
Der große Unterscheid
Kopfschmerz äußert sich meistens als rundum dumpf drückendes Gefühl, manchmal an Stirn oder Hinterkopf stärker ausgeprägt. Oft ist gleichzeitig die Muskulatur im Bereich von Kopf und Nacken verspannt.
Migräne bahnt sich oft mit Übelkeit, Licht- und Lärmempfindlichkeit an. Test: Kopf nach unten hängen lassen und schütteln. Wird der Schmerz stärker, ist’s klar: Nur Migräne verschlimmert sich bei Bewegung.
"Ohne mich!“ Wie Sie Kopfschmerzen und Migräne ausbremsen
Kopfschmerzen vorbeugen
Genug trinken: Zu wenig Flüssigkeit verringert das Fließtempo des Blutes. Dadurch lässt die Versorgung der Zellen nach und der Kopf beginnt zu hämmern. Trinken Sie täglich zwei Liter Wasser oder Kräutertee.
Locker werden: Täglich 20 Minuten in der Badewanne abspannen. Die Wärme durchblutet die Muskeln vermehrt, beruhigt die Nerven und beugt auch Verspannungen vor.

Sauerstoff-Power: Frische Luft pustet den Kopf durch und liefert neuen Sauerstoff. Keine Zeit für regelmäßige Spaziergänge? Dann bringt es auch was, die Fenster zu öffnen und ausgiebig zu lüften.
Migräne vorbeugen
Im Rhythmus bleiben: Zur gewohnten Zeit ins Bett gehen, auch am Wochenende, insgesamt genug schlafen. Keine Mahlzeit auslassen! Hunger und ein zu niedriger Blutzuckerspiegel lösen Attacken aus.
Sich bewegen: Ausdauersport (walken, Rad fahren ) regt alle Stoffwechselprozesse des Körpers an. Ideal sind dreimal 30 Minuten Training pro Woche.
Medikamente: In schweren Fällen können Mittel helfen, die sonst z. B. bei Bluthochdruck oder Depressionen verabreicht werden. Als Erfolg gilt, wenn Häufigkeit und Stärke der Attacken mindestens um die Hälfte abnehmen.
Was wirklich bei Migräne hilft
Diese spezielle Art des Kopfschmerzes erfordert eine spezielle Therapie
Einfache Mittel zu Beginn: Erste Schmerzsignale lassen sich mit klassischen Wirkstoffen stoppen,etwa Acetylsalicylsäure, Ibuprofen oder Diclofenac. Studien zeigen: eine frühe und (gemäß Beipackzettel) hoch dosierte Einnahme hilft meist zuverlässig. Brause- oder Kautabletten, Gels und Zäpfchen kann der Körper besonders schnell aufnehmen. Paracetamol wirkt gut bei Übelkeit und Erbrechen.

Triptane gegen das Wummern: Akute Attacken werden erfolgreich mit Triptanen bekämpft. Diese Arzneigruppe (besteht aus sieben Substanzen) kam Mitte der 1990er-Jahre auf den Markt und hilft 90 Prozent aller Migränepatienten. Triptane wirken ausschließlich bei Schmerzen im Kopf. Dort hemmen sie die Ausschüttung entzündlicher Eiweiße, blocken Schmerzreize an der Hirnrinde und verengen die Blutgefäße im Gehirn. Außerdem dämpfen sie Brechreiz, Licht- und Lärmempfindlichkeit. Welches der Triptane für Sie infrage kommt, sollten Sie zusammen mit Ihrem Arzt entscheiden. Nur ein Triptan bekommen Sie rezeptfrei in der Apotheke.
Ruhe, bitte! Ein Migräneanfall ist ein Alarmsignal des Gehirns, das dringend eine Pause einfordert. Widerstand zwecklos. Jetzt helfen Rückzug, Abgeschiedenheit und Schlaf.
Temperatur-Impulse setzen Lokale Kältereize an Schläfen oder Stirn lindern den Schmerz, darum griffbereit Coldpacks oder Pfefferminzöl (kühlt die behandelten Stellen) lagern. Manchen hilft auch Wärme: Eine heiße Rolle oder ein Wärmekissen im Nacken lockert die Muskulatur, entspannt die Nerven.
Interview mit einem Migräne-Patienten
"Nach 20 Jahren endlich eine Perspektive"
In der Migräne-Klinik lernte die Patientin Sonja Weber*, 45, Lehrerin, viel über sich nach
*Sonja Weber wollte aus beruflichen Gründen weder ihren echten Namen noch ihr Foto veröffentlichen
Es fing in meiner Jugend an – noch vereinzelt. Ich hatte manchmal nach der Disco Kopfweh, lag am nächsten Tag mit Übelkeit im Bett. Auf
die Idee, dass es Migräne sein könnte, die durch den Lärm und das Flackerlicht ausgelöst wurde, kam ich aber nicht. Vor 20 Jahren wurde es dann regelmäßig. Mindestens viermal im Monat kam eine Attacke, begleitet von Übelkeit und Erbrechen. Ich glaubte, ich hätte bloß das Pech, unter besonders starken Kopfschmerzen zu leiden. Dass zwischen Migräne und Spannungskopfschmerz ein Unterschied besteht, wusste ich noch nicht.
Mein Job durfte auf keinen Fall darunter leiden. Der Schmerz hat mich jedes Mal 24 Stunden ausgeknockt. Aber das durfte nicht sein, weil ich nach dem Referendariat gerade meine erste Stelle als Lehrerin angetreten hatte. Die wollte ich unter keinen Umständen gefährden. Ich arbeitete an einer Schule mit kleinem Kollegium. Es ging nicht, dass da einer regelmäßig ausfällt. Ich schluckte Schmerztabletten, versuchte alles, um nicht krankgeschrieben zu werden. In dieser Zeit rannte ich von Ärzten zu Heilpraktikern und kam schließlich auf 18 Therapie- versuche. Ich habe alles probiert, von der Iris-Diagnostik über Akupunktur zu Sport und Chiropraktik. Aber nichts und niemand konnte mir helfen.
Die ersten Triptane – eine Offenbarung. Mein Arzt machte mich auf die neuen Mittel aufmerksam – sie wirkten tatsächlich! Ich war überglücklich. Jetzt hatte ich fast keine Fehltage mehr. Bei den ersten Anzeichen schluckte ich die Tabletten, die ich mir von mehreren Ärzten verschreiben ließ. Mein Konsum steigerte sich ständig. Schließlich nahm ich bis zu 17 Tabletten im Monat. Die Regel der Deutschen Gesellschaft für Migräne und Kopfschmerz – nicht öfter als an zehn Tagen im Monat und nicht mehr als drei Tage hintereinander –, hatte ich längst überzogen. Das rächte sich. Wenn ich die Tabletten absetzte, bekam ich Kopfweh. Entzugsschmerzen nennen das Experten. Dagegen griff ich erneut zu Medikamenten. Irgendwann blieb die Wirkung aus. Ich wurde weniger leistungsfähig, litt unter dumpfem Dauerschmerz – das Zeichen für einen Übergebrauchs- Kopfschmerz.
Die Einweisung in die Klinik war meine Rettung. Freunde empfahlen mir die Migräne-Klinik Königstein. Nach vielen Gesprächen wurde zu-erst das Triptan abgesetzt, um einen ,normalen‘ Zustand zu erreichen und um ein neues Mittel für den Akutfall zu finden. Außerdem lernte ich, dass ich achtsamer mit mir umgehen muss. Diese Umstellung fiel mir nicht leicht, aber sie hat sich gelohnt. Heute habe ich fast keine Migräne-Attacken mehr.
Interview mit Dr. Charly Gaul
„Heutzutage behandeln wir jeden individuell“
VITAL: Häufige Kopfschmerzen oder Migräne – das schränkt das Leben ein. Was kann Betroffenen helfen? Dr. Gaul: Jedenfalls nicht, sich mit Medikamenten von Anfall zu Anfall zu hangeln. Wichtig ist zu verstehen, was hinter den Schmerzen steckt. Viele Patienten haben wahre Therapie-Odysseen hinter sich, aber kaum Infos oder Behandlungskonzepte erhalten. Andere leben jahrelang mit der Angst vor einem Hirntumor. Das verschlimmert das Leiden, denn Sorgen bilden oft den Nährboden für Kopfschmerzen. Hier bringen neurologische Untersuchungen Klarheit und Abhilfe.
Wie viel Psychologie steckt im Kopfschmerz? Sie ist ein zentraler Aspekt. Was sich daran zeigt, dass auch viele Medikamente hier ansetzen. Betablocker etwa entschleunigen und machen gelassener.
Gibt es einen typischen Kopfschmerz-Patienten? Ja. Die Erfahrung zeigt: Viele Schmerzpatienten können Reize schlecht ausblenden. Sie sind sehr sensibel, saugen alles auf, ihr Gehirn trennt wichtig nicht von unwichtig. Irgendwann meldet die Festplatte: Overload. Mit massiven Schmerzen.
Die haben also eine Funktion? Sie sind ein Mittel zum Zweck. Das Gehirn nutzt Schmerzen als „Aus“- Knopf, um zur Ruhe zu zwingen.
Ist Stress allein an allem schuld? Nein. Verschiedene Reize können die neuronalen und biochemischen Prozesse im Gehirn stören, zum Beispiel Überlastung und ein unregelmäßiger Lebensstil.
Wo setzt ein Therapeut nach neuesten Erkenntnissen an? Der multimodale Ansatz ist sehr erfolgreich. Dabei schauen wir auf die neurobiologischen Grundlagen der Schmerzen, auf psychische Auswirkungen und die Konsequenzen im privaten und beruflichen Umfeld. Auf Basis dieser ganzheitlichen Daten wird individuell therapiert.
Mit oder ohne Arzneimittel? Jeder Schmerzpatient braucht zunächst ein gutes Akutmedikament. Wir probieren aus, mit welchemer am besten klarkommt. Um Kopfschmerzen dann möglichst zu verhindern, geht es in erster Linie um das Einüben neuer Lebensstandards.
Wie sehen die aus? Wir erarbeiten individuell, was dem Patienten guttut und Ruhe bringt. Der Fokus liegt auf Entspannungsverfahren, die das autonome Nervensystem dauerhaft beruhigen und die Schmerzaktivierung des Körpers verringern, wie z. B. die Muskelrelaxation nach Jacobson.