AstraZeneca: Wer sollte sich nicht impfen lassen?


Wer sollte sich nicht mit AstraZeneca impfen lassen?


Erst wurden die Impfungen mit AstraZeneca gestoppt, dann wieder fortgesetzt, anschließend nur noch für Personen im Alter von 60 bis 69 Jahren empfohlen und nun bundesweit für alle freigegeben. Viele Menschen bleiben bezüglich des Vektorimpfstoffes von AstraZeneca aber verunsichert, da dieser unter Verdacht steht, seltene Hirnvenenthrombosen zu verursachen.

AstraZeneca-Impfung für alle freigegeben

Nachdem bereits einige Bundesländer wie Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Bayern und Sachsen den Impfstoff von AstraZeneca für alle Interessenten über 18 Jahre aus der Priorisierung genommen hatten, haben ihn nun Bund und Länder bundesweit freigegeben. Zukünftig wird AstraZeneca nicht mehr im Impfzentren, sondern in den Arztpraxen verimpft – sofern nichts dagegen spricht und keine Risikofaktoren wie Vorerkrankungen bestehen.

Der zeitliche Abstand zwischen Erst- und Zweitimpfung soll ebenfalls zukünftig kürzer gefasst werden. Der bisherige Abstand beläuft sich auf bis zu drei Monate. Laut Gesundheitsminister Jens Spahn soll das Intervall auf vier Wochen verkürzt werden. Damit würde er eine schnellere und frühere Immunisierung mit dem Vakzin für die Sommermonate gewährleisten. Es liege aber im Ermessen des Arztes, wann der vollständige Impfschutz eintrete.

Weiterhin gilt der Beschluss, den Impfstoff nach der Impfreihenfolge zu verteilen und besonders gefährdete Gruppen zuerst zu immunisieren. In den meisten Bundesländern wird derzeit die letzte und dritte Priorisierungsgruppe geimpft. Ab Juni wird voraussichtlich die Priorisierung aufgehoben.

Von Ende März bis Anfang Mai war der AstraZeneca-Impfstoff nur noch bei Menschen zwischen 60 und 69 Jahren eingesetzt worden. Die Ständige Impfkommission (STIKO) hatte zuvor eine entsprechende Empfehlung abgegeben. Der Grund für die Änderung der Altersempfehlung waren laut Paul-Ehrlich-Institut (PEI) die gemeldeten Fälle von Hirnvenenthrombosen hauptsächlich bei Frauen im Alter von 20 bis 63 Jahren, die es im zeitlichen Zusammenhang mit der AstraZeneca-Impfung gegeben hat.

Kreuzimpfung mit AstraZeneca

Jüngere, die zuvor AstraZeneca erhalten hatten, sollen auf Anraten des Robert-Koch-Instituts eine Kreuzimpfung erhalten und ihre zweite Dosis mit einem mRNA-Impfstoff – also BioNTech oder Moderna – bekommen. Erste Studien zeigen, dass eine Impfung aus Vektor- und mRNA-Impfstoff wirksamer sein soll, als zwei Impfungen mit einem Vektorimpfstoff.

Mehr zu diesem Thema finden Sie hier: Erst AstraZeneca, dann BioNTech – wie wirksam und sicher ist die Kreuzimpfung?

Delta-Variante: Wie gut schützt AstraZeneca?

Die aus Indien stammende Delta-Variante breitet sich auch in Europa aus. Die Mutation gilt als ansteckender und resistenter gegenüber den Corona-Impfstoffen. Laut der britischen Gesundheitsbehörde Public Health England (PHE) schützt eine vollständige AstraZeneca-Impfung etwa zu 60 Prozent vor einer symptomatischen Erkrankung mit der Delta-Variante. Bei der Alpha-Variante schützt der Vektorimpfstoff zu 66 Prozent. Schwere Krankenhausaufenthalte infolge einer Infektion mit der Delta-Variante werden zu 92 Prozent mit einer Impfung von AstraZeneca verhindert. Die Kreuzimpfung soll eine genauso hohe Wirksamkeit haben wie doppelt Biontech-Geimpfte, die bei 90 Prozent liegt.

Forscher finden Verunreinigung im AstraZeneca-Impfstoff

Forscher der Universität Ulm haben in dem Impfstoff des Herstellers AstraZeneca Verunreinigungen durch Proteine entdeckt. Bislang ist noch nicht klar, ob diese die Wirkung des Vakzins beeinflussen oder ob es einen möglichen Zusammenhang zu den Impfreaktionen und somit zu den Hirnvenenthrombosen gibt. Das müsse in weiteren Untersuchungen geklärt werden. Der Proteingehalt pro Impfdosis habe aber deutlich über der theoretisch zu erwartenden Menge gelegen.

Die gefundenen viralen und menschlichen Proteine hätten keine Auswirkungen auf bereits geimpfte Personen, so Studienleiter Stefan Kochanek. „Extrazelluläre Hitzeschock-Proteine sind jedoch bekannt dafür, dass sie angeborene und erworbene Immunantworten modulieren und bestehende Entzündungsreaktionen verstärken können. Sie wurden zudem auch schon mit Autoimmunreaktionen in Verbindung gebracht.“

Virologe Alexander sagte gegenüber der Deutschen Presseagentur, dass es ärgerlich sei, dass die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) das Problem bei der Zulassungsprüfung nicht bemerkt habe. Die sehr seltenen, nach Impfungen mit AstraZeneca aufgetretenen Fälle von Hirnthrombosen sind seiner Ansicht nach eher nicht auf die Verunreinigungen zurückzuführen.

Video: Verunreinigungen im AstraZeneca-Impfstoff entdeckt

Impfstopp nach Hirnvenenthrombosen

Nachdem es einige Fälle von seltenen Hirnvenenthrombosen gegeben hatte, wurde die Verteilung von AstraZeneca gestoppt und die EMA überprüfte daraufhin den Corona-Impfstoff auf die selten auftretenden Thrombosefälle und kam dabei zu dem Entschluss, dass der Vektorimpfstoff „wirksam und sicher“ sei. Wie verschiedene Medien berichteten, könne zwar ein Zusammenhang zwischen einer Impfung und sehr seltenen Blutgerinnseln im Gehirn nicht definitiv ausgeschlossen werden. Man sei jedoch weiter der Ansicht, dass die Vorteile des Vakzins die Risiken überwögen.

EMA empfiehlt AstraZeneca-Impfung weiterhin uneingeschränkt

Trotz der selten auftretenden Thrombosefälle empfiehlt die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) weiterhin den AstraZenca-Impfstoff für alle Erwachsenen. Der Nutzen des Wirkstoffes sei höher zu bewerten als die Risiken, erklärte die EMA vergangene Woche in Amsterdam. „Covid-19 ist eine sehr schwere Erkrankung“, sagte die EMA-Chefin Emer Cooke bei einer Pressekonferenz. „Viele Tausend Menschen sterben jeden Tag in der EU.“ Der Impfstoff von AstraZeneca liefere einen effektiven Schutz vor Covid-19, „wir müssen alle verfügbaren Impfstoffe nutzen, um Erkrankungen zu verhindern.“

AstraZeneca-Impfung und Gerinnungsstörungen

Nach dem Impfstopp wurde ein Warnhinweis zur Risikominimierung in die Fach- und Gebrauchsinformation aufgenommen, dass es sehr selten zu Thrombose-Fällen nach der Impfung kommen kann. Doch die Verunsicherung bleibt – gerade bei Personen, die Vorerkrankungen wie eine Gerinnungsstörung haben oder Frauen, welche die Anti-Baby-Pille nehmen. Im Gespräch mit dem MDR gab Dr. Ute Scholz vom Leipziger Zentrum für Gerinnungsstörungen Entwarnung und äußerte sich dazu, ob eine Gerinnungsstörung ein potentielles Risiko darstellt:

Bei einem Faktor-V-Leiden ist die Blutgerinnung gestört, die Betroffenen haben ein höheres Risiko eine Thrombose zu bekommen. Aber die Faktor-V-Leiden-Mutation ist eine sogenannte Punkt-Mutation, die das mildeste vererbbare Thromboserisiko ist in Deutschland. Das hat fünf Prozent der europäischen Bevölkerung. Und die fünf Prozent entwickeln nicht diese Nebenwirkungen, die jetzt bei AstraZeneca aufgetreten sind.

Auf die Frage, ob Sie daher eine Impfung mit AstraZeneca empfehlen würde, sagte sie ganz klar: „Impfen? Ja! Und in diesem Falle auch egal welcher Impfstoff!“ Sie begründete Ihre Antwort damit, dass durch eine Covid-19-Infektion ein mehrfach gesteigertes Risiko bestehe, Thrombosen zu bekommen. Wer nicht geimpft sei, könnte schwere Komplikationen erleiden.

AstraZeneca-Impfung und die Pille

Und wie sieht es mit Frauen aus, welche die Pille nehmen und demnach einem höheren Thromboserisiko ausgesetzt sind? Eine Kombination aus hormoneller Verhütung und der AstraZeneca-Impfung bereitet vielen Frauen besonders Sorgen. Diesbezüglich hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn Mitte März bei einer Pressekonferenz ein mögliches „Impfprivileg“ ins Spiel gebracht: „Natürlich kann dann auch ein anderer Impfstoff verabreicht werden. Die Impf-Ärzte werden mit der zu Impfenden eine Lösung finden“, so Spahn. Das sei aber eine Entscheidung des jeweiligen Arztes, betonte er: „Wenn der Impfling und der Arzt gemeinsam zu der Entscheidung kommen, dass ein anderer Impfstoff angezeigt ist, wird auch eine Impfung mit einem anderen Impfstoff möglich sein.“ Nach offiziellen Informationen auf der Website der Bundesregierung gilt allerdings weiterhin, dass man sich den Impfstoff nicht aussuchen kann.

Dr. Scholz rät strikt davon ab, nach der Impfung prophylaktisch Blutverdünner mit zu verabreichen, um dieses Risiko zu senken. Eine zusätzliche Gabe von Heparin könnte weitere Komplikationen herbeiführen.

AstraZeneca-Impfung und frühere Thromboseerkrankungen

Und was müssen Personen bedenken, die schon einmal eine Beinvenenthrombose oder eine Lungenembolie hatten? Sollen diese AstraZeneca ausschlagen und mit dem Impfen warten? Dr. Scholz empfiehlt auch diesen Personen die Corona-Impfung mit dem Vakzin.

Ich höre auch manchmal von den Patienten: Dann warte ich auf den russischen Impfstoff! Aber auch der Sputnik-V-Impfstoff und auch der von Johnson & Johnson sind Adenovirus-Vektor-Impfstoffe. Das ist praktisch von der Art des Impfstoffes das gleiche, was wir bei AstraZeneca haben. 

Des Weiteren empfiehlt sie den Impfstoff gerade für Menschen mit Vorerkrankungen, die das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs erhöhen, darunter Adipositas, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Atemwegserkrankungen und Diabetes. 

Eine klare Antwort, ob Personen, die früher schon mal eine Sinusvenenthrombose hatten, sich mit AstraZeneca impfen lassen sollten, kann Dr. Scholz nicht geben. „Diese Frage kann im Moment eigentlich keiner seriös beantworten. Es gibt derzeit keine Daten zu diesem ganz speziellen Patientenkollektiv.“

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