Tel. 0 81 51/1 70, www.hyperthermie.org

Wer seine Heizung drosselt, kann Übergewicht vermeiden

Das sind lediglich drei von zahlreichen aktuellen Studien, die alle belegen: Es entsteht eine neue Vier-Elemente- Medizin. Die Idee des griechischen Philosophen Empedokles, dass alles Sein, also auch der Mensch, aus Erde, Feuer, Luft und Wasser besteht, erlebt eine Renaissance. Natürlich ist seine Idee, dass Krankheiten durch ein Ungleichgewicht dieser Elemente entstehen, inzwischen nicht mehr haltbar. Aber: Unser Körper produziert Wärme, besteht zu 70 Prozent aus Wasser, atmet Luft und braucht Mineralien (Erde). Zu Empedokles’ Zeiten linderte man Beschwerden deshalb, indem man Elemente zuführte. Und genau das tut die moderne Vier-Elemente-Medizin heute wieder – sehr erfolgreich! Hier stellen wir Sie Ihnen vor und sagen, wann sie hilft.

2500 Jahre alt - modern wie nie

Die griechischen Philosophen stritten heftig darüber, was (oder wer) die Welt im Innersten zusammenhält. Es ist das Wasser, verkündete Thales von Milet. Nein, die Luft, entgegnete Anaximenes. Unsinn, das Feuer ist der Urstoff, behauptete Heraklit. Empedokles (495–435 v. Chr.) stoppte den Zwist: Alles Sein bestehe aus den vier Elementen Erde, Feuer, Luft und Wasser, sagte er. Der Mensch und jedes Ding setze sich anteilig aus diesen Elementen zusammen. Kommt es im Körper zu einem Elemente-Ungleichgewicht, wird er krank. Ihn zu heilen, heißt im Sinne der Vier-Elemente-Lehre: den fehlenden Urstoff zuführen oder z. B. ein zu starkes Feuer ausleiten.

Die Elemente im Kurzportrait:


LUFT
Menschen, bei denen dieses Element dominiert, sind lebhaft. Folgende Behandlungsmethoden nutzen es: die Klimatherapie (Kur am Meer oder im Gebirge), die Speläotherapie (Aufenthalt in Stollen mit z. B. Radon-haltiger Luft), die Ganzkörper-Kältetherapie (kurzer Aufenthalt in bis zu -145 °C kalter Luft).

WASSER-Charaktere sind ruhig bis schwerfällig. Zur „Wasser-Medizin“ gehören: Kneippkuren, Balneo- oder Thalassotherapie (Behandlung mit Meerwasser), Heilbäder, Trinkkuren, Güsse, Inhalationen mit Wasserdampf.

ERDE steht für Verlässlichkeit, aber auch Schwermut. Folgende Methoden nutzen das Element: Moorbäder und -packungen, Fango (Behandlung mit Vulkanschlamm), Thalasso (Therapie mit Schlick) und Heilerde.

FEUER macht willensstark, aber auch jähzornig. Folgende „Feuer-Therapien“ gibt es: Hyperthermie (Überwärmung des Körpers mit Ultraschall, Mikrowellen oder 40–45 °C warmer Spülung), äußere Wärmeanwendungen (Packungen, Umschläge, Pflaster, Rotlicht, Wärmflasche, Heizkissen).

LUFT

Jeder Atemzug liefert reine Energie

Ohne Luft kann unser Körper keine Energie gewinnen. Adenosintriphosphat (ATP) heißt dieser Treibstoff, den „Mini-Kraftwerke“ in den Zellen mithilfe von Sauerstoff bilden. Gegen Cluster-Kopfschmerzen empfiehlt sogar die Weltgesundheitsorganisation hoch konzentrierten Sauerstoff. Davon abgesehen nehmen wir mit jedem Atemzug Luftbestandteile auf, die uns guttun.

Tief einatmen: wie Luft heilen kann
Am Meer oder im Hochgebirge geht es vor allem Allergikern und Asthmatikern besser. Jetzt ist klar, warum: Die Luft an Nord- und Ostsee enthält salzhaltige Wassertröpfchen. Dieses „Reizklima“ bessert die Lungenfunktion um bis zu 22 Prozent. Das maritime Aerosol, so der Fachbegriff, senkt außerdem massiv die Zahl der Keime im Nasen-Rachen-Raum und steigert die allgemeine Leistungsfähigkeit. Bei Neurodermitispatienten glättet die Seeluft obendrein die Haut. Anders in den Bergen: Dort passt sich der Körper an den geringeren Sauerstoffgehalt der Luft an. Schon in einem dreiwöchigen Wanderurlaub normalisiert sich der Blutdruck, verbessern sich Blutzucker, Blutfettwerte, und der Körperfettanteil sinkt, fand man an der Universität Innsbruck heraus. Neurodermitisbeschwerden gehen um die Hälfte zurück, Asthmatiker und Patienten mit der chronischen Lungenerkrankung COPD brauchen im Anschluss weniger Medikamente und haben auch weniger Entzündungsmarker im Blut. Einen ähnlichen Effekt hat extrem kalte Luft (-145 °C) bei Rheumatikern: Noch zwei Monate nach so einer Kältetherapie zwickt es deutlich weniger in ihren Gelenken.

Tipp für zu Hause
Es klingt banal: Gehen Sie so oft wie möglich raus an die frische Luft! Dr. Agnes van den Berg von der Universität Wageningen in Holland fand z. B. kürzlich heraus, dass Menschen, die einen Schrebergarten haben, deutlich seltener zum Arzt müssen.

WASSER

Der Körper ist nicht krank, sondern durstig
(Meer-)Wasser bedeckt rund 70 Prozent unseres Planeten. Diese enorme Verfügbarkeit führte mit dazu, dass das Naturelement schon früh als Heilmittel galt. Kaum ein Stoffwechselprozess in unserem Körper funktioniert ohne Wasser, die Zellen brauchen es für den Informationsaustausch. Wasser ist so wichtig, dass wir eigene Rezeptoren dafür haben (Studie der Medizinischen Hochschule Hannover). Schwimmend wird der Körper fast schwerelos und bekommt von allen Seiten eine sanfte Druckmassage.

Eintauchen in die Medizin: wie Wasser heilen kann
Eine Hydrotherapie mit Meer- oder Thermalwasser bessert nachhaltig das Hautbild bei Neurodermitis, Schuppenflechte oder Vitiligo, wie eine neue französische Studie mit mehr als 14 000 Patienten belegt. Zusätzlich lindern Wasserbehandlungen die Schmerzen von Fibromyalgie- und Arthritispatienten, verbessern deren Gelenkfunktion und führen dazu, dass Betroffene ihre Lebensqualität wieder deutlich positiver einschätzen, so eine umfangreiche Meta-Analyse der Uni Essen. Auch Pfarrer Sebastian Kneipp hatte recht: Forscher der Uni Halle-Wittenberg wiesen kürzlich nach, dass Wassertreten dazu führt, dass unser Körper mehr Abwehrzellen bildet und Infekte besser wegsteckt – wenn man es mindestens vier Wochen lang regelmäßig macht. Wasser heilt jedoch nicht nur von außen. Aktuelle Vergleiche belegen, dass Inhalieren mit Meerwasser bei Heuschnupfen und Atemwegserkrankungen mindestens so gut hilft wie andere Mittel. Es wirkt abschwellend, schleimlösend und durchblutungsfördernd. Und Wasser, das viel Kieselsäure enthält, kann sogar vor Alzheimer schützen, wie eine französische Studie an rund 7600 Frauen zeigte. Ist es reich an Magnesium, sinkt das Diabetesrisiko, und Wasser mit viel Hydrogencarbonat schützt das Herz.

Tipp für zu Hause
Zwei- bis dreimal wöchentlich die Badewanne zu drei Viertel mit kaltem Wasser füllen und mit nackten Unterschenkeln 1–2 Minuten im Storchen gang darin hin und her gehen. Das Wasser nur abstreifen, nicht abtrocknen. Warme Socken über die Füße ziehen und danach kräftig bewegen. Das stärkt die Abwehrkräfte!

ERDE

Ärzte verordnen Schlamm statt Tabletten
Bereits 3000 v. Chr. nutzten die Ägypter Erde als Heilmittel. Die sogenannte Geophagie – das „Erdeessen“ – war bei vielen Naturvölkern ein übliches Ritual. Ob Lehm, Löss, Schlamm oder Ton, die winzigen mineralischen Teilchen verfügen alle über zwei geniale Eigenschaften: Sie haben eine gigantische Oberfläche, also jede Menge Platz für Schadstoffe aus ihrer Umgebung, und können diese auch in ihrem Inneren einschließen – für immer.

Magnet und Schwamm: wie Erde heilen kann
Wird ein Element seit so langer Zeit genutzt, spricht das für seine Wirksamkeit. Aber lässt die sich auch wissenschaftlich messen? Ja! Eine Studie der Berliner Charité zeigt, dass Heilerdemasken Hautprobleme wie Pickel oder Mitesser innerhalb von sechs Wochen erheblich lindern. Auch im Kampf gegen Arthrose setzen Forscher der Universität Torkat in der Türkei eher auf warme Moorpackungen als auf Hyaluronsäurespritzen. In einer aktuellen Studie wirkten beide Therapien gleich gut, aber die Moorpackungen hatten keine Nebenwirkungen und führten bei den Patienten auch dazu, dass ein wichtiger Entzündungsparameter nicht weiter anstieg. Innerlich angewendet, bindet Heilerde überschüssige Magen- und Gallen säure, stoppt Bakterien, die unsere Darmflora schädigen, und hilft, ungesunde Fette und Cholesterine aus der Nahrung einfach auszuscheiden. Außerdem lindert sie Völlegefühl, Blähungen und Übelkeit.

Tipp für zu Hause
Heilerdekompresse: 3–4 EL Heilerde in einem Liter kaltem Wasser 1–2 Stunden aufschwemmen lassen. Ein ausreichend großes Tuch eintauchen, abtropfen lassen, nass auf die entzündete Stelle legen und mit einem trockenen Tuch fixieren. 30–90 Min. wirken lassen.

FEUER

Viren mögen keine Wärme
In jedem von uns lodert ein kleines Feuer: Nur bei einer Temperatur zwischen 35,8 und 37,2 °C läuft unser Stoffwechsel optimal. Befallen uns Krankheitserreger, reagiert der Körper mit Fieber. Dadurch kann das Immunsystem schneller arbeiten, und hitzeempfindlichen Viren und Bakterien fällt es schwer, sich zu vermehren – ein Mechanismus, den die Vier-Elemente-Medizin auch im Kampf gegen Krebs einsetzt.

Den Schmerzen einheizen: So kann Feuer heilen
Bevor Patienten der Universitätsklinik Göttingen in den OP geschoben werden, legen die Pflegekräfte in der Wartezone eine Decke über sie und schalten einen Luftwärmer ein. „Präoperative Vorwärmung“ nennen sie das. Dadurch überstehen die Patienten ihre Eingriffe besser, das Infektionsrisiko nach der OP sinkt erheblich. Auch bei Krebspatienten, die vor ihrer Behandlung auf 40 bis 45 °C „überwärmt“ werden, wirken Bestrahlung oder Chemotherapie besser. Denn die sogenannte Hyperthermie, das zeigen mittlerweile mehrere große Studien bei unterschiedlichen Krebsarten, macht Tumore empfindlicher. Eine andere, ebenfalls sehr effektive Tiefenwirkung haben Wärmesalben gegen Muskelverspannungen, wie Forscher der Deutschen Sporthochschule Köln mit einem speziellen Infrarotverfahren herausfanden. Schon 15 Minuten nach dem Auftragen regt die Salbe in bis zu 25 mm Tiefe die Durchblutung stark an. Die Schmerzen lassen nach, die Beweglichkeit nimmt deutlich zu. Fibromyalgiepatienten können nach einer „Feuer“- Therapie mit Infrarotstrahlung mit Schmerz besser umgehen.

Tipp für zu Hause
Heißer Kartoffelwickel gegen Halschmerzen: 2–3 Kartoffeln kochen, auf einem schmalen langen Tuch zerquetschen und verteilen. Tuch umschlagen, um den Hals legen und mit einem weiteren Handtuch befestigen. 20 Minuten einwirken lassen.

Diese drei Therapien nutzen die Kraft von mehreren Elementen

Die Balneotherapie verbindet Heilwasser-Trinkkuren, spezielle Bäder (z. B. in Schwefelwasser), Kneippanwendungen, Inhalationen, Wickel, Moor- und Schlammpackungen mit Bewegung, Sport und einer Ernährungsumstellung.

Die Klimatherapie ruht auf drei Säulen. Erstens regulieren Temperatur, Feuchtigkeit, Windstärke und der Sauerstoffgehalt der Luft am Kurort den Blutdruck und die Atmung. Zweitens bewirkt ein hoher Salzgehalt der Luft oder eine schadstoffarme und pollenfreie Umgebung ein Abklingen der Beschwerden. Bei Menschen mit Hautkrankheiten macht sich drittens vor allem die stärkere UV-Strahlung am Kurort positiv bemerkbar. Eine besondere Form der Klima- ist die Heilstollentherapie.

Die Thalassotherapie nutzt die „Kraft des Meeres“. Zum Einsatz kommen das Meerwasser selbst (Bäder, Duschen, Inhalationen), das Reizklima (z. B. Wandern oder Nordic Walking in der Brandungszone, siehe Klimatherapie), Packungen, Masken oder Wickel mit Meersalz, Schlick oder Algen sowie Massagen und Gymnastik. Wie die Balneo- hilft auch die Thalassotherapie beim Stressabbau, sie steigert das Wohlbefinden bei Rheuma und (chronischen) Muskelverspannungen, lindert Schlafprobleme und unterstützt den Körper beim Abnehmen und Entschlacken.

ZAHLEN DIE KRANKENKASSEN?
Die Kostenübernahme für Behandlungen nach der Vier-Elemente-Medizin ist in den meisten Fällen eine sogenannte Einzelfallentscheidung. Das bedeutet: Ein Arzt, der Ihnen eine entsprechende Therapie verordnen will, oder die (Kur-)Klinik, in der Sie sich behandeln lassen möchten, muss die medizinische Notwendigkeit gegenüber der Kasse vorher ausreichend begründen. 48 Heilerdekapseln bekommen Sie allerdings schon für ca. 7 Euro, 15 Minuten Meeresschlickbad kosten etwa 40 bis 45 Euro und eine Woche Heilstollentherapie ab 130 Euro. Das sogenannte Hufelandverzeichnis listet einige der hier vorgestellten Therapien auf. Es wird von der Hufelandgesellschaft in Berlin (www.hufelandgesellschaft.de) herausgegeben. Private (Zusatz-) Versicherungen erstatten alle darin genannten Naturheilverfahren. Immer mehr gesetzliche Versicherer führen inzwischen ebenfalls „Tarife mit Naturheilkunde-Schwerpunkt“ ein. Also: unbedingt nachfragen!

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