
Als Yves Saint Laurent 1977 seinen Duft „Opium“ vorstellte, spielte er nicht nur bei der Wahl des Namens mit dem Reiz des Verbotenen. Auch die Location, das legendäre New Yorker Studio 54, signalisierte: Hier geht es um heißen Stoff. Und genau das wäre der Duft in der Version von 1977 heute.
„Die Industrie muss immer wieder die Rezeptur bereits existierender Düfte modifizieren, weil sich die Gesetze ändern“, erklärt Birgit Huber vom Industrieverband Körperpflege- und Waschmittel. „Ein ,Opium‘ von 1977 würde heute gar nicht mehr zugelassen.“ Das Hauptproblem sind bestimmte eigentlich harmlose Moleküle, die aber bei einer wachsenden Zahl von Menschen das Immunsystem in Aufruhr versetzen, sprich: Duftstoffallergien auslösen. Was 1977 im wahrsten Sinne des Wortes niemanden juckte, wird 2010 weltweit als Allergen eingestuft – allen voran die 26 Riechstoffe, die wegen ihrer provozierenden Wirkung aufs Immunsystem schon seit 2003 einzeln auf der Verpackung genannt werden müssen.
Kontrolle und Überwachung aller Duftstoffe
Parfümeure setzen auf freiwillige Selbstkontrolle
Die meisten Probleme registrierte der Informationsverbund Dermatologischer Kliniken (IVDK) 1999. Von den Patienten, die in diesem Jahr mit dem Verdacht auf ein allergisches Kontaktekzem zum Hautarzt gingen, reagierten 13,1 Prozent auf den Mix aus problematischen Duftstoffen. Dass diese Quote heute nur noch 6 Prozent beträgt, liegt keineswegs daran, dass weniger Riechstoffe verwendet werden. Schließlich stecken die duftenden Partikel nicht nur im Parfüm, sondern in unzähligen Gebrauchsgegenständen – vom Haushaltsreiniger bis hin zum Neuwagen.
Den Rückgang der Duftstoffallergien verdanken wir vielmehr einer immer strengeren Kontrolle aller Duftstoffe. Und die wird nicht vom Gesetzgeber vorangetrieben, sondern von der Parfümbranche selbst. Weltweit fahnden auf Rechnung der Dufthersteller Wissenschaftler, um Probleme zu erkennen und zu umgehen, bevor sie die Verbraucher und Behörden beschäftigen. Ganz uneigennützig ist das nicht, schließlich lebt die Branche von ihrem guten Ruf.
Organisiert sind die Duftwächter in verschiedenen Instituten. Das 1966 in den USA gegründete Research Institute for Fragrance Materials (RIFM) bewertet zum Beispiel laufend alle Duftstoffe, die auf den Markt kommen. Tritt ein Verdacht auf, geht der Stoff an ein unabhängiges internationales Expertengremium, um die praktische Relevanz zu beurteilen. Die konkreten Konsequenzen für die Hersteller formuliert aber die International Fragrance Association (IFRA) in Brüssel. „Wir sind sozusagen die Exekutive“, erklärt Dr. Matthias Vey, wissenschaftlicher Direktor der IFRA. Gegenwärtig arbeitet sein Team an dem 46. „Amendment“, wie die Duftwächter ihre Empfehlungen nennen.
Risiko-Duftstoffe werden limitiert oder verändert
Bis sich Veys Arbeit bei uns im Badezimmer bemerkbar macht, vergeht geraume Zeit. „Im Moment bewegt den Markt noch das 43. Amendment, das 2008 veröffentlicht wurde. Dabei geht es unter anderem um eine mengenmäßige Beschränkung bestimmter Duftstoffe mit allergenem Potenzial, zum Beispiel Ylang-Ylang, Kumarin und Jasmin.“ Bis jetzt betraf die Regel nur Neulancierungen, doch was ab September in die Regale gestellt wird, muss der Richtlinie entsprechen – auch wenn die Duftrezepte wie im Fall von „Opium“ schon viele Jahrzehnte alt sind. Dank Amendment Nr. 43 wird vielleicht auch der beliebte, aber noch als allergen geltende Duftstoff Eichenmoos bald rehabilitiert. Die RIFM-Spürhunde konnten die Stoffe isolieren, die im Eichenmoos die Allergien verantworten: Atranol und Chloratranol. Schon jetzt dürfen keine Düfte mehr mit Eichenmoos entwickelt werden, das die Übeltäter noch enthält. Ab Februar 2011 gilt dieses Reinheitsgebot dann für alle Parfüms.
Sicherheit für Verbraucher

Viele traditionelle Parfüm-Firmen nehmen die IFRA-Empfehlungen gelassen auf. „Jasmin z.B. spielt eine wichtige Rolle in unseren Düften, deshalb prüfen wir alle Rezepte sehr genau, wenn die neuen IFRA-Regeln publiziert werden“, sagt Christopher Sheldrake, Leiter der Abteilung für Forschung und Entwicklung bei Chanel. „Doch bei keinem Duft wurde das Limit jemals überschritten, auch nicht in dem ,N°5‘-Rezept aus dem Jahr 1921.“ Auch Enzo Galardi vom italienischen Dufthaus Bois 1920 reagiert pragmatisch: „Die IFRA Richtlinien sind für uns kein Problem. Wir passen unsere Düfte ohnehin immer wieder dem Zeitgeist an. Wenn eine Note ersetzt werden muss, dann ersetzen wir sie.“
Erst eine Empfehlung, dann EU-weites Gesetz
Zur Kooperationsbereitschaft bleibt den Parfümeuren allerdings auch keine Alternative, denn die Grenzen zwischen freiwilliger Selbstkontrolle und den Gesetzen verlaufen fließend. „In der EU muss für jedes Produkt ein Sicherheitsdossier vorliegen“, erklärt Matthias Vey. „Auch auf globaler Ebene raten Gesetzgeber, strengstens unsere Richtlinien zu befolgen.“ 90 Prozent des Marktes, schätzt Vey, fügen sich den IFRA-Amendments. Nur wenige Länder, darunter Indien, sperren sich.
Wenn die Konsumenten auf der Suche nach einem neuen Duft auf Streifzug durch die Parfümerien gehen, werden sie sicher nicht über Selbstkontrolle und Allergien nachdenken – schließlich ist Parfümkauf ein überaus emotionales Vergnügen. Deutsche Frauen, berichtet der Duftforscher Dr. Joachim Mensing, zeigen gegenwärtig eine Vorliebe für romantische Fruchtnoten, sogenannte Florientals: „Diese Düfte stehen für die Sehnsucht nach Geborgenheit und Harmonie.“ Gut zu wissen, dass Duftdetektive wie Vey darüber wachen, dass solche Sehnsüchte ohne Nebenwirkungen in Erfüllung gehen.