Die richtige Zahnpflege

Die richtige Zahnpflege

Klar wissen wir, dass Bakterien den Zähnen schaden. An Rheuma und Frühgeburten denken wir nicht. Sollten wir aber: Neue Studien belegen, wie eng Kiefer und Körper verbunden sind

Zähne© Kurhan - Fotolia
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Der Job ist hart, und sie müssen sich ein Leben lang durchbeißen, buchstäblich. Mehr als 150 000 Mahlzeiten und geschätzte 25 Tonnen Nahrungsmittel zerkleinern wir in 75 Jahren mit unseren Zähnen. Aber die sind weit mehr als bloße Kauwerkzeuge. Zusammen mit den Kiefern, der Zunge, dem Zahnfleisch, den Schleimhäuten und dem Speichel bilden sie ein hochkomplexes System, das nicht selten darüber entscheidet, ob wir gesund bleiben oder krank werden.

Doch die wenigsten wissen das und – viel wichtiger! – pflegen es entsprechend. Allerdings fällt es Laien auch schwer, sich vorzustellen, dass Schmerzen in den Gelenken, ein quälender Pfeifton im Ohr oder ständig aufflackernde Entzündungen mit den Zähnen zusammenhängen könnten. Noch weniger mögen sie das bei Problemen mit den Blutgefäßen, den Nieren oder der Leber glauben.

ADRESSEN & TIPPS

www.gzm.org Auf ihrer Seite bietet die Internationale Gesellschaft für Ganzheitliche Zahnmedizin umfangreiche Infos. Per Postleitzahl kann man Ärzte und Therapeuten in der Nähe suchen

www.prodente.de Hier steht alles, was man aktuell rund um Zähne und Zahnersatz wissen möchte. Super: der CMD-Selbstcheck

Tatsächlich finden Forscher ständig neue Belege dafür, dass die Mundgesundheit unser allgemeines Wohlbefinden und unsere Lebensqualität erheblich beeinflusst. „Ausgehend von einer Fehlstellung der Kiefer, der Unverträglichkeit von Füllmaterial oder einem vereiterten Zahn können sich handfeste und mitunter lebensbedrohliche Erkrankungen wie ein Herzinfarkt oder Schlaganfall entwickeln“, warnt der in Herne praktizierende Zahnarzt Dr. Wolfgang H. Koch, stellvertretender Vorsitzender der Internationalen Gesellschaft für Ganzheitliche Zahnmedizin (GZM) in Mannheim.

Über das Blut gelangen Bakterien in den gesamten Körper

Über das Blut gelangen Bakterien aus dem Mund in den gesamten Körper

Im Fokus der Wissenschaft steht vor allem die Parodontitis, eine chronisch verlaufende Entzündung des Zahnfleisches, oft fälschlicherweise Parodontose genannt. Etwa die Hälfte aller Deutschen leidet darunter. Ausgelöst wird sie durch unterschiedliche Bakterien; unbemerkt breiten sie sich vom Zahnfleischrand weiter aus, bis sie auch die tiefer liegenden Zahnwurzeln erreichen.

Das Fatale: Über kleinste Verletzungen, die beim Zähneputzen und -reinigen entstehen, gelangen die Parodontitis-Bakterien in den Blutkreislauf und wandern durch den gesamten Körper, wo sie bevorzugt zwei Organe befallen: die Bauchspeicheldrüse und das Herz. Warum das so ist, weiß die Forschung noch nicht. Bislang kreisen die Wissenschaftler die Hauptziele der Bakterien ein und entdecken immer neue, unerwartete Zusammenhänge. So fanden Gynäkologen der Universität von South Carolina/USA bei Untersuchungen von Frühgeburten heraus, dass Keime aus der Mundhöhle in der Gebärmutter siedeln und dort vermutlich die Produktion wehenauslösender Hormone anregen. Die Studie belegt außerdem, dass Frauen, deren Kinder zu früh zur Welt kamen, durchschnittlich siebenmal häufiger an einer Parodontitis litten.

Mundkeime stehen sogar im Verdacht, Krebs auszulösen

Besonders gefährlich sind die gefäßverengenden Eigenschaften der Bakterien. „Die Keime setzen sich an den Innenwänden der Blutgefäße fest, rauen sie auf und können so signifikant das Herzinfarktrisiko steigern“, erklärt Experte Koch.

Wie genau diese Abläufe mikrobiologisch funktionieren, soll eine derzeit anlaufende Studie der Universität Halle-Wittenberg klären, für die Patienten mit Problemen an den Herzkranzgefäßen untersucht werden. Fest steht schon jetzt: Das chronisch entzündete Zahnfleisch treibt das Schlaganfallrisiko in die Höhe, wie Forscher aus Heidelberg und Würzburg herausfanden. Auch Nieren- und Leberschäden, rheumatische Erkrankungen, Typ-2-Diabetes und sogar Krebs werden mit Parodontitis in Verbindung gebracht.

Dabei treten die bislang bekannten, etwa 600 verschiedenen Arten von Mikroorganismen, die in unserem Mund siedeln, zunächst nicht als böse Zerstörer auf. Die meisten Bakterien, die sich hier tummeln, unterstützen sogar die Abwehr und die Schutzwirkung der Schleimhäute. Erst wenn sie sich zu stark vermehren, werden die winzigen Organismen gefährlich. Häufigster Grund: mangelhafte Zahnpflege. Dann können die neutralisierenden Enzyme und Mineralstoffe im Speichel irgendwann allein nichts mehr ausrichten. Der Zahnbelag verwandelt sich in eine regelrechte Brutstätte für noch mehr Keime. Die bilden Säuren, Stoffwechselprodukte und Zellgifte, die den Zahnschmelz zerfressen und das Zahnfleisch angreifen.

Regelmäßiges Zähneputzen und eine gute Prophylaxe sind das A und O

Regelmäßiges Zähneputzen und eine gute Prophylaxe sind das A und O

Um das schon im Ansatz zu verhindern, kommt der richtigen und regelmäßigen Zahnpflege eine entscheidende Rolle zu. Zweimal täglich sollten die Zähne mindestens geputzt werden. Dabei gilt: Schrubben ist out! Die Bürste etwa im 45-Grad-Winkel am Zahnfleischrand aufsetzen und leicht rütteln. Danach die so gelockerten Beläge mit sanftem Druck vom Zahnfleisch in Richtung Zähne ausstreichen.

Vor allem abends sollte man sorgfältig putzen, weil der Körper nachts weniger Speichel produziert und die Zähne möglichen Attacken nahezu schutzlos ausgeliefert sind. Besonders wichtig bei der Prophylaxe: Finger weg vom Nikotin! „Rauchen erhöht das Risiko, an Parodontitis zu erkranken, um ein Vielfaches“, so der Zahnarzt und Physiker Prof. Dr. Franz Sander aus Ulm. Denn der giftige Qualm beeinträchtigt die Durchblutung und schwächt die Abwehrkräfte von Zahnfleisch und Mundschleimhaut erheblich.

„Lassen Sie sich alle sechs Monate vom Zahnarzt untersuchen, um Schäden möglichst früh zu beseitigen“, rät Prof. Sander. Im gleichen Rhythmus empfiehlt er eine professionelle Zahnreinigung, bei der die Zahnhälse und Zahnfleischtaschen kontrolliert und gesäubert werden. In immer mehr Praxen kommen dabei mittlerweile schonende Laser- und Ultraschallverfahren zum Einsatz, der oft unangenehme Schaber hat ausgedient. Wer unter einer bereits fortgeschrittenen Parodontitis leidet, wird zusätzlich mit Antibiotika und einer individuellen Immuntherapie versorgt, um die Bakterien in Schach zu halten. Droht ein Zahn auszufallen, müssen ausgeprägte Zahnfleischtaschen schlimmstenfalls operativ verkleinert werden.

Schon kleinste Fehlstellungen der Zähne können Schmerzen auslösen

Doch auch die beste Mundhygiene hilft manchmal nicht weiter. Dann liegt es weniger an der Sauberkeit, sondern an der Mechanik. Während wir Erdnüsse knabbern, Fleisch kauen oder in einen Apfel beißen, wirken in den Kiefergelenken und an den Zähnen gewaltige Kräfte. Schon kleinste Fehlstellungen können zu Verspannungen im ganzen Körper führen, wie Untersuchungen der Deutschen Gesellschaft für Kieferorthopädie in Gießen beweisen. So sind beispielsweise die Kaumuskeln eng mit der Wirbelsäule verbunden. Auch winzige Unebenheiten, wie sie etwa von Füllungen herrühren, oder minimale Zahnverschiebungen verursachen oft chronische Beschwerden.

Fast jeder dritte Patient mit Ohrgeräuschen hat fehlbelastete Kiefer

Zahnärzte und Kieferorthopäden sprechen dann von einer craniomandibulären Dysfunktion, kurz CMD. Epidemiologen gehen davon aus, dass etwa acht Prozent der Bevölkerung, also mehr als sechs Millionen Deutsche, darunter leiden. Sie haben Ohren-, Kopf- oder Nackenschmerzen, Schwindelanfälle, Schmerzen im Gesicht, können ihren Kopf kaum noch drehen – und ahnen nicht, dass ihre Zähne dahinterstecken. Sogar zu Problemen an der Achillessehne oder Muskelverhärtungen kann ein schiefer Biss führen. Und bei fast jedem dritten Tinnitus-Patienten fanden HNO-Ärzte der Universität Greifswald in einer aktuellen Studie ebenfalls fehlbelastete Kiefergelenke.

Aufzuspüren, wo etwas nicht mehr passt oder zu stark drückt, erfordert echte Detektivarbeit. Die wichtigsten Indizien: Es fällt schwer, den Mund weit zu öffnen, die Kiefergelenke knacken hörbar, der Betroffene knirscht nachts mit den Zähnen. Bei solchen Symptomen ist es höchste Zeit für einen Zahnarzttermin. „Dank computergestützter Untersuchungsmethoden und Kernspintomographie ist es heutzutage möglich, solche Kieferprobleme viel genauer zu diagnostizieren“, sagt Prof. Sander. In den meisten Fällen stecken Knorpelverlagerungen, eine sogenannte Bissvertiefung oder zu hohe Zahnfüllungen dahinter. Doch auch der umgekehrte Fall kommt vor: Dann haben die Betroffenen zunächst körperliche, meist orthopädische Beschwerden (z.B. einen Beckenschiefstand), die am Ende auch die Kiefer und die Zähne belasten.

Entsprechend muss auch die Behandlung einer CMD an mehreren Punkten ansetzen. Mit Aufbiss- Schienen werden zunächst die Kiefergelenke entlastet. Falls nötig, korrigiert der Arzt schonend falsch gesetzte Füllungen und schlecht sitzenden Zahnersatz. Häufig führen Kieferfehlstellungen auch zu Muskelverspannungen, die im Rahmen einer Physiotherapie gelöst werden können. Um die CMD-Schmerzen zu lindern und zu verhindern, dass sie chronisch werden, kommen Medikamente oder die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) infrage. Alles in allem hat sich so eine neue medizinische Fachrichtung entwickelt, die intensiv versucht, die Verbindungen zwischen Kiefer und Körper noch genauer zu verstehen – damit nicht nur die Zähne gesund bleiben.

DIE RICHTIGE ZAHNPFLEGE

  • Zahnbürste: Prüfen Sie regelmäßig die Borsten. Die sind oft schon nach 14 Tagen verbogen, das mindert die Putzleistung. Die rotierenden Köpfchen elektrischer Bürsten reinigen optimal. Neuere Modelle vibrieren im Schallbereich, Beläge werden so rüttelnd gelöst (z. B. „Oral-B“, Apotheke).
  • Zahncreme: Zu viele Schmirgelstoffe (Silikate) schaden dem Zahnschmelz. Besser: weiche Kügelchen mit geringerem Abrieb, die auch die Zwischenräume reinigen (z. B. in „Pearls & Dents“, Apotheke, www.pearls-dents.de). Der auf der Tube angegebene REA-Wert sollte 2–3 betragen. Fluor und Xylit senken das Kariesrisiko und bekämpfen Bakterien.
  • Interdentalbürsten: Der Umgang erfordert Übung. Doch gründlicher kann man Beläge zwischen den Zähnen nicht entfernen (z. B. „R.O.C.S.“, Apotheke). Mundspülungen mit Zink- Ionen (z. B. in „Bio Repair“, Apotheke) hemmen die Zahnsteinbildung und wirken antibakteriell. Wichtig: Nicht zu oft anwenden, weil die Mikroben sonst immun gegen die Reinigungssubstanzen werden.
  • Kaudragees sind prima für die Zahnpflege zwischendurch: Sie reinigen die Zähne mechanisch, fördern die Remineralisierung und regen den reinigenden Speichelfluss an (z. B. „Lacalut aktiv“, Apotheke und Drogerie).
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