
"Einen Cappuccino mit laktosefreier Milch, bitte!“ Solche Bestellungen sind in Coffeeshops längst Alltag. Denn glücklicherweise wissen heute immer mehr Menschen, warum sie ständig unter Verdauungsbeschwerden leiden: Sie vertragen nämlich keine Laktose, also keinen Milchzucker.
Jahrelanges Leiden Übelkeit, Bauchgrummeln und Durchfall: Das sind die typischen Beschwerden einer Laktose- Intoleranz. 30 Minuten bis zu drei Stunden nach dem Genuss von Milchprodukten treten sie auf. Der Grund ist ein Mangel an Laktase. Das Enzym sorgt im Dünndarm für die Aufspaltung und damit Verwertbarkeit des Milchzuckers. Durch den Laktase-Mangel kommt zu viel unaufgespaltener Milchzucker im Dickdarm an. In seiner Schleimhaut sesshafte Bakterien versuchen, die Laktose als Nährstoff zu fermentieren. Dabei bilden sich Gase und Fettsäuren, welche die Verdauung belasten, langfristig auch Migräne und ein Reizdarmsyndrom begünstigen können. Oft dauert es lange, bis der Milchzucker als Ursache für die Beschwerden entlarvt wird.

Keine Krankheit, aber unangenehm Die Laktose-Intoleranz ist eigentlich keine Krankheit, sondern ein archaischer Bauplan der Gene. Von der Natur ist es nämlich so vorgesehen, dass der Mensch nach dem Säuglingsalter Milch nicht mehr zwingend vertragen muss. Denn nach dem Abstillen kann er sich ja anderweitig ernähren. So nimmt im Laufe der Lebensjahre die Produktion von Laktase ganz natürlich ab. Doch Jahrtausende der Nutztierzucht haben ihre Spuren hinterlassen: Milch, aber auch Butter oder Käse stehen heute bei Erwachsenen täglich auf dem Speiseplan. Im Laufe der Evolution hat sich der Körper durch genetische Mutationen auf das „Milch-Food“ bis ins hohe Alter eingestellt. Die Folge: 85 Prozent der deutschen Erwachsenen bilden meist noch ausreichend Laktase. Nur bei den restlichen 15 Prozent klappt das nicht, weil die Evolution bei ihnen die Anpassung versäumt hat.
Andere Ursachen Es gibt aber auch Milchzuckerunverträglichkeiten, deren Keimzelle eine Krankheit ist. Dazu gehören z.B. eine Glutenunverträglichkeit (Zöliakie), chronische Darmentzündungen oder Magen- Darm-Infekte. Aber auch Medikamente wie Antibiotika oder Chemotherapeutika können die Bildung von Laktase verringern und Verdauungsbeschwerden hervorrufen. Mediziner sprechen dann von sekundärem Laktasemangel. Bei immer wiederkehrenden Blähungen und Durchfällen ist daher ein Arztbesuch ratsam, um die Art der Intoleranz checken und gegebenenfalls die Grunderkrankung behandeln zu lassen.
Tests geben Aufschluss
Drei Diagnosetests können einer Laktose-Intoleranz heute schnell und unkompliziert auf die Spur kommen: Indirekt geben der Wasserstoffatemtest und der Laktosebelastungstest darüber Aufschluss, ob überhaupt eine Verwertung des Milchzuckers durch Laktase erfolgt. Dazu werden nach gezielter Gabe von Laktose der Gehalt von Wasserstoff im Atem bzw. der Blutzuckerspiegel gemessen. Ein neuer Gentest kann zudem klären, ob die Unverträglichkeit genetisch oder sekundär ist. Zusätzlich sollten Auslassdiäten die Diagnose ergänzen. Sie zeigen, ob sich die Beschwerden beim Weglassen milchzuckerhaltiger Lebensmittel bessern.
„Kreuz-Intoleranzen“
Ein gereizter Darm reagiert auf vieles empfindlich. Oft machen dann nicht nur Milchzucker, sondern auch Gluten, Fruchtzucker, Ballaststoffe, Geschmacksverstärker, Histamin oder Süßstoffe Probleme. „Nahrungsmittelunverträglichkeiten zeichnen sich durch eine sehr hohe Komplexität aus“, erklärt der Internist und Ernährungsmediziner Dr. Maximilian Ledochowski von der Universitätsklinik Innsbruck. „Oft kommt es erst durch das Zusammenspiel verschiedener Faktoren zu Unverträglichkeitsreaktionen.“
BUCH-TIPPS
- Sarah Schocke: „Laktose-Intoleranz“, Beschwerdefrei genießen. GU, 96 Seiten, 7,99 Euro.
- Karin Hofele: „Richtig einkaufen bei Laktose- Intoleranz
“, Infos zu über 900 Lebensmitteln und Fertigprodukten. Trias, 128 Seiten, 9,99 Euro.
- Dr. Maximilian Ledochowski: „Nahrungsmittel-Intoleranzen
“, Unverträglichkeiten erkennen und gut damit leben. Trias, 160 Seiten, 17,99 Euro
Maßgeschneiderte Therapien
Die Behandlung richtet sich nach Ausprägung, Art und Kombination der Unverträglichkeit. Bei der sekundären Laktose-Intoleranz liegt das Hauptaugenmerk darauf, die Grunderkrankung zu therapieren und dem Darm durch konsequentes Meiden von Laktose und eventueller weiterer problematischer Stoffe ausreichend Zeit zur Beruhigung und Regeneration zu geben. Bei der genetisch bedingten Laktose-Intoleranz ist das Behandlungs-Schema nicht ganz so eindeutig festzulegen. Denn: Manche Patienten vertragen überhaupt keine Laktose; Andere wiederrum, und das ist die Mehrheit der Betroffenen, haben jedoch nur mit stark laktosehaltigen Lebensmitteln wie Milch, Molke, Kaffeesahne oder Pudding ihre Probleme. Sie vertragen Butter oder Hartkäse jedoch gut, Sahne, Quark oder Frischkäse nur in Maßen. Je nachdem, wie viel Laktase der Körper noch produziert. Deshalb kommen in der Schulmedizin in der Regel folgende drei Maßnahmen zum Einsatz: eine laktosearme Ernährung, die Sanierung des Darms und/oder der gezielte Ersatz des Enzyms Laktase durch Arzneimittel.
Laktose versteckt sich oft
Der Verzicht auf laktosehaltige Lebensmittel gestaltet sich jedoch schwierig. Viele Fertiggerichte, aber auch Wurstwaren, Würzmischungen und Medikamente enthalten oft versteckten Milchzucker. Tipp: Die Zutatenlisten kritisch lesen, möglichst viel frisch selbst kochen und offensichtlich laktosehaltige Lebensmittel meiden. Da Milchprodukte unsere wichtigsten Kalziumlieferanten sind, kann ein Mineralstoffmangel durch kalziumreiches Mineralwasser oder laktosefreie Produkte (siehe nächste Seite) verhindert werden. Bei denen ist die Laktose schon aufgespalten, deshalb schmecken sie süßlich.

Asiatische Küche
Auch eine laktosefreie Alternative. Doch Vorsicht: Chinesisches Essen enthält oft den Geschmacksverstärker Glutamat, der vielen Menschen Probleme macht.
Im Restaurant
Zu empfehlen sind Salat mit Essig und Öl, Fisch oder Fleisch natur in Olivenöl gebraten. Soßen in einem Extra-Schälchen bringen lassen, um zu prüfen, ob sie Butter oder Sahne enthalten.