
Fenster zur Seele? Gut möglich. Fenster zur Gesundheit? Mit Sicherheit! Die Augen verraten tatsächlich eine Menge über den Zustand unserer Organe, unseres Immunsystems oder unserer Blutgefäße.
Mit Hightech-Methoden wie beispielsweise der Topografie, einer computergesteuerten Untersuchung der Hornhautoberfläche, oder einer Fluoreszenzangiografie, einer Farbstoffuntersuchung der Netzhaut, können Augenärzte immer mehr Leiden „auf einen Blick“ erkennen. „Manchmal sogar schon, wenn die Patienten selbst oder andere Mediziner die Krankheit noch nicht entdeckt haben“, sagt Prof. Nicole Eter, Direktorin der Augenklinik am Universitätsklinikum Münster. Die Augendiagnostik kann vor allem Volkskrankheiten wie Diabetes oder Bluthochdruck so früh diag nostizieren, dass sie rechtzeitig behandelt werden können. In wenigen Jahren rechnen Experten sogar mit einem einfachen Alzheimer-Test im Auge. Wir verraten Ihnen was heute schon geht.
Diabetes/Bluthochdruck
Feinste Gefäße warnen
Ein ständig erhöhter oder schlecht eingestellter Blutzucker oder ein unbehandelter Bluthochdruck führen oft zu schwerwiegenden Netzhautveränderungen (med.: Retino pathie). Die mikrofeinen Kapillargefäße verengen oder verschließen sich, es kann zu Blutungen kommen. Bei einem Diabetes können sich zudem fettähnliche Substanzen ablagern und Flüssigkeiten ansammeln. Langfristig führt das zu einem erheblichen Verlust der Sehkraft. Ein regelmäßiger schmerzfreier Netzhaut-Check (med.: Funduskopie) kostet ca. 100 Euro. Die gesetzlichen Krankenkassen zahlen meist nicht.
Thrombosen
Ein Gentest der anderen Art
Die Ursache von Gefäßverschlüssen in den Augen ist zu 75 Prozent ein zu hoher Blutdruck, oft auch ein erhöhter Augeninnendruck, der zum grünen Star führen kann. Die Mini-Thrombosen sind auch ein Indiz für ein erhöhtes Thrombose-Risiko im ganzen Körper - per Bluttest feststellbar durch Nachweis der ererbten Faktor-V-Leiden-Mutation. Die Kassen zahlen den Test bei Verdacht.
Augen verraten Krankheiten
Stoffwechselstörungen
Früh erkannt, gut behandelt
Zeigt sich beim Augen-Check (Kassenleistung) am Rand der Hornhaut ein grünlich-bräunlicher Ring, besteht Verdacht auf Morbus Wilson – eine Störung des Kupferstoffwechsels in der Leber. Das Leiden gehört zu den Speicherkrankheiten, bei denen bestimmte Stoffe wegen eines genetischen Defekts nicht ausgeschieden, sondern im Körper angereichert werden. In diesem Fall helfen oft Medikamente mit dem Wirkstoff D-Penicillamin, der den Kupferspiegel senkt. Bei der Speicherkrankheit Morbus Fabry zeigen sich cremefarbene Wirbel auf der Hornhaut. Die Krankheit stört alle Organfunktionen. Früh zeitig erkannt, kann aber eine Enzym-Ersatztherapie die Folgen mindern.
Multiple Sklerose
Erste Symptome erkennen
Alles scheint verschwommen, grau in grau, der Augapfel schmerzt, die Augen bewegen sich ruckartig, es tauchen Doppelbilder auf. Fast jeder zweite Patient mit multipler Sklerose leidet unter einer Entzündung des Sehnervs (med.: Opticusneuritis). Bei 20 bis 30 Prozent der Betroffenen ist es sogar das erste Symptom der Autoimmunerkrankung.
Schilddrüsenprobleme
Schäden am Augengewebe
Die Augen treten hervor, tränen und sind gereizt, der Blick wird starr. Die Autoimmunkrankheit Morbus Basedow attackiert zwar vor allem das Schilddrüsengewebe. Doch bei jedem zweiten Patienten schädigt sie auch das Gewebe der Augenmuskeln und das Fettgewebe rund ums Auge. Die fehlgesteuerte Immunreaktion (med.: endokrine Orbitopathie) führt in schweren Fällen dazu, dass Hornhaut und Sehnerv angegriffen und Doppelbilder gesehen werden.
Rheuma
Rötungen genau beobachten
Wer denkt bei geröteten Augen gleich an eine Krankheit? Eher an Zugluft oder zu viel Bildschirmarbeit. Doch Entzündungen von Regenbogen- und Bindehaut verraten auch rheumatische Autoimmunerkrankungen wie Morbus Bechterew oder Psoriasis- Arthritis. Bleiben sie unbehandelt, ist das Sehvermögen in Gefahr. Prof. Uwe Pleyer von der Augen klinik an der Charité in Berlin: „Patienten sollten eine Rötung, die länger als 48 Stunden anhält, vom Augenarzt untersuchen lassen.“